Überraschend feinsinnig und berührend
KurtInhalt:
Lena liebt Kurt, Kurt liebt Kurt, seinen Sohn und gemeinsam leben sie jeweils wochenweise als Familie zusammen, bis der kleine Kurt wieder zu seine Mutter Jana zieht. Niemand ist dabei und niemand ...
Inhalt:
Lena liebt Kurt, Kurt liebt Kurt, seinen Sohn und gemeinsam leben sie jeweils wochenweise als Familie zusammen, bis der kleine Kurt wieder zu seine Mutter Jana zieht. Niemand ist dabei und niemand trägt die Schuld, als der kleine Kurt bei einem Sturz vom Klettergerüst stirbt, aber sie alle bleiben zurück als unfertiges Konstrukt, das eigentlich nur durch den kleinen Menschen zusammengehalten worden ist. Aber Kurt fehlt und kommt definitiv nicht mehr zurück und so ist es nun an den Erwachsenen, ihren Platz im Leben neu zu finden. Immer wieder geht es dabei um Lena, die mitten im Geschehen und doch eine Aussenstehende ist und die vor allem ihre Beziehung zum grossen Kurt retten, für ihn da sein und selber nicht zerbrechen will.
Meine Meinung:
Erst gerade habe ich "Mängelexemplar" von Sarah Kuttner gelesen und leider so gar nicht gerne gemocht. Vor allem die auf mich unfertig und oberflächlich wirkende Sprache hat mich überhaupt nicht überzeugt und deshalb war ich sehr neugierig auf "Kurt" und wollte mich unbedingt eines Besseren belehren lassen. Gleich zu Beginn kann ich sagen, dass ich eine ganz neue Sprache entdeckt habe, die ungeschönt beschreibt und Wert auf die kleinen, feinen Details legt. Details, die mir in "Mängelexemplar" so sehr gefehlt haben. Sprache, die es schafft, unendlichen Schmerz durch kleine Gesten oder Wortwechsel der Protagonisten auszudrücken. Ja, einmal plätschert die Geschichte nach den ersten packenden fünfzig Seiten und einmal in der Mitte des Buches ein wenig gar langsam vor sich hin, aber im Grossen und Ganzen hat mich das Buch für sich einnehmen und vor allem überzeugen können.
Zuerst war ich allerdings überrascht davon, dass mich "Kurt" nicht komplett erschüttert und berührt hat. Die ganze Tragik der Handlung ist aber - mit Sicherheit absichtlich - nicht rund um den Tod des kleinen Kurts aufgebaut worden. Die Tragik zeigt sich nachher, im Leben der Hinterbliebenen. Sie zeigt sich durch einen grossen Kurt, der nächtelang Fliesen von den Badezimmerwänden schlägt und sich mit seinem besten Freund prügelt. Der für Lena wochenlang nicht wirklich ansprechbar ist und der sich ins Bett des kleinen Kurts zurückzieht, wenn er nicht mehr kann. Und die Tragik zeigt sich auch durch die Rolle von Lena, die schon in der Patchworksituation oft die Aussenstehende war und nun erst recht nicht mehr viel zu sagen hat, obwohl auch sie um den kleinen Kurt trauert. Diese vielen einzelnen Fäden der Geschichte, lose Gedanken, überwältigende Gefühle und kleine Gesten (vor allem Lenas Garten und ihre tiefe Liebe zu den einzelnen Pflanzen, welche mich tief berührt hat), verbinden sich stimmig zu einem überzeugenden Ganzen.
Meine Empfehlung:
Ja, ich habe "Kurt" wirklich gerne gelesen und die Figuren und ihre Handlungen (abgesehen von Lenas Fernbleiben der Beerdigung) sehr gut nachvollziehen können. Man ist nicht nur Mensch, wenn man zurückbleibt, man ist auch Partner, Elternteil, Arbeitnehmer und Teil einer Gesellschaft, welche den Tod oft verdrängt. Diesen spannenden und so aus dem Leben gegriffen beschriebenen Spagat und die Geschichte, welche Lena immer mehr ins Zentrum rückt, hat mich wirklich für sich einnehmen und überzeugen können.