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Veröffentlicht am 18.11.2020

Hervorragend recherchiert und wahnsinnig interessant!

Apollo 11
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Wer glaubt, dieses von Bestseller-Autor James Donovan geschriebene Sachbuch sei eine für den Laien unverständliche Ansammlung komplizierter Fachbegriffe, der täuscht sich gewaltig! Ein weiterer Irrtum ...

Wer glaubt, dieses von Bestseller-Autor James Donovan geschriebene Sachbuch sei eine für den Laien unverständliche Ansammlung komplizierter Fachbegriffe, der täuscht sich gewaltig! Ein weiterer Irrtum wäre die Annahme, dass lediglich die legendäre Apollo-11-Mission im Fokus stehe. Vielmehr bringt uns der Autor auf lebendige, spannende Weise die Geschichte der Raumfahrt in ihrer Gesamtheit näher, und zwar mit einer Begeisterung, die man sich von jedem Geschichtslehrer wünschen würde – statt trockener Fakten präsentiert Donovan uns die Menschen, deren Leben mit den Ereignissen unmittelbar verknüpft sind bzw waren (vom deutschen Raketenwissenschaftler Wernher von Braun über Raumfahrtingenieur Christ Kraft bis hin zu den Astronauten selbst). Dabei geht er sowohl auf die Entstehung des im Juli 1958 ins Leben gerufenen U.S. Raumfahrtprogramms (NASA) als auch auf die politischen Hintergründe ein, vor allem im Hinblick auf den Kalten Krieg; somit erfährt man enorm viele Details über die technologischen Entwicklungen in der damaligen Sowjetunion.

Seit jeher hat das All eine ungemeine Faszination auf mich ausgeübt und der Besuch des Kennedy Space Centers in Florida war ein absolutes Highlight, an das ich mich immer gerne zurückerinnern werde. Folglich kam ich an diesem beim DVA Verlag erschienenen Werk, das stolze 544 Seiten umfasst, nicht vorbei! Ich freute mich so sehr, als ich feststellte, dass darin bereits die Programme Mercury und Gemini reichlich thematisiert werden. An dieser Stelle empfehle ich euch allen die wundervolle ABC-Serie "The Astronaut Wives Club" - jenen inoffiziellen Zusammenschluss der Astronautenfrauen der Mercury Seven und der Next Nine gab es tatsächlich.

Viele der Raumfahrer, die vor ihrem Ausflug ins All zu gefeierten Idolen mutierten und von Heerscharen weiblicher Fans wie Rockstars verehrt wurden, hatten außereheliche Affären. Die Presse sah darüber hinweg, solange die Techtelmechtel einigermaßen diskret abliefen. Alle der Astronauten waren verheiratet und hatten Kinder – "dem Anschein nach lauter perfekte Familien". Von ihren Gattinnen wurde bedingungslose Unterstützung erwartet – innerhalb der eigenen vier Wände sowie nach außen hin. "Stolz und glücklich" seien sie, dies war ihr wiederholtes Mantra gegenüber der Presse, die das Leben der Astronautenfamilien auf Schritt und Tritt verfolgte. "Öffentlich unterstützen sie alle pflichtbewusst die Entscheidung ihrer Männer, […] spielten die eigenen Sorgen und die Gefahren herunter".

Das Schicksal der vielen unfreiwilligen tierischen Testpiloten machte mich ebenso betroffen wie die unzähligen menschlichen Tragödien. Insbesondere das Apollo-1-Unglück ging mir nahe. Bei dem Brand in einer Trainingskapsel starben Roger Chaffee, Ed White und Gus Grissom (einer der Mercury Seven). Dieses Ereignis stellte einen Wendepunkt dar – die NASA verschrieb sich der Mission, dass fortan nicht mehr der technische Fortschritt, sondern das Maximum an Sicherheit das Maß aller Dinge sein müsse.

"Einige der Gefahren der Raumfahrt waren bekannt. Doch sehr viel mehr waren es nicht." Körperliche Untersuchen jeglicher Art sowie Stress- und Psychotests brachten die Astronautenanwärter an ihre Grenzen, noch ehe ihr offizielles Training begann. Man wusste einfach viel zu wenig über die Konditionen, die ein Aufenthalt im All zur Folge haben würde. Es kursierten die wildesten Theorien, von Organversagen bis hin zur Annahme, dass die Augäpfel explodieren könnten oder dass die DNA der Astronauten sich (negativ) verändern würde.

Über viele Jahre hinweg sah es danach aus, als sei die Sowjetunion den USA in Sachen Raumfahrt stets einen Schritt voraus. Das kratzte gewaltig am amerikanischen Ego. "Die Russen, dieses steppenbewohnende, wodkasaufende Reitervolk der Kosaken, das man für eine technologisch zweitklassige Wehrmacht hielt, hatten die USA in der Raumfahrt überholt." Weiterhin führte der Rückstand zur UdSSR zu Paranoia und Hysterie im eigenen Land, denn die kommunistische Bedrohung schien allgegenwärtig, was sich in Filmen und Literatur jener Zeit widerspiegelt. Hinzu kamen allerlei ernüchternde Rückschläge. "Raketen explodierten. Systeme versagten. Menschen starben." Dennoch sollte sich Präsident Kennedys ehrgeizige Ankündigung von 1961, man wolle den Mond noch im selben Jahrzehnt erreichen, bewahrheiten. Leider war es dem visionären jungen U.S. Präsidenten nicht vergönnt, diesen Meilenstein der Geschichte mitzuerleben.

Der Bildteil in der Mitte des Buches enthält zahlreiche Fotos, viele davon in Farbe. Es sind exzellent gewählte Aufnahmen, die einem das Gelesene nochmals bildlich vor Augen führen.

Für weitere Ausgaben würde ich zusätzlich zu den umfangreichen Anmerkungen im Anhang (Literaturnachweise, Onlinequellen, Dokumente, Zeitschriften, Stichwortregister) eine Übersicht der wichtigsten Abkürzungen empfehlen. Dann könnte man Begriffe wie NACA, EOR, LOR, MSC, FIDO, GUIDO, LLTV und DSKY immer schnell nachschlagen, ohne die betreffende Stelle im Buch suchen zu müssen, an denen diese einmalig erklärt worden sind.

Fazit: Dieses unheimlich informative, hervorragend recherchierte Sachbuch ist nicht nur ein Schmankerl für Raumfahrt-Fans und Geschichtsinteressierte, sondern auch ein Garant für fesselnde Unterhaltung per se.

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Veröffentlicht am 17.11.2020

5 Sterne sind nicht genug – dieses Meisterwerk verdient einen ganzen Sternenhimmel!

Splitter aus Silber und Eis
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Wenn man die letzte Seite eines Buches umgeblättert hat und die Geschichte am liebsten sofort ein weiteres Mal lesen würde, weil man die Storywelt einfach nicht verlassen möchte, dann ist das ein verdammt ...

Wenn man die letzte Seite eines Buches umgeblättert hat und die Geschichte am liebsten sofort ein weiteres Mal lesen würde, weil man die Storywelt einfach nicht verlassen möchte, dann ist das ein verdammt gutes Zeichen.

Laura Cardeas mitreißendes Romantasy-Werk "Splitter aus Silber und Eis", erschienen im Oktober 2020 beim Carlsen Verlag, hat mich restlos begeistert – nicht nur im Sinne von 'oh wow, ein wirklich tolles Buch', sondern auf dem Level von kreisch "Alle mal herhören! Ihr MÜSST dieses Buch lesen! Es ist sooooo, sooooo gut!" Noch jetzt, während ich euch davon berichte, bekomme ich Herzklopfen, wenn ich an all die überraschenden Wendungen, die Oh-mein-Gott-Momente des ungemein durchdachten Plots und die Gesamtentwicklung der liebevoll ausgearbeiteten Charaktere denke! Für mich zählt es zu meinen absoluten Jahreshighlights UND hat einen Platz in der buntgemischten Kategorie "Lieblingsromane" in meinem Bücherregal erhalten.

Veris ist die Prinzessin von Aurum, dem blühenden Reich des Ewigen Frühlings, und im zarten Alter von zwanzig Jahren droht ihr Leben bereits zu enden: als Schönste ihres Reiches ist sie zum Sakral ernannt worden und ihre Mission ist es, den Prinzen des Winters zu töten, dessen Eissplitter die Herzen der Menschen gefrieren und mit Bosheit erfüllen. Jedes Jahr wird dem grausamen Herrscher der Winterfae eine zwanzigjährige Frau geschickt bzw. geopfert – denn noch nie ist eine von ihnen zurückgekehrt, geschweige denn, dass es ihr gelungen wäre, den Prinzen auszuschalten. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und daher werden alle Mädchen Aurums von klein auf in der Kunst des Kampfes unterrichtet. Wider Erwarten ist Veris fasziniert vom magischen Winterpalast, dessen funkelnde Pracht das Schloss ihres Vaters wie ein niedliches Puppenhäuschen aussehen lässt. Und auch Prinz Nevan, der sich von der Prinzessin unbeeindruckt zeigt und sie allenfalls spöttisch belächelt, bringt ihre Mission gefährlich ins Wanken…

Das wunderschöne Cover ist nicht nur ein totaler Eyecatcher, sondern harmoniert auch perfekt mit dem Inhalt. Zudem ist im Innencover eine Karte inkludiert, ganz wie es sich für einen brillanten Fantasyroman gehört. Während der Lektüre habe ich diese tatsächlich regelmäßig aufgeklappt, um zu verfolgen, wo genau in Wenturien Veris und Nevan gerade unterwegs sind.

Die von der Autorin erschaffene Storywelt hat mich umgehauen – magisch, mystisch, faszinierend! Ich konnte mich gar nicht sattlesen an den detailreichen, bildgewaltigen Beschreibungen! Ebenso facettenreich hat Laura Cardea die Charaktere gestaltet – von Anfang an habe ich mit Veris mitgefiebert, über ihre Schlagfertigkeit, ihren Mut und ihre Intelligenz gestaunt. Und Prinz Nevan…er hat trotz seines eisigen Herzes meines zum Schmelzen gebracht! Den fortwährenden Schlagabtausch zwischen ihm und der aufmüpfigen, rebellischen Prinzessin habe ich geliebt - ihre humorvollen, frechen Dialoge sind der Knüller! Erzählt wird sowohl aus Veris' als auch aus Nevans Perspektive, was die Story herrlich vorantreibt, Rätsel aufgibt und uns zugleich interessante Einblicke in das Innenleben der Figuren ermöglicht. Dieses Wahnsinns-Werk ist als Standalone-Story angelegt, doch allein die liebenswerten Nebenfiguren hätten zusätzlich ihren eigenen Roman verdient, allen voran Veris' Zofe Sif (welche in der Geschichte die wohl größte Entwicklung erlebt). Selbiges gilt für die kesse Kurtisane Elyria, die geheimnisvolle Nymphe Maiah oder für Nevans ersten Ritter (und besten Freund) Rowan, über den ich mich königlich amüsiert habe.

Fazit: Besser geht es nicht! Geheimnisse und Verrat, Wortwitz und Tiefgründigkeit, Action und ein Hauch von Romantik…und Überraschungen, die mich - im wahrsten Sinne - "eiskalt" erwischt haben! Für mich wird es definitiv nicht der letzte Roman dieser talentierten Autorin gewesen sein und ich halte die Daumen gedrückt für einen Folgeband (bzw. am besten gleich zwei oder drei)!

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Veröffentlicht am 14.11.2020

Besinnlicher, herzerwärmender Weihnachtsroman mit historischem Touch

Das Winterkarussell
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Wer mich kennt, weiß, dass ich mich das ganze Jahr über für stimmungsvolle Weihnachtsromane begeistern kann. Und gerade jetzt, wenn die Tage immer kürzer werden und der Zauber der Vorweihnachtszeit beinahe ...

Wer mich kennt, weiß, dass ich mich das ganze Jahr über für stimmungsvolle Weihnachtsromane begeistern kann. Und gerade jetzt, wenn die Tage immer kürzer werden und der Zauber der Vorweihnachtszeit beinahe schon greifbar ist, macht die Lektüre solch gefühlvoller Geschichten natürlich umso mehr Spaß.

Anna Liebig erweckt in ihrem Roman "Das Winterkarussell" (Blanvalet Verlag; Sept. 2020) den traditionellen Frankfurter Weihnachtsmarkt zu Leben. Auf zwei Zeitebenen und in der dritten Person erzählt, begleiten wir Otto, den Besitzer eines wunderschönen, historischen Karussells, durch die Winterzeit der Jahre 1938, als er der Liebe seines Lebens begegnet, sowie 1990, als ihm unverhofft seine Enkeltochter gegenübersteht, von deren Existenz er nie gewusst hatte. Auch Antonia, 15 Jahre alt und gerade durch den Tod ihrer Mutter zur Vollwaise geworden, ahnte nie, dass sie weitere lebende Verwandte hat. Die Unterkunft des Jugendheims ist nicht gerade heimelig, also arrangiert sie sich – zunächst zögerlich – mit dem Vorschlag, von der Großstadt Wiesbaden nach Finsternthal im Taunus zu ziehen, zu ihrem Opa. Tatsächlich hat das Dorfleben seinen eigenen Charme und auch Ottos Herz, das der vereinsamte, mürrische Eigenbrötler in den vergangenen Jahrzehnten niemandem mehr geöffnet hatte, schmilzt nach und nach dahin. Bisher war sein zweistöckiges Karussell, das mittlerweile in der Scheune eine einsame Existenz fristet und von Otto liebevoll sein "altes Mädchen" genannt wird, das einzig Wichtige in seinem Leben. Es erinnert ihn an jene Zeiten, in denen sein Bruder und Vater noch lebten und sie gemeinsam als Schausteller durch die Lande zogen, als die Klänge der vertrauten Weihnachtsmelodien und die funkelnden Lichter des Karussells Kinderaugen zum Strahlen brachten…und als Lene und er glaubten, das Glück sei zum Greifen nah. Durch einen Wink des Schicksals findet Otto sich, ermutigt durch seine Enkelin und mit Hilfe der resoluten Wirtin Gerda, nach über fünfzig Jahren auf dem Weihnachtsmarkt am Römer wieder. Als sein geliebtes Karussell erneut in altem Glanz erstrahlt, blüht der einstige Griesgram, der im Grunde seines Herzens ein liebenswürdiger Kauz ist, förmlich auf und auch Antonia wagt, wieder auf eine glückliche Zukunft zu hoffen.

Anna Liebig hat den Kontrast zwischen Jung und Alt, die eigenwillige, anfangs problematische Dynamik zwischen Enkelin und Großvater herrlich authentisch und erfrischend direkt geschildert. Alle Hauptfiguren sind mir bereits nach wenigen Seiten ans Herz gewachsen und gespannt fieberte ich ihrer weiteren Entwicklung entgegen.

Nach diesem Buch träume ich nun selbst davon, eines Tages den Weihnachtsmarkt auf dem Römerberg, im Herzen der Frankfurter Altstadt, zu besuchen und mir einen Apfelwein bzw. ein paar leckere Frankfurter Bethmännchen schmecken zu lassen. Die bildhaften, detaillierten Beschreibungen des Settings lassen keinen Zweifel daran, dass auch die Autorin fasziniert von dieser einzigartigen Kulisse sowie von der Geschichte der Stadt Frankfurt ist. Einfühlsam und voller emotionaler Tiefe erzählt, hält dieser wundervolle Roman genau das, was das nostalgisch schöne, glitzernde Cover verspricht. Die engen Gassen der Mainmetropole, die herzliche Kameradschaft unter den Schaustellern, das festliche Flair des Weihnachtsmarktes mit seinem geschäftigen Treiben, den unverwechselbaren Duft nach Lebkuchen, heißen Mandeln und Zuckerwatte - all das fängt die Autorin mühelos ein.

Fazit: Die perfekte Mischung aus historischem Roman, berührender Feel-Good-Story und purem Weihnachtsfeeling!

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Veröffentlicht am 10.11.2020

Tolle Themenvielfalt!

USA 151
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Pünktlich zum Jahr der wohl polarisierendsten Präsidentschaftswahl, die es je in der Geschichte der Vereinigten Staaten gegeben hat, erschien das Werk der in die in die USA ausgewanderten Autoren Kai Blum ...

Pünktlich zum Jahr der wohl polarisierendsten Präsidentschaftswahl, die es je in der Geschichte der Vereinigten Staaten gegeben hat, erschien das Werk der in die in die USA ausgewanderten Autoren Kai Blum und Petrina Engelke. Ihre gut recherchierte, abwechslungsreiche Sammlung von 151 Momentaufnahmen bietet nicht nur einen interessanten Überblick über typisch amerikanische Eigenheiten, Bräuche, geschichtliche Hintergründe und alltägliche Kuriositäten, sondern verdeutlicht einmal mehr die Vielfalt und Einzigartigkeit dieses Landes, dessen Mythos als Land der unbegrenzten Möglichkeiten noch immer in den Köpfen vieler Menschen verfestigt ist. Aber wie lebt es sich wirklich in den USA – in der Gated Community, im Trailer Park? Welche (teilweise unbequemen, aber allenfalls sonderbaren) Fakten bekommt man nicht in den gängigen Reiseführern präsentiert? Jedes der Themen - allesamt weder Lobeshymnen noch Kritik - umfasst einen informativen, kurzen und dennoch äußerst detaillierten Text (oftmals auch persönliche Anekdoten) sowie ein passend ausgewähltes Foto; die alphabetische Sortierung habe ich als sehr angenehm empfunden.

Beide Autoren, deren Beiträge sich regelmäßig abwechseln, haben einen sehr angenehmen Schreibstil und auch wenn nicht jedes der Bilder meinen Geschmack getroffen hat, stimmte doch immer der thematische Bezug.

Da ich selbst einmal längere Zeit in den USA gelebt habe, war mir der Großteil der Themen zwar bekannt, aber ich habe dennoch allerlei Zusatzinformationen dazugewonnen.

Fazit: Eine klare Empfehlung für alle USA-Interessierten.

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Veröffentlicht am 08.11.2020

Ein Buch gegen das Vergessen

Die Nacht, als das Feuer kam
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Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs prasselt ein Regen aus Brandbomben auf die Stadt Dresden nieder. Die zerstörerischen Luftangriffe der Alliierten erfolgen in Wellen und lösen einen katastrophalen Feuersturm ...

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs prasselt ein Regen aus Brandbomben auf die Stadt Dresden nieder. Die zerstörerischen Luftangriffe der Alliierten erfolgen in Wellen und lösen einen katastrophalen Feuersturm aus. Das einst prächtige Elbflorenz verwandelt sich in eine brennende Hölle, die für rund 25.000 Menschen zur tödlichen Falle wird. Obwohl auch andere deutsche Städte (wie z.B. Hamburg oder Pforzheim) schwere und z.T. deutlich schlimmere Schäden erleiden, wird es die sächsische Metropole sein, die fortan als Sinnbild für den Luftkrieg gegen Deutschland stehen wird.

Der britische Literaturkritiker und Erfolgsautor Sinclair McKay hat die Ereignisse jener Zeit in einem gleichermaßen fesselnden wie erschütternden Sachbuch niedergeschrieben, in welchem er politische Hintergründe näher beleuchtet und den Lesern durch ungeschönte Zeitzeugenberichte das Grauen direkt vor Augen führt. Ich habe Dresden schon oft besucht und fühle mich dieser außergewöhnlichen Stadt sehr verbunden. Keine der zahlreichen Dokumentationen, die ich zu diesem historisch interessanten und in vielerlei Hinsicht noch heute relevanten Thema angeschaut habe, hat mich dermaßen aufgewühlt und nachdenklich gemacht wie dieses Werk. Schonungslos ehrlich, emotional und zugleich nüchtern und neutral lässt der Autor uns an den Erkenntnissen seiner immensen Recherche teilhaben.

Anhand von einzelnen Schicksalen und frei von Schuldzuweisungen erleben wir die Tragödie um den 13. Februar 1945, die sich erst kürzlich zum 75. Mal gejährt hat, aus Sicht der Dresdner Bevölkerung wie auch aus der Perspektive einiger Bomberpiloten.

"In dieser Phase des Krieges gab es nur noch wenige, die eine exakte Unterscheidung zwischen der deutschen Zivilbevölkerung und deutschen Soldaten machten, zwischen der deutschen Kultur und dem allumfassenden Nazikult."

Dieses chronologisch aufgebaute Buch ist spannender als jeder Thriller und beängstigender als jeder Horrorfilm, denn man weiß, dass es sich hierbei um keine Fiktion handelt. Immer wieder musste ich beim Lesen innehalten, um die schrecklichen Eindrücke zu verarbeiten. Es ist mir unbegreiflich, wie Menschen einander so viel Leid zufügen können. Von den drei großen Abschnitten ("Die Katastrophe rückt näher", "Die Schreckensnacht" und "Das Nachbeben") ist mir der zweite Abschnitt besonders nahegegangen. Die traumatisierten Überlebenden erlitten oftmals schwerste Verbrennungen und andere furchtbare körperliche Verletzungen, vor allem an den Augen. Hinzu kam die Sorge um Liebsten, die Panik vor weiteren Angriffen, das Gefühl der völligen Hilflosigkeit.

Zu Beginn des beim Goldmann Verlag erschienenen Werkes mutet der Schreibstil McKays beinahe poetisch an, der Autor erweckt mit wunderschönen, bildhaften Beschreibungen das Dresden der Vergangenheit zum Leben, schildert die verschiedenen kulturellen Einflüsse, welche die Stadt nachhaltig geprägt haben, sei es (Bau-)Kunst oder Musik. Bald darauf liegt der Fokus zwar auf sachlicher Berichterstattung, aber dennoch gelingt es McKay mit seiner eindringlichen Erzählweise, an den Emotionen der Leserschaft zu rütteln. Man ist mittendrin im Geschehen, hört das ohrenbetäubende Heulen der Sirenen, die Schreie der Menschen, das berstende Glas, findet sich in stickigen Luftschutzkellern unter flackernden Glühbirnen wieder, kämpft sich durch das Inferno, welches durch die Stadt wütet, durch die glühende Hitze, die den Asphalt der Straßen verflüssigt…vorbei an verkohlten Leichen und abgetrennten Körperteilen.

Ich habe so viel neue Informationen zu diesem düsteren Abschnitt der Geschichte aus dem Werk mitgenommen, nicht nur in Bezug auf die Feuernacht. Auch die inkludierten Schwarzweißfotografien und Karten sind hervorragend ausgewählt worden.

Fazit: Ein wichtiges Buch, das unter die Haut geht. Klare Empfehlung für alle historisch interessierten Leser/innen.

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