Kann Wahrheit überhaupt definiert werden?
Die Wahrheit der anderenPakistanische Flüchtlinge besetzen eine Kirche in Wien. Es gibt auch noch Randale. Sie wollen ein Fanal gegen die Asylpolitik setzen.
Uwe Tinnermanns ist, darf er sich reell Journalist nennen?, selbiger ...
Pakistanische Flüchtlinge besetzen eine Kirche in Wien. Es gibt auch noch Randale. Sie wollen ein Fanal gegen die Asylpolitik setzen.
Uwe Tinnermanns ist, darf er sich reell Journalist nennen?, selbiger einer Boulevardzeitung. Er schnuppert die Morgenluft des beruflichen Aufstiegs. Er darf Kolumnen über jenes Protestlager veröffentlichen, aber relotianisch werden jene frei nach Münchhausen belletristisch aufgehübscht und dramatisch verbrämt. Veena Shahida ist das IT-Girl, die politische Ikone dieses Aufstandes. Ein Photo, das eine harmlose Situation wiedergibt und zwar daß ein unschuldiger Polizist der verletzten Veena nur auf hilft, wird zweideutig umgedeutet zur Polizeigewalt.
Das öffentliche Auge des Publikums, der Medien und der Politik sind auf Veena und Konsorten gerichtet, jedoch wirkt Veena nach und nach durch verschiedene Faktoren nicht mehr authentisch. Sie genießt das alles ein wenig zu sehr, scheint mir. Birgit Toth, Anwältin, möchte ihr helfen und stellt sich gegen die anderen Pakistanis und deren Protest, verheddert sich aber zunehmend in den diversen Reibungspunkten der konträren Wahrheiten.
Gibt es die eine Wahrheit? Kann man darauf vertrauen, bauen, glauben, daß es sie gibt? Oder nur zumindest das anerkennen, was man mit den eigenen Sinnen wahrnimmt? Ich denke nicht.
Dies ist ein Buch der Subjektivitäten. Es gibt differierende Erzählperspektiven. Jeder von uns existiert als singuläre Kohlenstoffeinheit und nicht jeder wird unter hohem Druck zum Diamanten. Ich kann nicht in den anderen hineinsehen und er bei mir genausowenig. Ein Buch ohne eine dritte, neutrale, übergeordnete Erzählstimme macht die Geschichte komplizierter. Pluralität zersplittert zu unzähligen Fragmenten und der Leser hat die Aufgabe, sein ureigenes Puzzle daraus zu bauen.
Man muß sich ungestört auf dieses Buch einlassen können und es hochkonzentriert lesen. Das ist manchmal etwas anstrengend. Literatur soll aber nicht nur zum Kuscheln einladen.
Tinnermanns ist ein egomanischer, skrupelloser Karrierist, der nicht davor zurückschreckt, Leben notfalls in extremo zu zerstören. Er hat eine Profilneurose und Frau Toth ist ebensowenig uneigennützig.
Veena ist undurchsichtig, sehr ambivalent gezeichnet und vielleicht nicht das, was sie intendiert zu sein oder zu scheinen. Sie ist nur ein Mensch und viele Leute aller Nationen genößen wohl eine derartige mediale Offensive, ihre fünfzehn Minuten Ruhm, auch wenn der Preis womöglich hoch ist.
Sehr viele, auf allen Seiten sind nur auf ihren Vorteil aus. Fast jeder will jeden nach Gusto manipulieren. Die öffentliche Meinung will geformt werden, so daß das einen direkten Backlash auf die Politik haben möge.
Der einzelne Mensch, der Asylsuchende ( nicht nur jener ) und sein individuelles, womöglich sehr tragisches Schicksal geht dabei im Meer der pluralen Wahrheiten unter. All die grellen, blinkenden Lichter der marktschreierischen Aufmerksamkeitsheischer überblenden die kleine, flackernde Kerze nackt im Wind.
Werden einem hundert verschiedene Versionen ( um es mal überspitzt darzustellen ) um die Ohren geballert, was soll man da noch glauben können oder wollen - in Zeiten von Fake News ( dabei ist dieses Phänomen nicht einmal so neu ) und Dogmen von links als auch rechts.
Auf jeden Fall sollte man auf alles angemessen mißtrauisch und abwartend reagieren, ohne in das Extrem der Verschwörungstheorien abzurutschen.
Dieses Buch ist doppelbödig. Es spielt mit den Erwartungen des Lesers und seinen Einstellungen. Was vermeintlich gesichert ist und stimmt, ist Lüge und vice versa. Alles ist ineinander verschachtelt und doch ist dieses Buch nicht annähernd so kompliziert wie unsere angebliche Realität.
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