Großartig aufregende Achterbahn der Gefühle zwischen prickelnden Funken und verblüffenden Wendungen
Zugegeben, anfangs hatte ich doch etwas Angst davor: Marah Woolfs erstes Buch, welches in einem Verlag veröffentlicht wurde. Und es wurde in den Medien ziemlich gepusht. Ich kenne alle Bücher der Autorin ...
Zugegeben, anfangs hatte ich doch etwas Angst davor: Marah Woolfs erstes Buch, welches in einem Verlag veröffentlicht wurde. Und es wurde in den Medien ziemlich gepusht. Ich kenne alle Bücher der Autorin und bin immer wieder fasziniert davon, wie großartig raffiniert sie das Spiel des Gefühls-Pong-Pong beherrscht. Als großer Marah Woolf Fan war dieses Buch natürlich ein absolutes Muss, und was soll ich sagen - sie hat mich mal wieder total begeistert!
Das Cover:
Zugegeben, das Cover erschlägt mich ein bisschen. Es wurden verschiedene Schriftarten eingesetzt, und diese auch großflächig über die gesamte Seite verteilt. Außerdem liegen viele ornamentale Ebenen übereinander. Das Porträt ist hübsch, obwohl für mich das eher eine reifere Frau ist, als eine junge Erwachsene. Die Augen sind sehr intensiv, aber der Blick auch etwas lasziv. Die Augen wären wahrscheinlich besser heraus gekommen, wenn das Wort "liebe" nicht ganz so prägnant auf der Stirn platziert wäre. Das Besondere aber an dem Cover ist, dass es aus einem geriffelten Strukturpapier besteht, und nur der Satz „liebe mich nicht“ in Blindprägung einen Glanzlack erhalten hat. Das macht das ganze Cover ziemlich edel und ich habe das Buch tatsächlich ehrfürchtig in den Händen gehalten. Ja, ich bin beeindruckt. Im Buchhandel wäre ich auf jeden Fall magnetisch angezogen worden. Und ja, ich finde es etwas zu kitschig - aber wer hat behauptet Kitsch wäre doof?
Die Handlung:
Die beiden besten Freundinnen Jessica und Robyn wollen ihre letzten gemeinsamen Sommerferien mit ihren Freunden Cameron und Josh in einem 6 wöchigen Feriencamp verbringen. In dem Camp lernen sie zudem Athene, Apoll und Cayden kennen, jedoch wissen sie nicht, dass die drei Götter sind. Auch nicht der Grund ihrer Anwesenheit, der Wettstreit zwischen Zeus und Prometheus, der sich auf der Erde den menschlichen Namen Cayden gegeben hat. Diese Aufgabe, die Prometheus erledigen muss, um seinen sehnlichsten Wunsch endlich sterblich zu werden, stellt die Freundschaft zwischen den beiden Mädchen auf eine harte Probe. Denn erst, wenn ein von Athene gewähltes Mädchen seiner Verführung widerstehen kann, wird Zeus ihm seinen Wunsch erfüllen. Und dafür hat Prometheus nur alle 100 Jahre 3 mal die Chance. Obwohl sich Jess geschworen hat, sich nicht zu verlieben, muss sie sich eingestehen, dass sie Cayden verfallen ist. Aber sein zwiespältiges Verhalten treibt sie fast in den Wahnsinn.
Was mir nicht so gut gefallen hat:
Die Handlung ging mir zu Beginn ein bisschen zu zäh los. Nach nicht ganz 200 Seiten steigt die Spannung erst ein bisschen. Über die Zwischeneinschübe von Hermes bin ich mir nicht so sicher, ob sie mir wirklich gefallen. Sie verraten dann doch teilweise zu viel, was der Leser sich aber eigentlich schon denken konnte. Manchmal sind sie gut, manchmal empfinde ich sie als überflüssig.
Was mir gut gefallen hat:
Trotz leichten Startschwierigkeiten hat die Spannung und der Handlungsbogen dann aber stetig zugenommen. Vor allem das Wechselbad der Gefühle geht immer mehr auf Achterbahnfahrt! Ab da hatte es mich dann gepackt und ich konnte das Buch nicht mehr zur Seite legen. Grandios, wie raffiniert Marah Woolf mal wieder mit den Gefühlen der Protagonisten und des Lesers spielt! Ich bin total von den Socken. Ich liebe es, wenn das Protagonisten-Pärchen sich nicht sofort findet und sich durch den ganzen Roman schlappernd aneinander hängt.
Ich konnte mir die Figuren wunderbar vorstellen. Josh und Apoll hatte ich sofort in mein Herz geschlossen, Leah und Athene waren mir von Anfang an sympathisch, sowie mir die heimlichen Beschützer sehr gefallen haben. Robyn mit ihrer arroganten Art konnte ich von Beginn an nicht leiden und der Verlauf der Geschichte bestätigte nur meine Meinung über sie. Sie hat einen Wandel durchgemacht, den ich nicht gehofft, aber leider erwartet hatte. Aber wer weiß, ob da nicht jemand seine Finger im Spiel hatte...
Auch wenn man als Leser besser als Jess informiert ist, tat sie mir unheimlich leid. Nicht nur wegen Cayden, sondern auch wegen der bröckelnden Freundschaft mit Robyn. In Jess konnte ich mich immer sehr gut einfühlen. Sie war zwar manchmal etwas naiv und auch teilweise dickköpfig, aber das hat sie mir trotzdem sympathisch gemacht. Sie macht auch im Laufe der Handlung eine interessante Wandlung durch. Zunächst ist sie eher das arme Hascherl, das im Schatten ihrer Freundin Robyn steht. Von jeglichen Phobien gebeutelt und aus einem traurigen Elternhaus, vom Vater verlassen, die Mutter Alkoholikerin, beginnt sie doch immer mehr Selbstbewusstsein aufzubauen.
Cayden - tja, der Titanensohn, der ebenso göttlich arrogant aber auch leidenschaftlich sein kann. Da sägt aber jemand gewaltig an Cassians Thron des bockigsten und launischsten Wesen in der Fantasy-Welt. Ich bin super begeistert, wie Marah das wieder geschafft hat. Ich bin mir auch sicher, dass die Autorin Cayden bewusst so ambivalent und ungreifbar erscheinen lies. Und es versüßt mir auch die Wartezeit auf FederLeicht 5. Sie schafft es auch die Figuren so bildlich auszuformen, ohne auf das „göttliche“ Aussehen herum zu reiten, und ohne ständig den "besonderen Duft" und die "harte Brust" pausenlos zu erwähnen. Auch baut sie immer wieder einige überraschende Momente ein - und kaum denkt man, "okay, jetzt ist alles klar" - ZACK - ist gleich wieder alles anders und selbst mein Herz ist dabei gebrochen. Kaum schlägt das Buch prickelnde Funken - ZACK - zerfließt man in Jess’ Verblüffung und Trauer.
Der Schreibstil ist wie immer unglaublich leicht, flüssig aber bildhaft und vor allem auch charmant witzig. Ich habe immer wieder herzlich gelacht! Ich sage nur: „Schieb deinen Hintern doch einfach zur Seite, du blöde Tussi. Dann hat Leo auch noch Platz auf der fucking Holztür. Beim Ertrinken muss man nicht erster Klasse reisen.“ (S. 399, Gebundene Ausgabe 2017). Flotte Sprach-Scharmützel wechseln sich immer wieder mit Funken schlagenden Momenten ab, ... lasst Euch überraschen!
Und trotzdem gibt es einige sehr schöne philosophische Stellen, die einem doch auch zu denken geben. Besonders berührt hat mich die Unterhaltung zwischen Jess und Zeus über das Gut und Böse. Da schwingt auch ganz viel Kritik an unsere heutige Zivilisation mit. Dass wir dabei sind, uns selber zu zerstören und es dafür eigentlich keine göttliche Apokalypse benötigt. Mir gefällt auch, dass Jess die Besonderheit nicht schulterzuckend annimmt, sondern sich darüber lange den Kopf zerbricht und versucht sich dafür eine realistische Erklärung zu schaffen - die gar nicht so abwegig sein könnte.
Die Autorin flechtet auch immer sehr gekonnt und dezent die Geschichte der griechischen Mythologie ein, ohne langweilig oder belehrend zu werden. Ich konnte alles wunderbar nachvollziehen und verstehen, ohne der große Mythologie-Checker zu sein. Großartig - es hat mich sehr fasziniert!
Mein Fazit:
Man muss es einfach mögen, das Hin und Her, der „Eiertanz" der Gefühle, das permanenten Abreisen der Gänseblumen-Blütenblätter „Er liebt mich - er liebt mich nicht“. Ansonsten sollte man dieses Buch erst gar nicht lesen. Wer Marah Woolf kennt, und weiß, wie prickelnd sie dieses Spiel auf die Spitze treiben kann, dem wird dieses Buch gefallen. Ja, es werden die gängigen Klischees bedient, aber ansonsten bräuchte ich das Buch gar nicht lesen, wenn ich das nicht mögen würde. Und ich liebe es! Trotz Cliffhanger - der ganz schön gemein ist.