In sich eingeschlossen
GhostingErschreckende Schilderung einer digitalisierten Gesellschaft, die sich entliebt und mehr oder weniger unbewußt Gefühlskälte wird. Wichtig!
Man dachte, dass das Internet, ja, die Digitalisierung das Leben ...
Erschreckende Schilderung einer digitalisierten Gesellschaft, die sich entliebt und mehr oder weniger unbewußt Gefühlskälte wird. Wichtig!
Man dachte, dass das Internet, ja, die Digitalisierung das Leben einfacher machen würde. Denkste! Es macht es einfacher, unverbindlich zu sein und zu entmenschlichen. Menschen werden zur x-beliebigen Ware. Auf Gefühlen wird herumgetrampelt. Menschen werden Gefühlskrüppel.
Verlernen wir, Beziehungen zu führen? In "Ghosting" wird plastisch vorgeführt, was es mit einem Menschen macht, wenn einer sang- und klanglos verschwindet, von heute auf morgen. Manchmal nur virtuell, oft aber leider auch real. Die Verlassenen werden traumatisiert und selber zunehmend dadurch beziehungsunfähiger, bis sie selber eventuell ghosten.
Warum ist keiner mehr bereit, klassische Beziehungsarbeit zu leisten? Warum rennen Leute schreiend davon, wenn sie dieses Wort hören?
Optimieren in allen Lebensbereichen, nur das beste, bist du nicht gut genug, warum auch immer, weg mit dir! Kein Wunder, dass wir immer mehr vereinsamen.
Tina Solimans Buch ist eine gute Mischung. Neben ihrem eigenen Text zitiert sie Philosophen und Psychologen unter anderem und läßt Ghoster und Geghostete zu Wort kommen. Die Analyse ist sehr tiefgründig und aussagekräftig. Es ist außerordentlich interessant und erschreckend, welchen Schaden Ghosting anrichtet bis hin zu Traumata und körperlichen Auswirkungen.
Der Schreibstil ist klar und verständlich, nicht verschwurbelt oder abgehoben und sinkt tief in die Gedanken ein. Die Autorin formuliert pointiert und engagiert. Dieses Buch ist immens wichtig, weil unsere Gesellschaft auf dem besten Weg ist, emotional derart zu verarmen und zu verrohen.
Materialismus auf Menschen anzuwenden, als wären sie Ware, die man umtauschen kann, wird noch schlimme Folgen für uns alle haben. Ein Buch, das betroffen macht und einen nicht kalt läßt.