Ein Buch über das Weiterleben nach einer Tragödie, über Schuldgefühle, Trost und einen Neuanfang - weniger emotional als gedacht
Der Tag, an dem die Zeit stillstandBei einem Anschlag auf die Chicagoer Hochbahn im März 2016 kommen 22 Menschen ums Leben. Autumn Manning überlebt. Die 31-Jährige quält sich auch ein Jahr später mit dem Gedanken, warum ausgerechnet sie ...
Bei einem Anschlag auf die Chicagoer Hochbahn im März 2016 kommen 22 Menschen ums Leben. Autumn Manning überlebt. Die 31-Jährige quält sich auch ein Jahr später mit dem Gedanken, warum ausgerechnet sie überlebt hat und alle anderen sterben mussten.
Die Tochter eines der Opfer, Reese Elliott schreibt ihr Briefe und steht eines Tages nach einem Streit mit ihrem Vater Paul vor Autumns Tür. Sie lässt auch nicht locker, als Paul den Kontakt unterbinden möchte. Er möchte, dass seine Kinder endlich mit dem schrecklichen Unglück abschließen und in die Zukunft blicken.
Autumn und Reese kommen allerdings gemeinsam auf die Idee eines Videoprojekts zum Gedenken der Toten. Im Vordergrund soll nicht der sinnlose Tod stehen, sondern das Leben der Opfer und was sie ausgemacht hat. Autumn möchte dazu Interviews mit den Angehörigen führen und deckt mit ihren Recherchen unfreiwillig Geheimnisse auf, die nicht nur die Familie Elliott, sondern auch sie selbst betreffen.
Besser als "Der Tag, an dem die Zeit stillstand" passt der englische Titel "Life After" zu dem Roman, denn es geht tatsächlich darum, wie das Leben nach so einer Tragödie wie des Anschlags mit zahlreichen Toten weitergeht. Am Beispiel der einzigen Überlebenden Autumn und der Familie Elliott, die Ehefrau bzw. Mutter verloren haben, wird aufgezeigt, was der Tod mit den Hinterbliebenen macht. Durch die Interviews erhält man jedoch auch kurze Einblicke in die Leben weiterer Opfer und ihrer Angehörigen.
Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive von Autumn und Paul geschildert, so dass man tiefe Einblicke in ihre Gedanken, ihre Trauer und Schuldgefühle erhält. Die Frage nach dem "Warum?" ist vor allem bei Autumn präsent, während Paul aus Gründen, die sich erst allmählich offenbaren, den Anschlag vergessen möchte und mit seinen Kindern ein normales Leben führen möchte.
Die Geschichte ist weniger emotional, als ich mir zu Beginn vorgestellt hatte, was aber daran liegen kann, dass das Unglück bereits ein Jahr zurückliegt und die Trauer nicht mehr akut ist. Autumn hat sich nach dem Unfall von ihrem Freund Seth getrennt und sich komplett zurückgezogen. Erst durch den Kontakt mit Reese und ihre Arbeit an dem Videoprojekt kommt sie mehr aus sich heraus und wagt den Schritt zurück ins Leben.
Die Geheimnisse, die sich im Laufe der Handlung offenbaren, sorgen für Spannungsmomente, können jedoch auch nicht darüber hinweghelfen, dass sich der Roman wegen der Gedankengänge der Protagonisten häufig im Kreis dreht und nur sehr zögerlich voranschreitet. Gerade im letzten Drittel hatte der Roman einige Länge, da der Leser mehr wusste, als die Protagonisten selbst.
Es ist ein Buch, das auf christlichen Werten basiert, weshalb auch der Glaube an Gott eine Rolle spielt, jedoch nicht überhand nimmt. Dabei wundert es, dass nicht häufiger die Frage gestellt wurde, warum ein barmherziger Gott so einen Anschlag zulässt. Auch die Wut auf den Attentäter, über den man nicht mehr als den Namen erfährt, wird überhaupt nicht thematisiert, obwohl er der einzig Schuldige an der Tragödie ist. Das fand ich nicht nur schade, sondern auch unrealistisch.
Der Roman schenkt Hoffnung, indem die Menschen am Ende Trost darin finden, dass Gott mit den Leidenden weint, wie sie es von Jesus aus der Bibel kennen. Das mag für den ein oder anderen eine Lösung oder Erklärung sein, um die Trauer zu überwinden und in die Zukunft zu blicken. Für mich ist Mitleid ein schwacher Trost.