Hach, was hatte mich die Kurzbeschreibung zu „Frostgrab“ angesprochen: Ich mag diese „Abgeschnitten von der Außenwelt, und ein böser Bube (oder eine böse Dame) ist dabei“-Plots einfach sehr; in „Frostgrab“ kommen also zehn Jahre nach ihrem letzten Zusammentreffen, damals im Rahmen eines Snowboard-Wettbewerbs, ein paar Menschen Anfang bis Mitte 30 wieder für ein Wochenende zusammen – doch dann will niemand die Einladung ausgesprochen haben, sondern ihr nur gefolgt sein, und dann fehlt seit eben diesen zehn Jahren nun auch die Snowboardmeisterin Saskia in ihren Reihen, die dereinst spurlos verschwunden und jüngst für tot erklärt worden ist. In der Lodge, in der sich die Truppe auf sich allein gestellt wiederfindet, verschwinden prompt ihre Handys; der Sessellift lässt sich nicht von ihnen starten, noch einige unglückliche Zufälle mehr… – sie sitzen also fest und es wird offensichtlich, dass sich vermutlich außer ihnen noch jemand dort oben auf dem Berg aufhält; es sei denn, einer von ihnen verkauft den Rest für blöd. Ist Saskia womöglich noch am Leben und hat die Gelegenheit für ein perfides Rachespiel genutzt? Ein Icebreaker-Spiel, bei dem jeder anonym ein Geheimnis von sich offenbart, heizt die Situation nur weiter auf, denn offensichtlich trägt jeder von ihnen ein „Saskia-Geheimnis“ mit sich herum.
„Frostgrab“ wird personal von der Figur Milla erzählt und dabei wird regelmäßig zwischen „heute“ und „vor zehn Jahren“ gewechselt; dabei blieb mir jedoch nicht nur Milla relativ fremd, von der ich hauptsächlich erfahren habe, dass sie von Ehrgeiz zerfressen gewesen ist und außer dem Snowboarden nicht viel im Sinn hatte, sondern auch die anderen Figuren sind eher oberflächlich beschrieben: Die Mädels konnte ich noch relativ gut auseinanderhalten, aber die Kerle waren für mich bis zuletzt völlig austauschbar und ich konnte mir kaum merken, welcher Name jetzt zu welchem Mann (von denen einer sogar Saskias Bruder war) gehörte.
Snowboarding spielt hier ohnehin eine sehr zentrale Rolle; ständig werden diverse Sprünge und Moves beim (Fach)Namen genannt: Wer sich beim Boarden ein bisschen besser auskennt, dem wird „Frostgrab“ da sicherlich ein Fest sein, aber wer bei „Snowboarden“ eher bloß daran denkt, dass man da halt auf lediglich einem Brett den Berg hinabbrettert, der ist bestimmt bald genervt von den ganzen beschriebenen sportlichen Herausforderungen.
Den Saskia-Plot fand ich nun auch nicht soooo aufregend: Saskia wird prinzipiell als egoistische, egozentrische, manipulative Zimtzicke dargestellt, von der es keinen zu stören scheint, dass sie eben plötzlich weg war (selbst ihr Bruder hätte wohl in erster Linie nur gerne ein „richtiges“ Grab für seine Familie) , und von daher scherte es auch mich nicht sonderlich, dass sie entweder, womöglich tödlich, verunglückt oder eventuell von einem der Anwesenden umgebracht worden war.
Dass sie eventuell gar zehn Jahre versteckt gelebt haben sollte und das große Wiedersehen nun inszeniert haben sollte, war eine in meinen Augen völlig hirnrissige Option, da völlig unklar war, ob überhaupt irgendwas vorgefallen gewesen wäre, dass sie dazu bewegt haben könnte, sich derart zu isolieren und es schien auch einfach kein Grund zu bestehen, wieso sie sich da an irgendwem hätte rächen sollen. Gut, die Auflösung beweist schließlich, dass es sogar mehr als einen Grund gegeben hätte, aber während der Handlung wirkt es bis dahin einfach nur wie eine Schnapsidee: Junge Frau seilt sich „einfach so“ von ihrer Clique ab, stellt sich tot, und taucht nach zehn Jahren wieder auf, um den Anderen an den Karren zu fahren?!
Tja, die Gründe… der Schluss von „Frostgrab“ war mir definitiv zu viel: von Anfang an war zwar klar, dass alle irgendwelche Geheimnisse hüteten, aber dass wirklich jeder etwas in genau diesem Zusammenhang verheimlichte?!
„Frostgrab“ hätte einen so tollen in der Snowboarder-Szene angesiedelten Thriller abgeben können; stilistisch hat mir der Roman definitiv auch gefallen, aber insgesamt hat er für mich doch sehr daran gekrankt, dass man hier einfach zu viel Geheimniskrämerei betrieben und so viel wie möglich in die Story hineinzupacken versucht hat. Weniger ist halt manchmal mehr, aber „Frostgrab“ war in meinen Augen einfach eben zu viel Mehr und darum doch deutlich weniger (als erhofft).
[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]