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Veröffentlicht am 15.01.2021

Kein überzeugender Start

Sweet like you
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„Sweet like you“ ist der erste Band von Robyn Neeleys Honey Springs-Dilogie erschienen bei endlichkyss. Schauplatz ist die gleichnamige Kleinstadt in Kalifornien, die sich mit Leib und Seele mit ihrer ...

„Sweet like you“ ist der erste Band von Robyn Neeleys Honey Springs-Dilogie erschienen bei endlichkyss. Schauplatz ist die gleichnamige Kleinstadt in Kalifornien, die sich mit Leib und Seele mit ihrer Honigfarm und Imkerei identifiziert. Genau diese Farm erbt die New Yorkerin Cassie Wilkerson von ihrer Tante zusammen mit der Aufgabe, drei Wochen deren Amt als Bürgermeisterin zu übernehmen. Cassie, die ein eigenes Leben und einen Job frei von Kleinstadt und Honig hat, ist alles andere als begeistert. Neben Angst vor Bienen hat sie auch keine Ahnung von der Imkerei. Dabei kann ihr jedoch Nick Porter helfen, Chef-Imker und vor 15 Jahren ihre erste Liebe.

Das Setting hat mir sehr gut gefallen. Seit Redwood und Lake Starlight liebe ich verträumte Kleinstädte in Büchern, in denen man sich kennt und hilft. Auch das Honig-Thema finde ich interessant und unverbraucht. Die Innenbroschur weist hier sogar zwei Rezepte auf: Erdnussbutter-Honig-Cookies (sehr lecker!) und Lippenpeeling mit Honig (habe ich noch nicht ausprobiert). Ich bin begeistert von diesen kleinen Besonderheiten, mit denen der endlichkyss Verlag seit einiger Zeit seine Bücher ausstattet.

Zunächst fiel es mir etwas schwer in die Geschichte reinzukommen. Sie ist hauptsächlich aus Cassies Perspektive geschrieben. Die wenigen Kapitel aus Nicks Sicht, sind nicht gekennzeichnet, sodass ich im schlimmsten Fall eine Seite dreimal lesen musste, um zu wissen, aus wessen Sicht hier erzählt wird. Mit zunehmender Seitenzahl hat dieses Problem jedoch abgenommen.

Was mir aber sehr viel schwerer gefallen ist, war, mit Honey Springs Bewohnern warm zu werden. In der ersten Hälfte war ich entsetzt, wie sie Cassie behandeln und was sie von ihr erwarten. Auf der einen Seite war es erfrischend, dass der Neuankömmling nicht direkt von allen geliebt wird. Auf der anderen Seite haben mich aber die Gemeinheiten und die ungerechtfertigte Erwartungshaltung, die sie gegenüber Cassie an den Tag legen, schockiert und dem Bild der süßen Kleinstadt-Idylle einen heftigen Schlag verpasst. Ich war wirklich wütend.
Im weiteren Verlauf hat sich dies glücklicherweise gelegt. Endlich hat man gesehen, wofür das Kleinstadtleben steht: alle haben an einem Strang gezogen, gemeinsam Ideen (weiter-)entwickelt und die Stadt noch lebens- und liebenswerter gemacht.

In diesem Gemisch von Kleinkrieg und Versöhnung ist die Liebesgeschichte leider etwas zu kurz gekommen. Cassie und Nick nähern sich zwar stetig an, doch die Gefühle, die sie für einander empfinden, waren für mich nicht greifbar. Die Schmetterlinge im Bauch, die Sehnsucht und zuletzt die sexuelle Intimität hat sich steif und mechanisch angefühlt und ist bei mir nicht angekommen. Die berühmte „Große Geste“ am Ende hat mich nicht überzeugt.
Zudem hakt die Geschichte leider an einigen Ecken. Manche Ereignisse sind sehr übertrieben, einige Auflösungen holprig und fadenscheinig, sowie die Entwicklungen einiger Charaktere nicht nachvollziehbar.

Zusammenfassend komme ich gerade noch zu 3 von 5 Sternen. Die Idee, Farm und Amt zu vererben war erfrischend neu und das Honig-Thema für mich unverbraucht. Mir gefiel es, dass Cassies Start nicht zu leicht war, aber das Verhalten ihrer Mitmenschen war dann doch einfach zu grausam. Da jedoch vor allem das Ende der Geschichte hakt, möchte ich definitiv noch Band zwei („Sweet at heart“; ET 23.03.2021) lesen: Selbe Stadt, neue Geschichte. Hier sollte das beste aus beidem vereint werden können.

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Veröffentlicht am 07.11.2020

Die Gefühle bleiben auf der Strecke

Rixton Falls - Secrets
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Mit „Rixton Falls – Secrets“ beginnt Winter Renshaw eine neue Trilogie beim LYX Verlag. Protagonisten dieses ersten Bands sind Demi Rosewood und Royal Lockhart. Royal verbrachte als Pflegekind viele Jahre ...

Mit „Rixton Falls – Secrets“ beginnt Winter Renshaw eine neue Trilogie beim LYX Verlag. Protagonisten dieses ersten Bands sind Demi Rosewood und Royal Lockhart. Royal verbrachte als Pflegekind viele Jahre bei Familie Rosewood, wo sich eine tiefe Liebe zwischen ihm und Demi entwickelte. Von einem Tag auf den anderen verschwand er allerdings ohne ein Wort. Sieben Jahre später kehrt Royal plötzlich zurück nach Rixton Falls.

Das Cover ist sehr schön und elegant. Mir gefällt vor allem der bläuliche Farbton der Schrift und des Gebildes aus Wellen im Hintergrund. Er hebt sich hervorragend von dem weißen Cover ab und harmonisiert mit der goldenen Schrift. Das handschriftliche Wort „Secrets“ sticht heraus, obwohl es doch schlicht bleibt. Die goldenen Sprenkel am Rand setzen dazu schöne Akzente. Es ist insgesamt ein friedliches Cover, dass nicht in Eindruck vermittelt, dass besagte Geheimnisse existieren. Das ist jedoch ein starker Kontrast zum Inhalt, den ich sehr gelungen finde.
Der Schreibstil von Winter Renshaw gefällt mir ebenfalls. Es ist mein erstes Buch von ihr gewesen und einige Formulierungen sind mir aufgrund ihrer Schönheit direkt ins Auge gefallen und hängen geblieben. Sie verwendet Formulierungen, die ich mir am liebsten direkt im Text markieren würde, was ich sonst nie mache. Die Beschreibungen sind etwas poetisch, zum Teil altmodisch, aber dass die Autorin sie nicht dauerhaft, sondern nur an ausgewählten Stellen verwendet, macht sie zu etwas Besonderem.

Trotzdem schafften es die Worte nicht so richtig in mein Herz. Ich empfand diese tiefen Gefühle, die Demi und Royal füreinander hegen, leider nicht. Während der Prolog unglaublich intensiv war, vor Emotionen übersprudelte und eine aufwühlende Geschichte versprach, sind die Gefühle in der Gegenwart leider auf der Strecke geblieben. Das Buch konnte mich emotional einfach nicht abholen.

Dasselbe Problem ergab sich bei den Sexszenen. Ich hatte kaum das Gefühl, dass sie sich natürlich, aus Leidenschaft und aus der Situation ergaben, sondern vielmehr, dass die Autorin sich dachte „So, jetzt müsste mal wieder eine Sexszene rein“. Das ist total schade und dabei kommt überhaupt kein Prickeln aus den Buchseiten hervor.


Hinzu kommt, dass ich auch mit dem Abschluss der inhaltlichen Handlung unzufrieden war.
Demi hatte gar keine wirklichen Probleme, es war überhaupt nicht schwierig für Royal, seine Vergangenheit zu überwinden. Wo war die Hürde, die Rückschläge, wo war das Problem der Protagonisten in diesem Buch? Wogegen haben sie gekämpft und woran mussten sie wachsen? Ich hatte nichts zum Mitfiebern. Alles wurde am Ende sehr schnell abgehandelt, hat sich gefühlt in Luft aufgelöst, ganze Personen sind verschwunden und die Konflikte mit ihnen, andere haben sich später einfach nicht mehr konkludent zu ihrem vorherigen Auftreten verhalten.

Zusammenfassend komme ich zu 3 von 5 Sternen. Ich finde die Grundidee der Geschichte gut und die Charaktere haben total viel Potenzial, aber die Erzählung hat mich nicht berührt. In der zweiten Hälfte fehlt für mich zu viel Handlung oder irgendein Höhepunkt, auf den die Story hinarbeitet. Es war kurzweilige Unterhaltung, aber dabei wurde zu viel Potenzial verschenkt.
Ich habe wirklich keine Ahnung, ob ich die Folgebände noch lesen werde. Da ich noch nichts von Winter Renshaw kannte, weiß ich nicht, ob dieses Buch ihren typischen Stil repräsentiert oder es nur ein Ausreißer war.

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Veröffentlicht am 11.08.2020

Sommerlich-leichte Geschichte mit einigen Schwächen

Nur noch ein bisschen Glück
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„Nur noch ein bisschen Glück“ ist der neue Roman von Simona Ahrnstedt, diesmal erschienen bei Forever by Ullstein. Stella ist ein Stadtmensch durch und durch. Als sie erfährt, dass ihr Freund sie betrügt ...

„Nur noch ein bisschen Glück“ ist der neue Roman von Simona Ahrnstedt, diesmal erschienen bei Forever by Ullstein. Stella ist ein Stadtmensch durch und durch. Als sie erfährt, dass ihr Freund sie betrügt und sie ihren Job verliert, verlässt sie Stockholm fluchtartig. Sie fährt aufs Land, nach Laholm, wo sie eine kleine Bauernkate besitzt, in der ihre Großeltern lebten. Dort will sie zum einen etwas über ihre Familie erfahren und sich zum anderen auf ihren großen Traum fokussieren: eine Modedesignausbildung in New York. Aber das Landleben ist nicht so leicht und als ihr Nachbar Thor ihr damit unter die Arme greift, wird dieser abgeschiedene Ort auf einmal eine ziemliche Konkurrenz für New York.

Die kurzen Kapitel sind stets im Wechsel aus den Perspektiven von Stella und Thor geschrieben. Hierbei kommt besonders schön zur Geltung, welche Gegensätze aufeinandertreffen. Thor arbeitet von Früh bis Spät auf seinem Hof, ist handwerklich geschickt, praktisch veranlagt, kennt aber auch ausschließlich diese Welt.
Stella wirkt zunächst absolut fehl am Platz: in hochhackigen Schuhen und Seidentops sucht sie Bus und Taxi in der Einöde. Sie macht zu Beginn einen arroganten, selbstgefälligen Eindruck. Dieser verschwindet jedoch sehr schnell, sobald man merkt, dass sie eine „Macherin“ ist. Sie scheut nicht vor Arbeit zurück, nimmt die Dinge, wie sie kommen und hat wirklich den Willen, etwas zu lernen und zu erreichen. Sie ist sich für nichts zu schade und hängt weniger an den materiellen Dingen, als man zunächst denkt. Das alles ließ sie in meiner Achtung schnell steigen und ich mochte sie richtig gerne. Dies wird noch verstärkt, wenn man nach und nach merkt, was sie in ihrer Vergangenheit durchgemacht hat und auch in der Gegenwart noch erlebt. Seien es rassistische oder sexuelle Anfeindungen oder familiäre Probleme. Stella ist stark und anpassungsfähig, sie lässt sich nicht unterkriegen.

Simona Ahrnstedt flechtet zudem einige charmante Nebencharaktere und Tiere ein. Diese überzeugen durch außergewöhnlichen Charakter, spritzigen Humor oder einfach Niedlichkeit (die Tiere eher als die Menschen) und bieten einen tollen Rahmen für die Geschichte. Sowohl die Haupt-, als auch die Nebencharaktere entwickeln sich weiter, was die Leser/innen mit einem schönen Gefühl zurücklässt.

Die Autorin lässt aber auch zwischendurch selbst ein wenig Humor in ihre Sprache einfließen, was mich positiv überrascht hat, und der Geschichte Leichtigkeit verleiht. Andere Aspekte ihres Schreibstils haben mir allerdings gar nicht gefallen.
Viele Leser/innen haben sich über die Vielzahl an Sexszenen beschwert. Mir ist die Anzahl selbst nicht negativ aufgefallen, jedoch die Art, wie diese geschrieben sind. Ich habe selten so gefühllose, mechanische Sexszenen gelesen… und das verstehe ich nicht! Das war in den anderen Büchern, die ich von Simona Ahrnstedt kenne, komplett anders! Hier aber geht es immer nur darum, das Maximum rauszuholen - den besten Orgasmus, den besten Sex -, Standhaftigkeit zu beweisen und eine tolle Technik an den Tag zu legen. Die Gefühle und die Leidenschaft gehen dabei total verloren.
Ein weiteres Manko im Schreibstil ist für mich die Nebenhandlung zu Stellas Vergangenheit. Die Suche nach entsprechenden Hinweisen war, neben anderem, Antrieb für Stella, nach Laholm zu fahren. Dieser Handlungsstrang blitzt zwischendurch jedoch immer nur kurz auf und wird durch Zufälle befeuert, bei denen man nur die Augen verdrehen kann. Jedes Voranschreiten in diese Richtung wirkt künstlich und auch das dazugehörige Ende wird nicht gut untermauert, schnell abgehandelt und insgesamt nicht zufriedenstellend gelöst.

Zum Ende hin gibt es noch eine Szene, die wohl als „spannender Showdown“ geplant war. Diese war für mich leider ebenfalls künstlich geschrieben, als wäre sie noch schnell reingepresst worden durch den Wunsch, Spannung zu erzeugen. Leider war sie nicht nur überhaupt nicht spannend, sondern nahezu lächerlich unpassend für einen Liebesroman.

Simona Ahrnstedt hat ein angenehmes, buntes Sommersetting erschaffen. Die Geschichte ist luftig leicht, bezaubert mit schönen Orten in der Natur, sympathischen Charakteren und viel Humor. Die meisten Handlungsstränge sind leider viel zu künstlich oder werden nicht konsequent genug verfolgt. Gepaart mit den mechanisch geschrieben Sexszenen führt dies bei mir zu sehr viel Punktabzug. Stellas Hauptkonflikt wird für mich am Ende aber nahezu perfekt gelöst, sodass ich doch noch zu 3 von 5 Sternen komme.

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Veröffentlicht am 04.05.2020

Zu groß gedacht, die Spannung fehlt

Die Frequenz des Todes
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„Die Frequenz des Todes“ ist nach „Auris“ der zweite Band der gleichnamigen Reihe von Vincent Kliesch nach einer Idee von Sebastian Fitzek. Wissen aus Teil eins ist meiner Ansicht nach zwingend erforderlich. ...

„Die Frequenz des Todes“ ist nach „Auris“ der zweite Band der gleichnamigen Reihe von Vincent Kliesch nach einer Idee von Sebastian Fitzek. Wissen aus Teil eins ist meiner Ansicht nach zwingend erforderlich. Es wird zwar ein unabhängiger Fall behandelt, aber die Erlebnisse aus Band eins spielen eine sehr große Rolle für die Motivation und Situation der Charaktere.

Bei der Berliner Feuerwehr geht ein Notruf ein. Das Baby der Anruferin ist verschwunden und überall ist Blut. Bevor ihr Name oder ihr Aufenthaltsort ermittelt werden kann, bricht der Anruf allerdings ab. Der forensische Phonetiker Matthias Hegel wird hinzugezogen, doch er braucht die Hilfe von der True-Crime-Podcasterin Jula Ansorge. Ihr Interesse, mit ihm zusammenarbeiten, ist nach den letzten gemeinsamen Erlebnissen allerdings sehr gering.

Das Buch ist in viele, kurze Kapitel von durchschnittlich fünf bis sechs Seiten unterteilt, was das Vorankommen erleichtert, da man immer denkt „Ach, ein Kapitel geht noch!“. Die Perspektiven wechseln zwischen mehreren Charakteren, was die Identifikation mit einzelnen Personen erschwert, aber die Handlung gerade in der zweiten Hälfte gut voranbringt.

Die erste Hälfte ist leider sehr zäh. Es gibt wenig konkrete Fortschritte in der Ermittlung und das persönliche Tauziehen zwischen Hegel und Jula steht im Mittelpunkt. Der Phonetik-Aspekt ist interessant und einzigartig und hat mich bereits vor dem ersten Teil in seinen Bann gezogen. Negativ aufgefallen ist mir aber ein Kapitel in dem sehr ausführlich auf die fachlichen Aspekte der Phonetik eingegangen wird. Das mag grundsätzlich interessant sein, hat mich in seiner Ausführlichkeit und Wortwahl aber ermüdet.
Richtige Spannung kommt erst im Finale auf und das reicht einfach nicht für einen guten Psychothriller. Die Auflösung der Basis-Geschichte ist früh vorhersehbar. Dennoch ziehe ich hierfür nicht allzu viele Punkte ab, denn es ist trotzdem ein wohl überlegter Ausgang und kein künstliches Rumreißen der Ergebnisse wir in Band eins.

Das ganz große Problem liegt für mich darin, dass der Fall nur das Fundament für eine größere Rahmenhandlung bieten soll. Eine grundsätzlich gute Idee wird so zurechtgebogen, sodass eine noch bösere, erstaunlichere Geschichte darübergelegt werden kann, um diese vermutlich in kommenden Bänden weiter zu verfolgen. Auf künstliche Art und Weise werden vergangene Fälle und Personen, sowie neue Nebencharaktere dazu gedichtet, ohne dass die Leser*innen eine Beziehung dazu knüpfen könnten. Die Fakten werden hingeworfen, sind zu akzeptieren und gut zu merken, denn sonst macht das fragile Konstrukt schnell keinen Sinn mehr.

Zusammenfassend komme ich zu 3 von 5 Sternen. Vincent Kliesch hätte besser daran getan, sich voll auf die Geschichte des Klappentexts zu fokussieren und diese spannend auszuarbeiten. Dass er das kann, zeigt „Auris“. Unter dem Zwang eines „Großen Falls“ leidet sie Spannung einer ursprünglich tollen Idee. Ich bin mir nicht sicher, ob ich weitere Bände der Reihe lesen werde.

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Veröffentlicht am 26.05.2020

Portrait der Zeit statt Krimi

1794
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„1794“ ist der zweite historische Kriminalroman aus der Feder von Niklas Natt Och Dag und folgt seinem Debüt „1793“. Jean Michael Cardell wird von einer Frau kontaktiert, deren Tochter in ihrer Hochzeitsnacht ...

„1794“ ist der zweite historische Kriminalroman aus der Feder von Niklas Natt Och Dag und folgt seinem Debüt „1793“. Jean Michael Cardell wird von einer Frau kontaktiert, deren Tochter in ihrer Hochzeitsnacht brutal ermordet wurde. Ihr Ehemann sitzt mit begrenzter Zurechnungsfähigkeit im Irrenhaus.

Wie bereits Band eins ist auch „1794“ in vier Teile gegliedert, die zumeist aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden. Grundsätzlich ist das eine gute Methode, um die Handlung spannend und abwechslungsreich zu gestalten, zumal der Autor es hervorragend versteht, an den richtigen Stellen die Perspektive zu wechseln und dadurch Cliffhanger zu kreieren. Allerdings sollte der Erzählanteil der jeweiligen Charaktere einmal grundlegend überdacht werden:
Die ersten 100 Seiten fühlen sich an wie ein Prolog. Die Hintergrundgeschichte des eingewiesenen Ehemanns wird sehr ausführlich dargelegt, so auch die Entwicklung der Beziehung zu seiner späteren Ehefrau. Diese Erzählung ist auch gar nicht schlecht geschrieben oder uninteressant, aber 100 Seiten sind einfach viel zu viel für einen derartigen Nebencharakter und vor allem auch für die Leser/innen, die sich auf das historische Stockholm, Winge und Cardell und vor allem auch eine Mordermittlung freuen. Letztere startet dann de facto erst nach insgesamt 200 Seiten. Sie ist nur von kurzer Dauer: schnell erfahren die Protagonisten, wer der Mörder ist, und als Leser/in fragt man sich, ob nun die komplette zweite Hälfte des Romans noch davon handeln soll, wie der Mord nachgewiesen wird. Aber keine Sorge, weitere 100 Seiten werden erstmal darauf verwendet, das Leben eines anderen Nebencharakters nach Band eins weiterzuerzählen, obwohl dieser Charakter dort schon zu viel Raum eingenommen hat und hier jetzt noch viel weniger relevant ist. Man muss wirklich zugeben, dass Natt Och Dag interessante Charaktere entwirft, bei deren Lebensgeschichten man mitfiebert. Diese sind dennoch viel zu ausführlich im Vergleich zur dünnen bis kaum vorhandenen Relevanz für die kriminalistische Handlung. Denn das erwarte ich doch eigentlich hier zu finden: Einen Krimi und nicht ein Portrait des historischen Stockholms und seiner Bewohner – zumindest nicht so weit im Vordergrund.

Wenn man diese Rezension liest, kommt vermutlich die Frage auf, wie denn da noch 3 Sterne zusammenkommen konnten. Unter anderem vergleiche ich auch immer: War es wirklich so schlecht, wie andere Bücher, die zwei Sterne von mir bekommen haben? Nein, das war es nicht. Niklas Natt Och Dag besticht nach wie vor durch einen bildgewaltigen, düsteren Schreibstil ohne Tabus. Seine Charaktere sind menschlich und kaputt bis abstoßend. Sein Stil ist einfach einzigartig, wenn denn nur der Plot konsequenter wäre und mehr anziehen würde. Vielleicht ist er einfach im Krimi-Genre nicht gut aufgehoben?
Die finalen 80 Seiten hatten dann endlich die Spannung, die Wendungen, die überschlagenden Ereignisse und vor allem das Tempo, was man für ein Finale zum Luftanhalten braucht.
Somit komme ich zu 3 von 5 Sternen und werde die Reihe, so es noch einen Teil „1795“ geben wird (ich habe keine Informationen hierzu, es ist bloß ins Blaue überlegt), nicht weiterverfolgen.

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