Seltsamer und schlimmer als Fiktion!
EVILGrausamer, authentischer Trip in die Hölle der menschlichen Psyche - auf wahren Begebenheiten beruhend! Nichts für schwache Nerven!
Bei "harten" Büchern kann man sich mit den Worten beruhigen, daß es ...
Grausamer, authentischer Trip in die Hölle der menschlichen Psyche - auf wahren Begebenheiten beruhend! Nichts für schwache Nerven!
Bei "harten" Büchern kann man sich mit den Worten beruhigen, daß es letztendlich "nur" Fiktion ist. Aber weil Jack Ketchums Buch auf einer wahren Begebenheit beruht, gibt es diese Gewißheit hier leider nicht.
Jack Ketchum hat hier die Elemente eines der schlimmsten Verbrechen geschickt fiktionalisiert. Das nimmt der schockierenden Wucht des geschilderten Grauens nicht jedoch nicht die klaustrophobische Intensität. Ein bedrückendes, unbehagliches Buch in einer gelungenen Mischung aus Emotionalität und dem Sezieren eines Mikrokosmos, in denen Perversitäten in unendlicher Grausamkeit kulminieren. Das Buch las ich bereits vor längerer Zeit, aber es sucht mich immer noch heim. Den zugrundeliegenden Mordfall kannte ich bereits und konnte so gut vergleichen, was der Autor verändert hat. Zum echten Mordfall später mehr.
Der zwölfjährige David lebt in den 50er Jahren in einer ach so ruhigen all - American suburb. Er ist mit den drei Nachbarssöhnen der alleinerziehenden Ruth befreundet, hängt viel bei ihnen ab. Sie sind in einem ähnlichen Alter. Ruth ist überfordert und läßt sie auch Alkohol trinken.
Ein fatales Verhängnis wird initiiert, als die Eltern von Meg und Susan bei einem Autounfall sterben. Sie kommen in Obhut ihrer Tante Ruth. David verknallt sich sogar in das charmante, agile Mädchen Meg.
Aber für Meg beginnt eine Tour de force der Folter, psychisch und physisch, an der sich ebenso ihre Cousins aktiv und und gerne beteiligen werden. Nicht nur Ruth, die damit anfing. Bis zur Eskalation ...
Ausschließlich aus Davids erwachsener Sicht werden die damaligen Vorkommnisse rekapituliert. Wie schuldig machte er sich durch Passivität, obwohl er nicht mitmachte und mehr mitbekam, als für ein Kind gut ist. Warum tat er gar nichts? Handelte nicht? Egal wie. Aber noch schlimmer ist, daß die Nachbarn, die Schule, die Behörden wie die drei Affen "nichts" hörten, sagten oder sahen. Natürlich! Vollkommen normal, daß ein Mädchen zu Tode gefoltert wird, aber leider bittere Realität.
Jack Ketchum ist nicht voyeuristisch, auf billige Schocks aus und ergötzt sich auch nicht am Leid im Stile eines Torture Porns. Man merkt seinen eigenen Zorn, Fassungs - und Hilflosigkeit mehr als deutlich. Und das Buch macht betroffen. Aus Neid und Eifersucht wird Meg zum absoluten Haßobjekt von Ruth. Die Tortur wird immer extremer, unvorstellbar. Sowas hatte man aus Konzentrationslagern gehört, von Regimen und Foltergefängnissen.
Schleichend breitet sich der Teppich der Dunkelheit aus und der Autor schildert schonungslos, wie die Grausamkeit sich selbst immer bestialischer generiert und die Abwärtsspirale an Tempo exponentiell zunimmt.
Und das Allerschlimmste ist, wie schon erwähnt, daß das tatsächlich passiert ist. Kurzer Abriß:
Sylvia Marie Likens ( *03.01.1949 Lebanon / Indiana ) starb nach einer beispiellosen Tortur am 26.10.1965 in Indianapolis. Subdurales Hämatom, Schock, Dehydration und Malnutrition.
Fünf Kinder, Eltern, die von Jahrmarkt zu Jahrmarkt ziehen. Aus diversen Gründen gab der Vater Sylvia und die jüngere Schwester Jenny in Pension zu Gertrude Baniszewski.
Drei Wochen ging alles gut, aber das Geld des Vaters, das wöchentlich kam, traf zu spät ein. Es fing mit Schlägen auf die entblößten Hintern der Mädchen an. Baniszewski war alleinerziehende Mutter sieben Kinder mit eigenem Haus. Sie und ihre Teenagertochter Paula sind von Neid sowie Eifersucht auf hauptsächlich Sylvia zerfressen. Jenny ist infolge von Polio behindert. Verleumdungen, Schläge, Essensentzug, Demütigungen, Freunde der Teenagerkinder der Baniszewski fingen an sich mit "Hingabe" zu beteiligen, hinterher sogar Nachbarskinder.
Es wurde immer exzessiver, daß sogar ein Foltermeister sich gewundert hätte. ( ein Beispiel: brennende Zigaretten auf der Haut - hundert Mal hintereinander in kurzer Zeit! ). Unaussprechliche grauenvolle Folterqualen! Die man nicht hier erwähnen kann, sogar mit sexuellen Komponenten. Nachbarn, Schule und Behörden sahen weg, verharmlosen, spielten runter, glaubten nicht.
Und das Empörendste ist: Baniszewski wurde 1966 zu lebenslänglich verurteilt und kam 1981 bereits wieder frei und auch die anderen Sadisten bekamen nur lächerliche Strafen für diese ungeheuerliche, unvorstellbare Verbrechen. Nachweislich waren weder Baniszewski noch "Ruth" wahnsinnig, obwohl das eine bequeme Option gewesen wäre, sich das Grauen zu erklären. Einfach nur verkommen, bar jeder Empathie, verroht. Deswegen ist dieses Buch, auch wenn es unangenehme Lektüre ist, sehr wichtig. Es rüttelt auf, sensibilisiert und mahnt zur Wachsamkeit, denn auch der nette Nachbar oder der freundliche Onkel, die zuvorkommende Tante kann ein grausamer Sadist sein.