Der erste Teil ist ein Rückblick.
Hier lernen wir Tomás kennen, einen einsamen und sich selbst überlassenen Jungen, der in den siebziger Jahren im fiktiven Ort Metting heranwächst.
Seine Eltern leiten ...
Der erste Teil ist ein Rückblick.
Hier lernen wir Tomás kennen, einen einsamen und sich selbst überlassenen Jungen, der in den siebziger Jahren im fiktiven Ort Metting heranwächst.
Seine Eltern leiten das örtliche Alten- und Pflegeheim „Horizont“ und tragen das ein oder andere Geheimnis mit sich herum.
Lichtblicke in dem spießigen Kaff sind sein bester Freund Filip, ein Zigeuner, und dessen Schwester Milena.
Mit Einzug der lustigen, agilen und lebensfrohen 82-jährigen Marieluise ins Heim, werden wir Zeugen von Thomas erste Liebe sowie seiner, trotz Legasthenie, beginnenden Leidenschaft für Bücher.
Der Autor liefert eine messerscharfe Gesellschaftsanalyse der damaligen Zeit, beleuchtet Andersartigkeit, Diskriminierung, Rassismus und Verleumdung und zeichnet vielschichtige und lebendige Charaktere mit Ecken und Kanten, Schwächen und Stärken.
Egal ob dominante Mutter, die das Pflegeheim mit harter Hand führt oder schwacher Vater, einflussreicher Autohändler, grausamer Fremdenlegionär oder dahinvegetiere Bewohner des originell benannten Alten- und Pflegeheims „Horizont“, es sind allesamt detailliert sezierte und authentische Figuren.
Hier muss ich kurz erwähnen, dass es, wenn man selbst ein Kind der 70-er Jahre ist, höchst witzig ist, an Capri-Eis und Asterixhefte erinnert zu werden.
Im zweiten Teil kehrt der fast 50-jährige Tomás nach 30 Jahren in sein Heimatdorf zurück und wir erleben zusammen mit ihm, wie sich der Ort und seine Bewohner verändert haben.
Tomás wird hier als Problemlöser, Retter und Erlöser dargestellt und wir erleben viele Wendungen ins Positive.
Der Autor erzählt gleichermaßen feinfühlig wie sprachgewaltig sowie ernst und humorvoll eine zutiefst menschliche Geschichte, die auch literarische Ansprüche befriedigt.
Gegen Ende tendiert er leider zu etwas kitschigen, laienpsychologischen und belehrenden Feststellungen und Bemerkungen.
Tiefgreifende Botschaften werden zu offensichtlich vermittelt, was zusammen mit dem etwas zu Viel an Happy Ends meinen Gesamteindruck leicht negativ beeinflusste.
„Die Wahrheit über Metting“ ist ein sehnsüchtiges, tröstliches und Hoffnung spendendes Werk, das trotz der genannten Kritikpunkte sehr lesenswert ist.
Die ca. 40-jährige Julia Feldmann arbeitet als freie Journalistin bei einem Gesundheitsmagazin.
Sie kämpft sich durch den Alltag, findet die Beschäftigung mit Venenleiden nicht besonders reizvoll, hangelt ...
Die ca. 40-jährige Julia Feldmann arbeitet als freie Journalistin bei einem Gesundheitsmagazin.
Sie kämpft sich durch den Alltag, findet die Beschäftigung mit Venenleiden nicht besonders reizvoll, hangelt sich von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob und träumt vom Durchbruch und von DER Enthüllungsstory schlechthin.
Auch das aktuelle und private Drumherum ist nicht ganz leicht. Beziehungstechnisch läuft es alles andere als vielversprechend, ihre Mutter wird zunehmend dement und ihre Wohnung wurde ihr wegen Eigenbedarf gekündigt.
Und was dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist, dass ihr Bruder Robert vor ca. 12 Jahren nicht von seinem Trekkingurlaub in Norwegen zurückkam. Niemand hat eine Ahnung von dessen Verbleib oder Schicksal.
Er ist seither verschwunden. Niemand weiß, ob er überhaupt noch am Leben ist.
Der Verlust begleitet sie schmerzlich und immer wieder wird sie von Erinnerungen eingeholt und Gefühlen übermannt.
Eines Tages erhält Julia einen Hinweis, der ihren journalistischen Wissensdurst wecken könnte, der sie zunächst aber nicht besonders neugierig macht, weil sie der Thematik des Hinweises überdrüssig ist:
Es geht um sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz.
Julia ist schlicht genervt von dem öffentlichen Rummel, der um dieses Thema gemacht wird und steht ihm eher skeptisch gegenüber.
In einem renommierten Forschungsinstitut soll es zu Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch gekommen sein.
Schließlich meldet sich eine Betroffene bei ihr und spätestens, als sie den attraktiven Hauptverdächtigen kennenlernt und vom Suizid einer chinesischen Studentin erfährt, sind ihre journalistischen Antennen ausgefahren.
Noch ahnt sie nicht, dass genau dieser Auftrag ihrem Leben eine drastische Wende geben wird, dass sie dunkle Familiengeheimnisse aufdecken und ihrem Bruder, der an diesem Institut gearbeitet hat, auf die Spur kommen wird.
Obwohl sie zunächst auf eine Mauer des Schweigens stößt, bekommt Julia nach und nach eine Ahnung davon, was im Institut vor sich geht.
Sie spürt bei ihren Nachforschungen fragwürdige Machenschaften auf und entdeckt Machtmissbrauch, Geheimnisse, Schweigen und Vertuschung.
Sie fragt sich, ob die Frauen wirklich belästigt wurden, oder ob es sich in Wahrheit um ein Komplott gegen die Führungskräfte handelt.
All das kann sie mit einer gewissen Distanz und Nüchternheit betrachten, aber als sie mehr oder weniger zufällig eine unfassbare und bestürzende Spur zu ihrem verschollenen Bruder wittert, ist sie im Nu persönlich involviert und betroffen.
Steht Robert mit dem Suizid einer chinesischen Doktoranden in Verbindung?
Was ist mit ihrem Bruder passiert?
Lebt er noch, musste aber untertauchen, weil er sich etwas zu Schulden kommen ließ oder weil er zu viel wusste?
Hat er sich suizidiert?
Wurde ihm etwas angetan?
Hatte er einen Unfall?
Warum wurde seine Leiche nie gefunden?
Hat sie sich all die Jahre etwas vorgemacht?
Was hat sie übersehen?
Die Trauerverarbeitung konnte und kann wegen all dieser offener Fragen noch nicht abgeschlossen werden.
Neben der Journalistin Julia lernen wir auch die private Julia kennen, die sich um ihre demenzkranke Mutter kümmert, die zwei zuverlässige Freundinnen, Kathrin und Nina, hat und die den Verlust ihres Bruders Robert, den wir in Rückblenden kennenlernen, noch nicht verwunden hat.
Abwechselnd und mühelos tauchen wir in zwei Handlungsstränge ein, wobei wir immer die ca. 40- jährige Protagonistin Julia begleiten:
Einerseits im Kontext ihrer tragischen Familiengeschichte und andererseits vor dem Hintergrund ihrer journalistischen Tätigkeit.
Wir verfolgen eine turbulente Entwicklung im privaten und skandalöse Entdeckungen im beruflichen Bereich.
Amelie Fried zeichnet ihre Protagonistin in all ihrer Komplexität, Vielschichtigkeit und Unzulänglichkeit.
Wir lernen ihre sympathischen, selbstdestruktiven und weniger reizvollen Seiten kennen und es fällt leicht, mit ihr zu fühlen, zu hoffen, zu leiden und sich mit ihr zu freuen.
Julia ist eine Person aus Fleisch und Blut mit Ecken und Kanten.
Auch die anderen Personen und die geschilderten Geschehnisse werden authentisch und realitätsnah dargestellt.
Sehr gelungen empfinde ich, dass die MeToo-Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und überhaupt nicht platt und klischeehaft dargestellt wird und dass Tagebucheinträge eingestreut werden, die die Geschichte noch abwechslungsreicher machen.
Mir gefällt die gelungene Verwebung von Vergangenheit und Gegenwart sowie die geschickte Vernetzung des MeToo-Themas mit den familiären und persönlichen Belastungen und Herausforderungen der Protagonistin.
Die Autorin verpackt ein interessantes, wichtiges und aktuelles Thema in einen Unterhaltungsroman, der sich flüssig, einfach und leicht lesen lässt und aufgrund seines eindringlichen Schreibstils enorm fesselt, so dass man ihn in einem Rutsch weglesen kann.
„Die Spur des Schweigens“ erfüllt sicher keine hohen literarischen Erwartungen, ist aber unterhaltsam und entspannend. Es ist ein intensives und kurzweiliges Leseerlebnis.
Auf die Frage nach dem Genre würde ich antworten, dass es sich hier um eine Familiengeschichte mit Krimielementen handelt, die das brandaktuelle und sensible Sujet „sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ aufgreift und weitere wichtige gesellschaftspolitische und soziale Themen, wie Demenz, Alkohol als Selbstmedikation, Bindungsängste, Machtmissbrauch, soziale Medien als Platform für Anfeindungen und Demütigungen, Probleme junger Ausländer mit unserer Kultur oder Schwierigkeiten einer alleinerziehenden Mutter, streift.
Trotz dieser thematischen Vielfalt wirkte der Roman, in dem man auf Schritt und Tritt Geheimnissen und Tabus begegnet, auf mich nicht überladen, sondern eher wie das echte Leben, in dem es ja auch keine Begrenzung der Themenvielfalt gibt.
Die Autorin hat sich an viele heikle Themen herangewagt, sie differenziert beleuchtet und unterhaltsam verpackt.
Es ist ein ideales Buch für ein verregnetes Wochenende!
Spannend, packend, unterhaltsam, informativ und mit überraschenden, unvorhersehbaren Wendungen,
Amelie Fried packt ein heißes Eisen an und setzt sich differenziert mit dem hochaktuellen und brisanten Thema sexuelle Gewalt auseinander. Dabei beleuchtet sie auch die vielfältigen Fragestellungen und Probleme, die damit einhergehen:
Anfeindungen, Scham- und Schuldgefühle des Opfers , Traumatisierung und Selbstzweifel.
Sie geht dabei auch auf die inneren Hemmnisse ein, die es für die Betroffenen zu überwinden gilt, bevor sie das Trauma hinter sich lassen, Anklage erheben oder an die Öffentlichkeit gehen können.
Zwei mal acht Tage in einem Sanatorium in Badenweiler im Schwarzwald - 1900 und 1914.
Herbst 1914.
Elisabeth, der 39-jährigen Oberschwerster, ist es auf dem Flur des Sanatoriums, als würde sie vom Blitz ...
Zwei mal acht Tage in einem Sanatorium in Badenweiler im Schwarzwald - 1900 und 1914.
Herbst 1914.
Elisabeth, der 39-jährigen Oberschwerster, ist es auf dem Flur des Sanatoriums, als würde sie vom Blitz getroffen, als ihre Kollegin Victoria den Namen Stephen Crane erwähnt.
Als sie dann im Park ein Buch dieses amerikanischen Schriftstellers auf der Bank am Brunnen entdeckt, braucht sie erst einmal einige Zeit, um wieder zu sich zu kommen.
Erinnerungen ploppen auf, Gefühle übermannen sie.
Stephen Crane war vor 14 Jahren acht Tage lang Patient hier in dieser Heilstätte für Lungenkranke.
Er wurde damals wegen der Zuspitzung seiner bereits länger bestehenden Tuberkulose eingeliefert und sie war seine Krankenschwester.
Die Ankündigung seines Kommens und sein Aufenthalt selbst waren einschneidende Ereignisse für Elisabeth, denn sie hatte alle seine Bücher gelesen und eines davon, „The Monster“, berührt sie nach wie vor ganz besonders, weil sie sich mit dessen entstellter Hauptfigur identifiziert.
Schon die ersten Momente ihrer Begegnung waren außergewöhnlich und intensiv: die Blicke, der Händedruck.
Während sich Fieberphasen mit klaren Momenten abwechselten kamen sich Elisabeth und der 28-jährige Stephen Crane über die Tage hinweg näher.
Es war für Elisabeth eine aufregende, ereignisreiche und lebensverändernde Zeit voller verstörender, aufwühlender, glücklicher und erregender Momente.
Erzählt wird die Geschichte auf zwei Zeitebenen.
Wir wechseln stetig zwischen 1900 und 1914 hin und her und begleiten die Protagonisten auf beiden Strängen jeweils acht Tage lang.
1914 erinnert sich Elisabeth an die Tage mit Mr. Crane und betreut gleichzeitig den stummen 25-jährigen Bernhard Fischer, einen Lieutenant der im 1. Weltkrieg verletzt wurde.
Er ist der erste verwundete Soldat, der im Sanatorium aufgenommen wurde und er liegt in dem Zimmer und in dem Bett, in dem einst Steven Crane lag.
Er ist der Besitzer des oben genanntem Buches, das all‘ die Erinnerungen ausgelöst hat.
Der Autor jongliert hier, auf dieser Ebene, zwischen Erinnerungen und gegenwärtigen Geschehnissen.
Der andere Erzählstrang spielt 1900, in dem Jahr, in dem die für Elisabeth überwältigende Begegnung mit Mr. Crane stattfand.
Hier tauchen wir in Elisabeths kurze Zeit mit dem „komischen Vogel“ (S. 63) und in Cranes zum Teil verworrene Erinnerungen sowie in seinen „großen Koffer voller Geschichten“ (S. 75) ein.
Bereits auf den ersten Seiten stolperte ich über eine schöne Formulierung:
„Das Leben sei schön, sagte Mr. Crane, es komme immer darauf an, wohin man sehe. Komme darauf an, wo das Rettungsboot sich gerade befinde, auf dem Wellenkamm oder im Tal, umschlossen von grauem Wasser.“ (S. 72)
Ebenfalls bereits auf den ersten Seiten bekam ich große Lust auf den Kurzroman „The Monster“, den Stephen Crane geschrieben hat und von dem Elisabeth so fasziniert war. Ich kam nicht umhin, ihn mir zu kaufen, so neugierig hat mich die Krankenschwester darauf gemacht.
Durch die Lektüre erfahren wir auf originelle Weise, nicht chronologisch, sondern ungeordnet und in Bruchstücken etwas über Steven Crane und sein Leben.
Wir bekommen einen Eindruck
von dem 1871 in New Jersey als 14. Kind geborenen Schriftsteller, der mit 28 Jahren im Sanatorium in Badenweiler seiner Tuberkulose erlag.
Das Buch zu lesen bedeutet darüber hinaus auch, eine außergewöhnliche Frau kennenzulernen, die mehr als einmal Schicksal gespielt hat und es bedeutet, in unkonventionelle Innenwelten einzutauchen, in der Paranoia, Fieberfantasien, Erinnerungen, wahre, erfundene oder beschönigte Geschichten eine Rolle spielen und erotische Szenen sowie morbide und sehnsüchtige Fantasien, Extreme und Obsessionen vorkommen.
Wir werden mit makaberen und nahezu unfassbaren Szenen konfrontiert und manchmal können wir über die Protagonistin nur den Kopf schütteln.
Gegen Ende wird die Atmosphäre zunehmend dramatisch, was äußeren Geschehnissen und inneren Entwicklungen geschuldet ist.
Andreas Kollender erzählt sowohl eine außergewöhnliche Liebesgeschichte, als auch eine biographische Geschichte.
„Mr. Crane“ ist Realität eingebettet in Fiktion.
Ich empfehle das Werk sehr gerne weiter! Es ist kurzweilig, unterhaltsam, spannend und interessant.
... und jetzt freue ich mich auf „Die Tapferkeitsmedaille“, das wohl bekannteste Werk von Stephen Crane, denn auch darauf hat mich Andreas Kollender mit seinem Roman neugierig gemacht..
Mit Beginn der Lektüre betreten wir das Büro von Jupp, einem Verleger und erleben ein brisantes Gespräch zwischen ihm und der Ich-Erzählerin Susanne, die Schriftstellerin ist und wegen einer Schreibblockade ...
Mit Beginn der Lektüre betreten wir das Büro von Jupp, einem Verleger und erleben ein brisantes Gespräch zwischen ihm und der Ich-Erzählerin Susanne, die Schriftstellerin ist und wegen einer Schreibblockade aus einem Vertrag aussteigen möchte.
Jupp will das mit allen Mitteln verhindern und bietet ihr großzügig an, Zeit in seinem Ferienhaus an der italienischen Mittelmeerküste zu verbringen.
Dort soll sie sich erholen und entspannen, um ihr neuestes Projekt, das Verfassen einer geschönten Autobiografie für einen wohlhabenden Prominenten, zum Abschluss bringen zu können.
Trotz anfänglichem Zögern und inneren Hemmnissen gibt Susanne sich schließlich geschlagen und willigt ein.
Mit dem Zug macht sie sich auf den Weg und kommt doch nicht an ihrem eigentlichen Ziel an.
Manchmal ist es wie verhext.
Eine routinemäßige Inspektion eines Tunnels verhindert auf längere Zeit die Weiterfahrt und dann wird die Ersatzstrecke über den Pass auch noch wegen Steinschlag gesperrt.
Manchmal trifft man unvernünftige und widersinnige Entscheidungen.
Susanne entscheidet sich, zu Fuß über den Berg und zum nächsten Bahnhof zu laufen, von wo aus die Fahrt dann weitergehen kann.
Manchmal hat man Glück.
Als der Anstieg dann doch zu beschwerlich wird, kommt unerwartet und erfreulicherweise ein Jeep vorbei und der geschätzt 60 bis 70-jährige, Pfeife rauchende und wortkarge Fahrer Andrin nimmt Susanne mit.
So gelangt sie zwar nicht über den Berg zum nächsten Bahnhof, aber zumindest zum nächsten Ort: nach Voglweh.
Andrin bietet ihr für die Nacht ein Gästezimmer in seinem einsamen Haus in den Bergen an, damit sie am nächsten Tag ausgeruht weitermarschieren oder er sie mit seinem Jeep zum Bahnhof bringen kann.
Aber aber nächsten Tag geht es nicht weiter.
Und auch nicht am übernächsten...
Wir lesen von doppeldottrigen Eiern, Tomaten- und Zucchinibergen, Wasser mit berauschender Wirkung, einem toten Telefonkabel, lernen Uta, Andrins eigenwillige Frau, kennen und erfahren, dass der skurrile Andrin die leckersten Gerichte zaubern kann, seitdem ein Koch, der sich auf einer einsamen Hüttenwanderung nach Voglweh verirrt hat, es ihm beigebracht hat.
Anfangs und lange Zeit fragte ich mich, ob dieser Roman ein Psychothriller ist, aber ich recherchierte nicht und ich werde hier diesbezüglich auch nichts verraten, außer, dass die phasenweise unheilvoll-schaurig-beklemmende Stimmung im Buch, v. a. im ersten Viertel, mich mehrmals auf diesen Gedanken gebracht hat.
Dazwischen sorgten entspannte und witzige Momente wiederum dafür, diesen Gedanken zu verwerfen.
Mit überraschter und verblüffter Verwunderung registrierte ich, wie die beiden aktuellen Lebenswelten der Protagonistin Susanne verwoben wurden. Geschickt verzwirbelt die Autorin den „Biografiefaden“ ihres Auftraggebers mit dem „Alltagsfaden“ bei dem liebenswürdig-schrägen Pärchen Andrin und Uta in Voglweh, so dass man eigentlich eine Geschichte in der Geschichte zu lesen bekommt.
Mir gefiel der Wechsel der Erzählperspektive, die immer von der Ich-Erzählerin Susanne ausgeht.
Sie erzählt uns die Geschehnisse im Rückblick und manchmal streut sie künftiges Wissen ein, das sie in der Situation, auf die sie zurückblickt, noch gar nicht hatte bzw. haben konnte.
So weiß der Leser zu bestimmten Zeitpunkten manchmal mehr, als die Protagonistin selbst und wird damit nicht allwissend, aber „mehrwissend“.
Sie spielt mit dem Leser, denn sie verrät nie so viel, dass es langweilig wird. Im Gegenteil. Sie verrät immer so viel, dass die Neugierde angefacht wird.
Diese Kamera-Schwenks finde ich extrem schlau, abwechslungsreich und interessant.
Ich genoss die wunderschöne Sprache, die anschaulichen Metaphern, ausdrucksvollen Formulierungen und bildhaften und eindrücklichen Landschaftsbeschreibungen.
Einige Beispiele möchte ich gern anführen:
„Zu beiden Seiten des Fahrzeugs materialisierten sich von vor Nässe glänzende Sockelzonen anthrazitfarbener Felswände und verloren sich in unwägbaren Höhen. Erst hielten sie Abstand, rahmten die Fahrbahn respektvoll ein, dann kamen die Wände näher und näher, wurden aufdringlich, waren weniger als eine Armlänge, dann eine Handbreit vom Jeep entfernt, bis die Straße nur noch ein Spalt im Fels war.“ (S. 43)
„... der Taktschlag, mit dem der Scheibenwischer das Konzert dirigierte und dabei ein Tempo anschlug, schneller als ein Sportlerherz bei maximaler Belastung.“ (S. 43)
„Rund um den See lagen Felsbrocken, wie hingestreut, als hätten Kinder mit Murmeln gespielt und wären gegangen, ohne aufzuräumen.“ (S. 45)
Ihr originelles und amüsantes Bild von dem „guten Willen“ musste ich mehrmals lesen, weil es mir so außerordentlich gut gefiel:
„Kaum war der Rechner ausgeklappt und hochgefahren, schaute auch schon der gute Wille vorbei. Bedauerlicherweise war er stets in Eile. Er legte nicht einmal den Mantel ab, selbst wenn ich ihn dazu aufforderte und ihm anbot, den Sessel freizuräumen, damit er es sich bequem machen konnte. Er kam ins Zimmer, lüpfte kurz den Hut zum Gruß, um sich im nächsten Moment bereits wieder zu verabschieden.“ (S. 157)
Der Roman unterhält, sorgt gleichzeitig für Spannung und Entspannung und hat etwas Märchenhaftes.
Manche würden vielleicht sagen, dass einiges fragwürdig oder unrealistisch ist.
Aber ich möchte es anders ausdrücken:
Manches ist nicht logisch im alltäglichen Sinn, sondern märchenhaft, romantisch oder idyllisch. Einiges ist vielleicht unwahrscheinlich, aber dennoch möglich.
Wenn man sich in die Geschichte fallen lässt, die Realitätsprüfung manchmal hintan stellt und nicht kleinlich ist, dann kann man den Plot, die Sprache und den Erzählstil in vollen Zügen genießen.
„Andrin“ ist ein unterhaltsames und packendes Werk, dem der Humor nicht fehlt. Es liest sich leicht und flüssig.
Aus Martina Altschäfers originellen und kreativen Einfällen ist eine Geschichte entstanden, die mir äußerst vergnügliche Lesestunden beschert hat, obwohl ich am Ende einen Kloß im Hals hatte und einige Tränen über meine Wange kullerten.
Das frühlingshaft farbenfrohe und heitere Cover mit Mohnblumen ist schon das erste, wunderschöne und verführerische Täuschungsmanöver der Autorin Irene Diwiak. Es ist schon deshalb gut gewählt, weil man ...
Das frühlingshaft farbenfrohe und heitere Cover mit Mohnblumen ist schon das erste, wunderschöne und verführerische Täuschungsmanöver der Autorin Irene Diwiak. Es ist schon deshalb gut gewählt, weil man spätestens nach dem Zuklappen des Romans sagen muss: Die Fassade kann trügen und einen auf Irrwege leiten…
Christina, Studentin und Hobbyfotografin, befindet sich in einer deprimierenden Lebensphase, seit ihr Freund sie mit ihrer besten Freundin betrogen hat. Sie zieht sich enttäuscht zurück und treibt durch ihren Alltag. Erst eine Einladung bzw. Anfrage ihrer Tante Ada aus der Toskana erweckt sie ansatzweise aus ihrer Lethargie.
Die Schwester ihrer Mutter bittet sie darum, auf der Hochzeit ihrer Tochter Marietta zu fotografieren. Eine Einladung, die Christina zunächst überfordert, die aber eigentlich genau zum rechten Zeitpunkt erfolgt.
Christina kennt die italienischen Verwandten nicht. Sie weiß nur, dass ihre Tante in die äußerst wohlhabende Familie Esposito eingeheiratet hat.
Als sie nach einer Zugfahrt durch freundlich-mediterrane Regionen in dem abgelegenen, menschenleeren und unbelebten Ort Malvita bei Florenz ankommt und nach der Fahrt im flotten Sportwagen ihrer Cousine Elena, der Schwester der Braut, die stattliche und schlossähnliche Villa der Espositos auf dem Berg entdeckt, ist sie erstaunt und überwältigt.
Zahlreiche unterwürfige Bedienstete in blauen Uniformen kümmern sich beflissen um das großräumige Domizil der vermögenden Verwandten, die nicht minder außergewöhnlich erscheinen, als der eigentümliche und extravagante Ort, an und in dem sie leben.
Ihre Cousinen Marietta und Elena sehen umwerfend aus und sind ziemlich sonderbar. Auch ihr Cousin Jordie erscheint ihr irgendwie merkwürdig.
Die Hochzeitsplanerin Angelina hat etwas einschüchterndes und beängstigendes und von Nino, der ihr als Übersetzer den Aufenthalt erleichtern soll, fühlt sie sich beobachtet und kontrolliert.
Eine unheilvolle, unheimliche und latent bedrohliche Stimmung zieht auf.
Das alte verwinkelte Gemäuer der Villa wirkt ähnlich beklemmend und düster wie die unterkühlten und distanzierten Menschen, die sich darin bewegen.
Christina erfährt über kurz oder lang nicht nur, dass sie der Ersatz für die ursprünglich engagierte Fotografin Blanca ist, sondern sie entdeckt sogar deren Leiche!
Sie wittert Geheimnisse um die noble und reiche Familie Esposito. Sie wird neugierig und gerät in Gefahr.
Ich hatte großen Spaß daran, in diese fremde, eigentümliche und geheimnisvolle Welt der Reichen und Schönen einzutauchen und einen Blick in ihre Abgründe zu werfen.
Mit bildhafter Sprache beschreibt und zeichnet die Autorin ihre Figuren in all ihrer Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit, weshalb sie trotz ihrer Außergewöhnlichkeit und Eigenart authentisch und glaubhaft wirken und psychologisch interessant sind.
Christina, die Protagonistin, ist eine eindrucksvolle junge Frau. Ich fragte mich oft, warum sie nicht einfach die Koffer packt und wieder geht. Ihre Entwicklung überraschte mich, war aber nachvollziehbar und stimmig.
„Malvita“ ist ein atmosphärischer, lesenswerter und kurzweiliger Pageturner, dem Humor und Zynismus nicht fehlen und der gesellschaftskritische und moralische Fragen aufwirft und zum Nachdenken anregt.
Irene Diwiak führt ihre Leser manchmal an der Nase herum, leitet sie auf Holzwege, spielt vielleicht sogar mit ihnen.
Sie vermittelt brillant die verschiedenen Stimmungen und schafft es, die unterschiedlichsten Emotionen im Leser auszulösen
Mit dem offenen Ende könnte man so seine Probleme haben. Aber es machte mir hier nichts aus, meine eigene Fantasie spielen zu lassen. Es geht nicht darum, dass alles durchbuchstabiert werden muss oder dass alle Fragen geklärt werden müssen.
Ich empfand den Schluss etwas überstürzt. Ein bisschen wie abgerissen. Hier hätte ich mir gewünscht, dass sich die Autorin ein bisschen mehr Zeit nimmt und den Roman fließender ausklingen lässt.
Ich empfehle dieses preisgekrönte Werk der jungen österreichischen Schriftstellerin Irene Diwiak sehr gerne weiter: Der Plot ist spannend und ich flog in Windeseile durch den Roman, der trotz kriminalistischen Elementen und spannender Rahmenhandlung weit mehr als ein Krimi ist.