So kalt, wie der Titel verspricht
Deine kalten Hände„Das Leben ist eine Hülle, die sich über einen Abgrund wölbt, und wir leben darauf wie maskierte Akrobaten. Mal hassen wir, mal lieben wir und manchmal brüllen wir vor Wut […].“ (S. 299)
Han Kang war ...
„Das Leben ist eine Hülle, die sich über einen Abgrund wölbt, und wir leben darauf wie maskierte Akrobaten. Mal hassen wir, mal lieben wir und manchmal brüllen wir vor Wut […].“ (S. 299)
Han Kang war mir bereits durch den Bestseller „Die Vegetarierin“ bekannt, den ich bisher jedoch noch nicht gelesen habe, da mich „Deine kalten Hände“ von der Grundthematik mehr ansprach. Nachdem ich den Roman beendete, konnte ich durchaus die sowohl sehr lobenden, wie auch die kritischen Stimmen nachvollziehen.
Das Cover: Ein wunderschönes Gewand, das mit der warmen Farbpalette einen starken Kontrast zum Titel bildet. Die floralen Elemente, der geneigte Oberkörper und der angenehme Hintergrund ergeben ein gelungenes Gesamtkonstrukt, welches ich mir so auf Sicht ins Regal gestellt hätte. Leider blieb das Cover in meinen Augen das Beste am Roman.
Die Handlung: Besondere Gipsabdrücke von Händen und Körpern – diese sind die einzigen Zeugnisse, die vom spurlos verschwundenen Künstler Jang Unhyong übrig geblieben sind. Nur sein ausführliches Tagebuch, welches zudem aufgefunden wird, gibt Einblicke in seine Gedanken, die einen beständigen Wunsch nach Nähe offenbaren…
Meine Meinung: Die erste Hälfte des Buches überzeugte durch einen malerischen und überraschend intensiven Schreibstil. Situationen wurden eindringlich beschrieben und Jang Unhyongs Leben detailliert niedergelegt. Han Kangs Schreibstil konnte mich zumindest am Anfang einnehmen und ließ mich ein paar beeindruckende Zitate herausschreiben. Doch recht schnell, als ich nach der Hälfte des Romans der Handlung immer noch zwiegespalten gegenüberstand, wusste ich, dass der Roman mich nicht mehr von sich überzeugen würde. Ich las die Geschichte recht passiv und trotz des intensiven Schreibstils, wurde ich weder von Emotionen gepackt, noch berührte mich irgendetwas in der Geschichte, was ich mir zu Anfang sehr erhofft hatte. Zudem bin ich wirklich unzufrieden mit der Darstellung eines korpulenten Charakters. Ich hatte das Gefühl, dass die Frau L., die in meinen Augen einen Schlüsselcharakter darstellte, nur auf ihr Gewicht reduziert wurde und ihr keine nennenswerten Emotionen oder Charakterzüge beigemessen wurde. Sie diente schlichtweg dazu, den Künstler zu faszinieren. Ab einem gewissen Punkt ärgerte es mich regelrecht, wie oft auf ihren kräftigen Körper verwiesen wurde, wie oft sie beim Essen beschrieben wurde. Als würde sie nur aus ihrem Gewicht bestehen; der Mensch dahinter wurde in meinen Augen völlig vernachlässigt. Das machte die Geschichte leider irgendwann unsympathisch.
Die Charaktere: Würde man mich jetzt, nachdem ich das Buch vor einer Woche ausgelesen habe, fragen, mit was ich die Charaktere verbinde, so könnte ich nur knapp antworten. Jang Unhyong wurde mir mit jeder weiteren Seite unheimlicher. Sein Bedürfnis und Sehnen nach Nähe war irgendwann so stark, dass ich mir da manchmal einen etwas kritischeren Blick darauf gewünscht hätte. Auch die Protagonistinnen L., die wie oben bereits erwähnt, hauptsächlich auf ihr Gewicht reduziert wurde, konnte mich wohl noch am ehesten von sich überzeugen. Anhand ihrer Entwicklung wurden die erschreckenden Folgen von unrealistischen Schönheitsidealen der Gesellschaft verdeutlicht. Diese Schilderungen waren teilweise wirklich intensiv und grausam, was jedoch auch den Ernst der Lage betonte. Den Schicksalen der Charaktere wurde viel Raum gegeben, doch der Mensch dahinter war mir zeitweilen nicht greifbar genug.
Fazit: Eine eindringliche Geschichte, die für mich wahrscheinlich nicht das richtige Buch war. Die Geschichte verfügte über viele gelungene Ansätze, die mich nachvollziehen ließen, was diesen Roman so beliebt macht. Mich konnte es leider nicht genug berühren, weswegen ich hier leider nur 2/5 Sternen vergeben kann. Hierbei handelt es sich jedoch nur um mein Empfinden, ich bin mir sicher, dass das Buch nicht umsonst so beliebt ist.