Faszinierendes Portrait eines Mörders
Wittgensteiner SchattenCaro König hat ganz tief ins Fettnäpfchen getreten und ist aufgrund dessen beim BKA beurlaubt. Um diese Schmach zu verarbeiten, kehrt sie zurück in ihren Heimatort und soll dort den letzten Fall ihres ...
Caro König hat ganz tief ins Fettnäpfchen getreten und ist aufgrund dessen beim BKA beurlaubt. Um diese Schmach zu verarbeiten, kehrt sie zurück in ihren Heimatort und soll dort den letzten Fall ihres Vaters aufrollen. Der Täter von damals will endlich reinen Tisch machen. Wenn Caro denkt, dass sie leichtes Spiel mit ihm hat, so hat sie sich getäuscht. Denn der Mörder inszeniert die Suche nach der Wahrheit als Schnitzeljagd, deren Fährte tief in der Vergangenheit beginnt und bis in die Gegenwart reicht...
Sandra Halbe hat mit "Wittgensteiner Schatten" einen exzellenten Regio-Krimi vorgelegt, der den Leser mit einem erschütternden Verbrechen an die Seiten kettet. Das Aufrollen des alten Falles wühlt nicht nur beim Täter die Gefühle auf, sondern lässt auch bei Caro alte Narben wieder aufbrechen und bringt Emotionen zum Vorschein, gegen die sie sich lange gewehrt hat.
Die Autorin zeichnet ein hervorragendes Portrait des Täters, der, trotz seiner Skrupellosigkeit, ein unglaubliches Charisma besitzt und man fängt schon nach wenigen Kapiteln an, ihn sympathisch zu finden und ihm zuzuhören. . Denn das, was der Mörder in kryptischen Hinweisen von sich gibt, zeigt nach und nach den Weg eines Martyriums auf, der die Leserschaft emotional unglaublich mitnimmt. Mitgefühl, Wut und Verständnis, aber auch Fassungslosigkeit und echtes Interesse am Schicksal des Täters lassen den Leser umdenken und man versteht nach und nach, warum der Häftling sich zu solchen Taten hat hinreißen lassen.
Sandra Halbe kratzt nicht nur an der Oberfläche, sondern geht mit ihrer Geschichte ganz tief in die Psyche ihrer Figuren, um dem Leser die Reise in die Vergangenheit mit all ihren Grausamkeiten zu ermöglichen und so die Beweggründe nachvollziehbar zu machen. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal meine vorgefertigten Denkweisen abwerfen und mich auf die Seite des Täters schlagen würde. Denn es ist nicht immer alles schwarz oder weiß, es gibt auch so viel Schatten dazwischen, die , wenn man sich die Mühe macht, das bestehende Schubladendenken auflösen und den Blick hinter die Fassade ermöglichen und auf das Wesentliche richten.
Der Fall ist spannend und sehr komplex angelegt, sodass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Es geht ein regelrechter Sog von der Handlung aus, der einen immer tiefer in die menschlichen Abgründe hineinzieht. Die Ermittlungen sind, dank Schnitzeljagd im Wittgensteiner Land, sehr abwechslungsreich und regen dazu an, eigene Überlegungen anzustellen, Hinweisen nachzugehen und so den Fall selbst zu lösen.
Caro entwickelt sich im Verlauf des Buches zu einer echt taffen Polizistin, die unglaublich viel auf dem Kasten hat und die ihr Handwerk versteht. Die angeschlagene Beziehung zu ihrer Mutter darf wieder neu erblühen und die Autorin zeigt auch hier, dass es nie zu spät ist, aufeinander zuzugehen und mit ein bisschen Verständnis für den Menschen gegenüber eine kaputte Beziehung zu kitten.
Das Ende birgt noch manch Überraschung und ist noch ein zusätzliches I-Tüpfelchen, das den Regio-Krimi perfekt abrundet.
Ein toller Start von Caro in Bad Laasphe, der Lust auf mehr macht.