Chance oder Hindernis
Die hochsensible FrauMit knapp 130 Seiten handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um ein eher schmales Bändchen, das vor allem diejenigen Hochsensiblen, die sich erst kürzlich als solche erkannt haben, als erster Einstieg ...
Mit knapp 130 Seiten handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um ein eher schmales Bändchen, das vor allem diejenigen Hochsensiblen, die sich erst kürzlich als solche erkannt haben, als erster Einstieg ansprechen dürfte. Ich weiß schon seit längerem, dass ich zu dieser Gruppe von Menschen gehöre und habe auch schon einiges zum Thema gelesen. Dennoch konnte auch mir das Buch ein wenig Neues bieten, wie zum Beispiel zum Thema Spiegelneuronen.
Es wird auch wirklich vieles an Aspekten angesprochen, wobei bei der Kürze des Buches das Meiste nur angerissen werden kann. Als Beispiel sei das Thema außersinnliche Wahnnehmung der Hochsensiblen genannt, was sicherlich auch eine Glaubensfrage darstellt. Dass Freud und Jung schon zu dem Thema geforscht haben sollen, war mir neu. Doch mit welchem Ergebnis? Da Quellenangaben gänzlich fehlen, kann man hier nicht in die Tiefe gehen, und das lässt das Buch etwas an der Oberfläche verharren. Und das mögen ja insbesondere Hochsensible gar nicht, wie die Autorin völlig richtig feststellt. Ebenso hätte ich gern erfahren, was sie qualifiziert, durchaus sachkundig über das Thema zu schreiben, aber auch hier tappt man im Dunkeln.
Trotzdem habe ich die Lust am Lesen während des ganzen Buches behalten, denn alle Aspekte wurden interessant geschildert. Dennoch muss ich sagen, dass ich den Titel und auch den Untertitel unglücklich gewählt finde. Der Fokus liegt nämlich durchgängig gerade nicht auf dem weiblichen Geschlecht, sondern es geht um hochsensible Kinder und Erwachsene, egal welchen Geschlechts. Es ist sogar die Rede von "dem Betroffenen".
Auch die Chancen, die Hochsensibilität durchaus bietet, kommen außer im Untertitel im Buch wirklich zu kurz. Vielmehr wird eine Fülle von Limitierungen - auch hier durchaus zutreffend - beschrieben. Diese verwandeln sich nicht automatisch in Chancen, wenn man sich ihrer bewusst wird. Durch die Fülle an Reizen, die HSPs aufnehmen und verarbeiten, sind sie tatsächlich schneller überreizt und erschöpft als der durchschnittlich wahrnehmende Mensch. Hieraus den Schluss zu ziehen, HSPs kämen dadurch zu mehr Besinnungs-Pausen, erscheint doch reichlich gewagt. Diese muss man sich erstmal gönnen und auch gönnen können, was sicherlich nicht überall ohne Weiteres möglich ist. Selbst wenn, wird es wohl bei allen Erklärungen vom Umfeld eher als Schwäche gedeutet werden und nicht ohne negative Folgen bleiben.
Uns so hat mich das Buch zum Teil auch etwas runtergezogen. Die durchaus vorhandenen Stärken der HSPs könnten aus meiner Sicht viel stärker herausgearbeitet werden.