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Veröffentlicht am 11.11.2020

Fesselnde Geschichte über ein dunkles Kapitel Nachkriegsdeutschlands mit einer starken Charakterzeichnung

Die Schweigende
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Als Jens Remy, seit 54 Jahren glücklich verheiratet mit Karin Remy, Vater dreier Töchter und Großvater von vier Enkeln überraschend stirbt, bittet er seine mittlere Tochter Imke darum, nach Peter zu suchen. ...

Als Jens Remy, seit 54 Jahren glücklich verheiratet mit Karin Remy, Vater dreier Töchter und Großvater von vier Enkeln überraschend stirbt, bittet er seine mittlere Tochter Imke darum, nach Peter zu suchen. Imke, die nicht weiß, wer mit dem Vornamen gemeint ist, fragt ihre Mutter Karin um Rat. Doch diese ist voller Trauer um ihren geliebten Mann und behauptet zunächst keinen Peter zu kennen, bevor sie Imke später zurechtweist, sich nicht in fremde Angelegenheiten einzumischen.
Während ein Streit um das Erbe ausbricht, da sich die jüngste Schwester Anne mit ihrem Anteil des Erbes den Traum der Selbstständigkeit erfüllen möchte, forscht Imke weiter und findet nicht nur heraus, wer Peter war, sondern auch warum ihre Mutter die Vergangenheit ruhen lassen möchte.

"Die Schweigende" ist eine Familiengeschichte, die in der Gegenwart im Jahr 2019 handelt und in der Vergangenheit die Jahre ab 1956 erzählt, als Karin 14 Jahre alt ist und ihre Jugend genießt. Doch in den 1950er-Jahren sind dem Drang nach Freiheit noch enge Grenzen gesetzt und vor allem alleinerziehende Mütter werden argwöhnisch betrachtet. Eine Provokation ist dann zu viel, die schwerwiegende Folgen hat - nicht nur für Karin sondern auch ihren Bruder Pelle.
Die Kapitel werden abwechselnd aus der Perspektive von Karin und einer ihrer drei Töchter erzählt. Die Schilderungen sind dabei so eindringlich, dass man einen tiefen Einblick in das Wesen der Schwestern und ihrer Mutter erhält. Alle vier sind geprägt von der Vergangenheit und ihrer Erziehung, der es an Mutterliebe gemangelt hat. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich die drei Schwestern sich entwickelt haben und welche Art von Bindung sie zu ihrer Mutter haben. Während Geli und Anne fast schon gleichgültig wirken und auf ihr eigenes Wohlbefinden bedacht sind, ist Imke die einzige, die sich um ihre Mutter kümmert, die Interesse für ihre Vergangenheit zeigt und verstehen möchte, warum ihre Mutter so ist wie sie ist.
Die Autorin schildert ein dunkles Kapitel Nachkriegsdeutschlands - das Leben von Kindern in so genannten Erziehungsheimen - über das ich schon Romane gelesen habe, das aber auch in diesem Fall wieder ungeschönt grausam erzählt und aufgrund des realen Hintergrunds unsagbar erschütternd ist. Man leidet mit Karin und denjenigen, die das selbe Schicksal erlitten haben unweigerlich mit, wobei man sich immer wieder fragt, wie gerade gottesfürchtige Menschen Kindern so menschenverachtende Dinge antun konnte, warum so viele Menschen weggeschaut haben und wie lange Staat und Gesellschaft nicht hinter die Mauern blicken wollten.
So wird in dieser fiktiven Geschichte klar, warum es Karin so schwerfiel, eine in ihren Augen gute Ehefrau und liebende, zärtliche Mutter zu sein. Auch wird deutlich, inwiefern solche traumatischen Erlebnisse nicht nur die Biografie einer Person prägen, sondern dass die Nachwirkungen auch Generationen später noch zu spüren sind.

"Die Schweigende" ist eine fesselnde Geschichte, die mich vor allem durch die starke Charakterzeichnung überzeugen konnte, auch wenn ich so manche Aktion von Anne oder Geli etwas überzogen fand.

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Veröffentlicht am 07.11.2020

Tragische Familiengeschichte, die zeigt, dass die Wurzeln nicht zu trennen sind und eine Geschichte über eine lebenslange, bedingungslose Liebe

Wenn du mich heute wieder fragen würdest
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Die Gleesons und Stanhopes sind Nachbarn in Gillam, einer Kleinstadt in der Nähe von New York. Die beiden Väter Francis und Brian sind Arbeitskollegen bei der Polizei und die jüngste Tochter der Gleesons ...

Die Gleesons und Stanhopes sind Nachbarn in Gillam, einer Kleinstadt in der Nähe von New York. Die beiden Väter Francis und Brian sind Arbeitskollegen bei der Polizei und die jüngste Tochter der Gleesons ist im selben Alter wie der Sohn der Stanhopes. Kate und Peter freunden sich als Kinder an und sind auch Teenager unzertrennlich. Lena Gleeson, die selbst noch nicht so lange Gillam wohnt, ist einsam und bemüht sich deshalb auch um eine Freundschaft mit der neu zugezogenen Anne Stanhope, doch diese reagiert von Anbeginn abweisend. Wegen des seltsamen Verhaltens von Anne sorgen sich die Gleesons um die Freundschaft von Kate zu Peter und auch Anne toleriert die Freundschaft nicht. An einem Abend kommt es deshalb zum Eklat und die Wege von Kate und Peter trennen sich über Jahre, bis sie als junge Erwachsene wieder den Kontakt zu einander suchen und trotz der Tragödie in ihrer Jugend einen neuen Anfang wagen. Doch die Vergangenheit und die Wurzeln zur eigenen Familie können nicht so einfach ignoriert werden.

"Wenn du mich wieder fragen würdest" ist die Geschichte von zwei Familien, die sich von den 1980er-Jahren bis in die Gegenwart im Jahr 2017 erstreckt. Der Roman ist aus der Perspektive verschiedener Protagonisten geschildert, wobei der Zerfall der Familie Stanhope und die Beziehung von Kate und Peter im Fokus der Handlung stehen.

Der Roman wird ruhig uns bedächtig geschildert und der Leser mit einigen schwierigen Themen wie psychischen Erkrankungen, Krebs, Alkoholismus, Vernachlässigung, Einsamkeit, Sehnsucht, aber auch einer bedingungslosen Liebe konfrontiert. Die Schilderungen sind intensiv und detailreich, nicht jeder Charakter ist von Anfang an durchschaubar und zumal verliert sich die Autorin in Details, so dass der Roman nicht durchgängig fesselt. Die Geschichte ist aber dennoch von Anfang bis Ende sehr bewegend.
Es ist eine authentische Familiengeschichte, wie sie sich bei den Nachbarn nebenan abspielen könnte. Die Charaktere sind mit all ihren guten und negativen Eigenschaften facettenreich gezeichnet. Man begleitet sie über mehrere Jahrzehnte und erlebt die Veränderungen, die sie im Laufe der Jahre durchmachen und die Ereignisse, die ihren Charakter prägen.

Die Geschichte zeigt, wie eng die Wurzeln zur eigenen Familie sind und dass diese nicht zu trennen sind. Eltern und Erziehung sind ein Leben lang prägend, unabhängig der Taten, die begangen werden. Trotz aller Tragödien, die sich im Laufe der Jahre ereignen, zeigt sie aber auch, das Vergebung möglich ist und dass es die Hoffnung auf eine lebenslange Liebe gibt, die alle Hürden überwindet und dass die Liebe stärker ist als Hass, Gewalt oder Krankheit.
"Wenn du mich wieder fragen würdest", kann die Antwort folglich nur "ja" lauten.

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Veröffentlicht am 31.10.2020

Zeitreise in das Berlin der 1920er-Jahre - spannender Auftakt der Buchreihe um die patente und neugierige Hebamme Hulda Gold, die ein Herz für die Armen hat

Fräulein Gold: Schatten und Licht
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Hulda Gold ist eine junge, engagierte Hebamme, die im berüchtigten Bülowbogen, einem der ärmsten Viertel Berlins zur Zeit der 1920er-Jahre, schwangere Frauen und Wöchnerinnen versorgt. Dabei liegt ihr ...

Hulda Gold ist eine junge, engagierte Hebamme, die im berüchtigten Bülowbogen, einem der ärmsten Viertel Berlins zur Zeit der 1920er-Jahre, schwangere Frauen und Wöchnerinnen versorgt. Dabei liegt ihr als moderne Frau, die sich ihre Unabhängigkeit bewahren möchte, nicht nur ihre Arbeit, sondern auch das Wohlergehen der armen Menschen am Herzen, weshalb sie sich mitunter unentgeltlich um ihre Patientinnen kümmert.
Die Niederkunft der Erstgebärenden Lilo Schmidt ist mustergültig verlaufen, Hulda sorgt sich jedoch um die junge Frau, die vom Tod ihrer Nachbarin und Freundin Rita Schönbrunn, eine lebensältere Frau, die als Prostituierte arbeitete, erschüttert ist. Ihre Leiche war im Landwehrkanal aufgefunden worden. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, was Lilo jedoch nicht glauben mag.
Als Hulda neugierige Fragen im Bülowbogen stellt und neben Kriminalkommissar Karl North eigene Ermittlungen anstellt, bringt sie sich letztlich selbst in Gefahr.

"Fräulein Gold: Schatten und Licht" ist der Auftakt der dreiteiligen Buchreihe um die junge Hebamme Hulda Gold aus Berlin. Der erste Band handelt im Frühling/ Sommer 1922 und lässt den Leser anschaulich in das Berlin der damaligen Zeit, wo Licht und Schatten, Wohlstand und Armut, Aufbruchsstimmung nach dem Ersten Weltkrieg sowie Inflation und drohende Wirtschaftskrise dicht nebeneinander liegen, eintauchen. Durch die lebendige Beschreibung der Szenerie und die typische Berliner Schnauze so manches Nebencharakters ist die Atmosphäre spürbar.
Hulda ist einerseits eine starke, patente junge Frau, die ihrer Zeit voraus ist und sich aus Angst vor dem Verlust ihrer Unabhängigkeit nicht an einen Mann binden möchte, andererseits aber auch eine empathische Frau mit einer weichen Seite, die die Augen nicht vor den Armen verschließen kann und sich selbst nach Liebe und Geborgenheit sehnt.
Ihr Interesse für den (ungeklärten) Todesfall und ihre Einmischung in die Ermittlungen von Kommissar North waren mir hingegen nicht so ganz nachvollziehbar und von zu vielen Zufällen geprägt. Dennoch mochte ich den spürbaren Zeitgeist der 1920er-Jahre und Hulda, die das Herz auf dem rechten Fleck hat und habe sowohl die Aufklärung der Kriminalfalls durch sie und den etwas zwielichtigen Kommissar North sowie Huldas Beziehung zu ihrem Exfreund Felix Winter und ihr romantisches Interesse für den Kommissar gespannt verfolgt.

"Fräulein Gold: Schatten und Licht" ist ein gelungener erster Band, der Lust auf mehr von Hulda Gold macht.

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Veröffentlicht am 28.10.2020

Unterhaltsame Lektüre über das reale Leben einer alleinerziehenden Mutter und ihrer schönen Instagram-Scheinwelt

Aus allen Wolken fällt man auch mal weich
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Julia wurde vor Kurzem von ihrem Freund verlassen und lebt nun allein mit ihrer vierjährigen Tochter in einer Souterrainwohnung in Köln-Mülheim. Beruflich hat sie sich als Designerin von Armbändern selbstständig ...

Julia wurde vor Kurzem von ihrem Freund verlassen und lebt nun allein mit ihrer vierjährigen Tochter in einer Souterrainwohnung in Köln-Mülheim. Beruflich hat sie sich als Designerin von Armbändern selbstständig gemacht, die sie kreativ auf ihrem Instagram-Account in Szene setzt. Dabei ist in der schönen Insta-Welt alles nur Show. Dort ist sie glücklich verheiratet, lebt in einem Loft und ist jeden Tag mühelos perfekt gestylt. Je weiter das Reallife von ihrem Online-Account auseinanderdriftet, desto schwieriger wird es für Julia den schönen Schein aufrecht zu erhalten. Zudem fordert ihr Exfreund auch noch den Kredit zurück, den er ihr für ihr Business gewährt hatte. Da träumt sie lieber von Alex, Bildhauer und alleinerziehender Vater eines Sohnes in der Kita ihrer Tochter, dem sie sich geschäftlich als sein Social Media Marketing nähert und ihr Herz höher schlagen lässt.

Der Roman schildert sehr authentisch das nicht immer einfache Leben als alleinerziehende Mutter, die aufgrund ihrer Selbstständigkeit jeden Tag aufs Neue um ihre Existenz kämpfen muss. Die Handlung wird dabei durch vereinzelte Social Media Postings auf Instagram unterbrochen, die die kreativen Inszenierungen Julias zeigen. Auf humorvolle Art und Weise wird dabei dargestellt, wie ihre zwei Welten sich unterscheiden - einerseits die geschönte Welt einer erfolgreichen, sportlich-schlanken Schmuckdesignerin, die nicht arbeiten müsste und andererseits der chaotische Alltag einer berufstätigen Mutter, die finanziell kaum um die Runden kommt.
Das Buch ist lebendig und wunderbar witzig geschrieben und nimmt dabei die schöne heile Insta-Welt aufs Korn, eine digitale Welt, in der mehr Schein als Sein herrscht, durch die man sich leicht unter Druck gesetzt fühlen kann. Julia ist eine verunsicherte Frau, die perfekt erscheinen möchte, um zu gefallen. Im Verlauf des Romans merkt sie jedoch nicht nur, wie schwer ihr die Online-Flunkerei fällt, sondern das ehrlich bekanntermaßen am längsten währt.

Es ist eine leicht zu lesende und unterhaltsame Lektüre, in der sich alle Probleme erwartungsgemäß und passend zum Titel "Aus allen Wolken fällt man auch mal weich" am Ende auflösen und bei der auch die romantischen Gefühle nicht zu kurz kommen. Während die Differenz aus Real- und Onlinewelt und alle damit verbundenen Schwierigkeiten sehr gut herausgearbeitet und schlüssig gelöst werden, gibt es aber auch Themen in dem Roman wie Julias Verhältnis zu ihrem Vater, die Trauer Alex' um seine Freundin oder der Kinderwunsch von Julias Freundin Elif, die zu oberflächlich bleiben, eine Aufarbeitung den Rahmen der Wohlfühl-Liebeskomödie allerdings auch gesprengt hätten.
Als Wahl-Kölnerin hat mir der Lokalkolorit der Geschichte in jedem Fall gut gefallen.

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Veröffentlicht am 12.10.2020

Lebensnahe, kurzweilige Geschichte über die Liebe, Freundschaft und Neuanfänge, die stimmungsvoll in den Herbst/ Winter passt

Winterzauber in Mayfair
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Emily Parker ist Lehrerin an einer Grundschule in London. Sie ist sehr ambitioniert und kümmert sich mehr um ihre Schützlinge, als sie eigentlich sollte, weshalb es häufiger zu Konflikten mit der Direktorin ...

Emily Parker ist Lehrerin an einer Grundschule in London. Sie ist sehr ambitioniert und kümmert sich mehr um ihre Schützlinge, als sie eigentlich sollte, weshalb es häufiger zu Konflikten mit der Direktorin kommt. Auch in der Liebe hatte sie wenig Glück und muss sich erst noch an das Alleinleben in ihrer Wohnung gewöhnen.
In diesem Winter soll sich Emily auch noch um das jährliche Schulmusical kümmern und fühlt sich damit überfordert. Da begegnet sich zufällig dem gefallenen Popstar Ray Stone, der mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen hat und eine Unterkunft benötigt. Kurzerhand zieht er bei Emily ein und hilft ihr bei den Vorbereitungen für das Musical. Beide profitieren von der Nähe des anderen, haben aber jeder eine Vergangenheit, die sie nicht loslässt.

"Winterzauber in Mayfair" ist das jährliche Winter-/ Weihnachtsbuch, das von der Autorin Mandy Baggot erscheint. Es handelt im November und Dezember im winterlichen London, weshalb das Weihnachtsfest erst am Ende des Romans im Vordergrund steht und sich das Buch deshalb jetzt im Herbst schon gut lesen lässt.
Emily ist eine sympathische, etwas unsichere junge Frau, die sich seit ihrer letzten Beziehung zurückgezogen hat. Ray ist dagegen ein berühmter Popstar, der ebenfalls das Herz auf dem rechten Fleck hat, jedoch mit üblen negativen Schlagzeilen in der Presse erschienen ist.
Die Liebesgeschichte der beiden ist sehr authentisch erzählt. Man spürt von Anbeginn, dass die beiden zusammenpassen und es ist schön zu lesen, wie sie sich nur ganz zögerlich einander annähern und Vertrauen schöpfen. Beide hatten enttäuschende Erlebnisse mit ihren letzten Partnern, haben zudem noch mit beruflichen Problemen zu kämpfen und bangen um ihre Zukunft.
Die Autorin schafft ein heimeliges, winterliches Flair, während Weihnachtslieder komponiert und Weihnachtsmärkte besucht werden. Durch die Zweisamkeit von Emily und Ray, die erst rein freundschaftlich ist, bewältigen sie ihre Probleme und stellen sich zögerlich den Geistern der Vergangenheit.
"Winterzauber in Mayfair" ist eine lebensnahe, kurzweilige Geschichte über die Liebe, Freundschaft und Neuanfänge, die stimmungsvoll in den Herbst/ Winter passt und am Ende Weihnachten als ein Fest der Liebe und Vielfalt über die Konfessionen hinweg feiert. Das ist, wie der Titel verspricht, ganz zauberhaft, bis das Buch im Epilog dann doch noch ins Kitschige abdriftet.

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