Bewegendes Buch über Rassismus
Kleine große Schritte„Kleine große Schritte“ von Jodi Picoult ist ein Buch, das meine Erwartungen bei weitem übertroffen hat. Wie der Klappentext schon offenbart, geht es um Rassismus: Ein Thema, das auch heutzutage noch aktuell ...
„Kleine große Schritte“ von Jodi Picoult ist ein Buch, das meine Erwartungen bei weitem übertroffen hat. Wie der Klappentext schon offenbart, geht es um Rassismus: Ein Thema, das auch heutzutage noch aktuell ist.
Das Buch ist aus drei Perspektiven geschrieben: Zunächst gibt es Ruth, eine afroamerikanische Krankenschwester, der es untersagt wird, ein Baby zu behandeln, das bei einem tragischen Vorfall unter ihrer Obhut schließlich stirbt. Dann gibt es den Skinhead Turk, der Vater des toten Babys, der es afroamerikanischem Personal untersagt, sein Baby anzufassen und schließlich noch Kennedy, die Pflichtverteidigerin und spätere Anwältin von Ruth. Alle drei haben eine sehr unterschiedliche Sichtweise auf die Ereignisse, was es umso spannender und interessanter macht. Einige Geschehnisse überschneiden sich, jedoch dann aus anderen Perspektiven.
[Achtung, Spoiler!]
Dieses Buch hat mich sehr oft schockiert. Zunächst einmal die Tatsache, dass Ruth des Mordes angeklagt wird, weil sie das Baby angeblich aus Rache, es nicht behandeln zu dürfen, getötet hätte. Als das erste Kapitel aus Turks Sicht beginnt, erfährt man, dass er Afroamerikaner hasst, seit sein Bruder von einem getötet wurde – verständlich, dass man diese Person hasst, aber deswegen gleich alle Menschen mit derselben Hautfarbe zu hassen, scheint mir dann sehr ungerecht. Als man dann erfährt, dass der Mörder nicht verurteilt wurde, war ich doch etwas verwirrt, das passte nicht zusammen. Am Ende das Kapitels erfährt man dann, dass der Bruder bei einem Autounfall von der Straße abkam, in den Gegenverkehr raste und in das Auto des Afroamerikaners prallte. Kein Wunder, dass dieser nicht verurteilt wurde, er trug ja in meinen Augen auch keine Schuld. Turk sieht das anders, was mich wirklich zutiefst schockiert hat. Sein Bruder wäre ja nicht gestorben, wenn der Afroamerikaner nicht in diesem Moment die Straße langgefahren wäre. Manche suchen wohl echt immer für alles einen Sündenbock.
Obwohl es natürlich in erster Linie um Ruths Prozess ging, sind es auch die kleinen Dinge, bei denen sich in ihrem Leben die Hautfarbe bemerkbar macht: Die Kontrollen im Supermarkt hinter der Kasse, ob sie nicht etwas geklaut hätte, die Blicke anderer Menschen, sie wird einfach anders behandelt. Dinge, die für mich selbstverständlich sind, sind es für sie nicht.
Nachdem sie angeklagt wird, verliert Ruth auch ihren Job und sie fängt an, bei McDonalds zu arbeiten. Besonders im Kopf hängen geblieben ist mir die Szene an ihrem ersten Arbeitstag, als ihr Sohn sie dort arbeiten sieht, dem sie vorher nichts von ihrem neuen Job erzählte.
Der Prozess gestaltete sich auch nicht so einfach. Ruth hätte gerne die Rassismus-Karte ausgespielt hätte, Kennedy hielt dies aber für eine schlechte Idee, da dies im Gericht nichts zu suchen hätte und sich nur negativ auswirke. Sie legen die Verteidigung darauf aus, dass das Baby mit oder ohne Ruths Einschreiten gestorben wäre.
268fabcb-0d46-4549-a951-0eba5500d853Nach Uneinigkeiten zwischen den beiden sprach Kennedy im Schlussplädoyer des Prozesses doch vorwiegend auf ein Thema an: Rassismus. Zu Ruth sagt sie vorher: „Sie brauchen Gerechtigkeit. […] Gleichheit bedeutet, jeden gleich zu behandeln. Aber Gerechtigkeit berücksichtigt Unterschiede, sodass jeder die Chance auf Erfolg hat. […] Gleichheit liegt vor, wenn zwei Kinder einen ausgedruckten Test bekommen. Aber wenn das eine blind und das andere sehend ist, […] sollte man dem einem Kind einen Test in Brailleschrift und dem anderen einen gedruckten Test geben, beide mit derselben Thematik.“ (Picoult, J.: Kleine große Schritte, C. Bertelsmann Verlag, 2. Auflage, S. 540)
Erstaunt sowie erfreut hat mich der Wandel in Turks Leben, der seinem Leben als Skinhead den Rücken gekehrt hat, mit seiner neuen Frau und Tochter glücklich ist und anderen seine Geschichte weitergibt.
[Spoiler Ende]
Das Buch hat mich wirklich in vielerlei Hinsicht zum Nachdenken gebracht, unter anderem auch dadurch, dass Rassismus nicht immer aktiv geschehen muss, sondern auch passiv vonstatten gehen kann, einfach dadurch, dass man Menschen mit dunkler Haut ansieht oder dass man sie im alltäglichen Leben anders behandelt.
Picoults Schreibstil war sehr ruhig, detailliert umschreibend und ihre Wortwahl war immer passend gewählt. Gerade bezüglich des Repertoire von Turk hat sie sich im Voraus informiert, wie man im Nachwort erfährt, und es war alles sehr stimmig.
Rassismus ist ein schreckliches Thema, das in der Welt beseitigt werden muss. Mit ihrem Roman hat Jodi Picoult darauf aufmerksam gemacht und ich bin mir sicher, sie hat einigen Menschen, darunter auch mir, die Augen damit geöffnet.