Kurzweilig, unterhaltsam, aber letztlich nur wenig über dem Durchschnitt
Die Romane von Ursula Poznanski sind mir natürlich schon öfter ins Auge gefallen - sei es im Internet oder im Buchladen -, gekauft hatte ich mir aber noch keins. Dank eines Gewinnspiels konnte ich nun ...
Die Romane von Ursula Poznanski sind mir natürlich schon öfter ins Auge gefallen - sei es im Internet oder im Buchladen -, gekauft hatte ich mir aber noch keins. Dank eines Gewinnspiels konnte ich nun "Cryptos" lesen.
"Cryptos" spielt in einer dystopischen Zukunft. Die Klimakatastrophe wurde von der Menschheit nicht aufgehalten. Die Erde ist größtenteils unbewohnbar. Die Menschen leben in kleinen Boxen und flüchten sich in virtuelle Welten. Jana ist eine Weltendesignerin, schafft also einige der virtuellen Welten, in die sich die Menschen flüchten. Als jedoch in ihrer von ihr geschaffenen Lieblingswelt ein Mord geschieht, der ganz reale Auswirkungen hat, wird eine Ereigniskette in Gang gesetzt, in deren Mittelpunkt Jana steht.
"Cryptos" richtet sich vor allem an jugendliche LeserInnen, ist meines Erachtens aber durchaus auch für Erwachsene geeignet. Jugendliche werden - so meine Vermutung - allerdings dem Buch etwas mehr abgewinnen können als Erwachsene.
Anfangs musste ich mich an den Schreibstil gewöhnen. Poznanski hat die Ich-Perspektive gewählt und erzählt im Präsens. Die Sätze sind nicht übermäßig lang. Mir war der Stil anfangs zu nüchtern. Trotzdem wurde ich schnell in die Geschichte hineingezogen. Jana ist eine sympathische Protagonistin und die im Buch beschriebenen virtuellen Welten sind so anschaulich beschrieben, dass ich mich oft dorthin gesehnt habe.
Natürlich ist nichts übermäßig originell. Alles im Roman basiert auf dem Wissen, das wir bereits haben, auf Technologien, die uns bereits bekannt sind oder auf Ideen, die bereits in anderen Romanen thematisiert wurden. Poznanski ist keine Visionärin. Das muss sie aber auch nicht sein. Gerade DASS sie sich auf bereits vorhandenes Wissen bezieht, macht vieles in dem Roman glaubwürdig und um so erschreckender. Insbesondere die reale Welt, die sie beschreibt, entspricht in etwa dem, was Klima-Wissenschaftler prognostizieren. Poznanskis Verdienst ist es, dies für Jugendliche nachvollziehbar aufzubereiten.
Dennoch ergibt sich insgesamt eine runde Geschichte. Und um eine gute Geschichte zu erzählen, muss es nicht immer gleich super-duper originell sein.
Da Jana die Erzählerin ist, fallen einige Spannungselemente fort. Es stellt sich in manchen Situationen zum Beispiel nicht die Frage, ob sie überlebt, sondern wie sie es schafft, aus der Situation herauszukommen. Trotzdem gab es einige spannende Momente, in denen ich ordentlich mitgefiebert habe. Außerdem lädt das Buch dazu ein, mitzurätseln. Auch wenn geübte LeserInnen einiges relativ früh erahnen und/oder erraten können, bietet das Buch zum Ende hin einige Überraschungen.
Mir hat "Cryptos" weitestgehend gefallen. Jugendliche mit einer Vorliebe für Rätsel, fremde Welten und Dystopien werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Freude haben.
Es gibt allerdings auch einige Punkte, die mich etwas gestört haben:
Es ist mir vor allem unverständlich, weshalb Diversität überhaupt keine Rolle spielt. Klar, die virtuellen Welten sind prächtig gestaltet. Es gibt dort verschiedenste Wesen. Aber mir ist im Roman alles zu einheitlich - insbesondere auch in der realen Welt. Gerade hier hätte Poznanski wesentlich mehr herausholen können, was ihre Charaktere angeht. Für mich ist es ein großes Versäumnis.
Zudem - das hatte ich bereits an anderer Stelle erwähnt - hält sich die Spannung in Grenzen. Gerade das große Finale leidet sehr darunter, dass die LeserInnen nicht richtig mitfiebern (können).
Alles in allem ist "Cryptos" unterhaltsam, ohne Frage, aber Poznanski bietet im Kern gut präsentierte Durchschnittsware und verschenkt sehr viel Potenzial nach oben.