Wenn man sich seine Eltern doch nur aussuchen könnte ...
Süden und das Lächeln des WindesSüden und das Lächeln des Windes ist Band acht der Krimireihe um den Vermisstenfahnder Tabor Süden. Sein Kollege und gleichzeitig bester Freund Martin Heuer und seine Kollegin Sonja Feyerabend begleiten ...
Süden und das Lächeln des Windes ist Band acht der Krimireihe um den Vermisstenfahnder Tabor Süden. Sein Kollege und gleichzeitig bester Freund Martin Heuer und seine Kollegin Sonja Feyerabend begleiten uns hier auch wieder durchs Buch.
Es geht um den 9-jährigen vermissten Jungen Timo, dessen Eltern in meinen Augen recht eigenartige Menschen sind, und mit eigenartig meine ich, dass die Mutter von Zeit zu Zeit scheinbar aus einer Überforderung oder Verzweiflung heraus auf ihren Sohn einprügelt und der Vater so gut wie nie Zuhause ist und sich auch sonst einen Dreck um Timo kümmert. Von Nachbarn wird die Mutter als "ein wenig daneben" beschrieben, was ich persönlich, während ich sie beim Lesen kennengelernt habe, auch absolut so unterschreiben kann. Der Vater wird als jemand dargestellt, der nur aufgrund seiner zukünftigen Arbeitsstelle bzw. der damit verbundenen Praktika, sich fast nie Zuhause blicken lässt.
Ganz allgemein dürfte es für Timo wohl ein schreckliches Familienleben gewesen sein, verwundert mich also keineswegs, dass er einfach nur weg wollte. Denn von mütterlicher Fürsorge und Liebe ist bei denen Daheim weit und breit nichts zu entdecken ...
Noch in derselben Nacht begann unsere Fahndung, die ich bald als so vergeblich empfand, als suchte ich nach einer Träne im Schnee.
(S. 98)
Immer wieder bin ich vom Schreibstil des Autors ganz begeistert, man sieht es an obigem Zitat: solche Sätze finde ich nicht nur wahnsinnig kreativ, nein, sie zeigen mir auch jedes Mal aufs Neue, welche Schönheit man mit "kunstvoll" aneinandergereihten Worten hervorbringen kann. - Das ist mit ein Grund dafür, warum ich Lesen so liebe!
Es stimmte, zuhören fiel mir leichter als reden, ich übte Schweigen seit meiner frühen Jugend, und während der zwölf Jahre meiner Arbeit in der Vermisstenstelle hatte ich gelernt, Stunde um Stunde Lügnern zuzuhören.
(S. 22)
Tabor Südens Menschenkenntnis und seine teilweise ungewöhnlichen Methoden, Leute zu vernehmen, pardon, mit ihnen zu sprechen, wirken auch hier wieder ganz faszinierend auf mich. Süden, der eigensinnige Kauz, sagt von sich selbst, dass er lieber Zuhörer als Sprecher ist, dass er sich lieber als Eremit denn als Teamplayer sieht. In einem Beruf, wie er ihn hat, stelle ich mir diese Wesensart gar nicht so leicht zu händeln vor, schließlich sind Polizisten auf Teamwork angewiesen. Aber nicht nur das, auch die Tatsache, dass Süden sich in so einem Posten weigert, sich ein Handy zuzulegen und Auto zu fahren, finde ich ... mutig. Schwer zu glauben, aber Süden schafft es dennoch irgendwie, ohne all diesem Kram ordentlich und erfolgreich seinen Job zu machen, was natürlich nicht ganz unbeeindruckend ist.
Und das war mein Ziel: Ein mir angemessener Einzelner zu bleiben, in einem Beruf, der auf Teamgeist und ständiger Kommunikation basiert.
(S. 43)
Ein ausgerissener Junge, jede Menge Fragen, was denn der Grund dafür sein könnte (Ist er bei seiner Tante, bei der er sich immer mal wieder aufhält? Warum reden die Eltern keinen Klartext? Was haben die beiden zu verbergen? Was geht hier eigentlich vor sich?) und ein Vermisstenfahnder, der zwar sehr schweigsam und einsilbig ist, in diesem Fall aber trotzdem ein wenig aus seiner Melancholie herauskommt und sogar aus seiner höchst interessanten Vergangenheit erzählt, machen diese 200 Seiten zu einem lesenswerten Vergnügen!