Nur fünf Monate nach "Goddess of Poison - Tödliche Berührung" lag auch diese Fortsetzung in meinem Briefkasten und ich war sofort hin und weg. Das Cover ist unglaublich schön, weshalb ich das Buch noch am gleichen Tag anlesen wollte. Aus 20 Seiten sind dann aber ganz schnell 100 geworden und mein ursprüngliches Buch musste ich erstmal ein paar Tage abbrechen. Das lag zum einen daran, dass im Prolog die "wichtigste" Sage der drei Königreiche wiederholt wird und den Leser so sofort fesselt, und zum anderen, kaum Erinnerungen an den Vorgänger benötigt werden. Die Katastrophe ist eingetreten, der Schlafende Prinz ist erwacht und König Merek und sein Reich sind ihm bereits zum Opfer gefallen. Das Buch wird also aus der Sicht einer ganz anderen Protagonistin erzählt und ich könnte mir gut vorstellen, dass es auch ganz ohne Vorkenntnisse, losgelöst lesbar wäre.
Errin lebt in Tregellan und als erstes ist mir aufgefallen, wie stark sich dieses Land von Lormere unterscheidet. Ein Rat regiert und die Bevölkerung glaubt vorrangig an die Wissenschaft und Vernunft. Trotzdem werden die Geschichten aus Band 1 ausgebaut, denn wenn eine fünfhundert Jahre alte Mythengestalt auferstanden und benachbarte Landstriche komplett in Schutt und Asche zerlegt hat, kehren auch unkonventionelle Menschen zurück zu ihren Wurzeln. Die düstere Märchenatmosphäre war somit nahezu perfekt, auch wenn ich zugeben muss, dass ich nicht immer alles verstanden habe. Die Erzählungen rund um Aurek, Aurelia und ihren Nachfahren haben meiner Meinung nach noch einige Lücken, die ich mir selbst zusammenreimen musste. Natürlich ist es nicht schlecht, wenn der Leser auch mal gefordert wird, aber manchmal hätte ich mir einfach gewünscht, dass Errin die entscheidenden Fragen stellt. Ich denke aber, dass wir hier auf Besserungen in Band 3 hoffen können.
Auch Errin selbst ist ganz anders als Twylla. Sie ist ein einfaches Mädchen aus dem Volk und hält sich mit dem Verkaufen von harmlosen Heilkräutern bis hin zu tödlichen Giften über Wasser. Ihre Mutter hat eine außergewöhnliche Krankheit, wodurch wirklich Spannung aufkommt, denn man weiß nie, was ihr als nächstes passieren wird. Melinda Salisburys Schreibstil ist dabei sehr flüssig, aber das wirklich Besondere sind die Rückblicke, die sie immer wieder einbaut. Der Leser kann Errin unglaublich schnell kennenlernen und nachvollziehen, wie sie so geworden ist, wie sie nun mal ist, da es Sprünge zurück zu den prägnantesten Szenen ihrer Kindheit gibt. Dieses Schreibprinzip ist meiner Meinung nach richtig genial.
Neben Errin gibt es eigentlich nur noch einen wichtigen Charakter. Silas lebt in ihrem Dorf und rettet sie immer wieder aus der Not. Ihn umgibt bis zum Ende eine geheimnisvolle Aura, was zwar weiter Spannung aufbaut, ihn aber auch sehr undurchschaubar macht. Ehrlich gesagt konnte ich nicht ganz nachvollziehen, was Errin so anziehend an ihm findet. Alle anderen Charaktere spielen nur kurzzeitig eine Rolle, aber besonders als ein paar aus Band 1 aufgetaucht sind, habe ich mich wirklich gefreut. Ich will nicht verraten, wen der Leser wiedertreffen darf, aber es gibt ein paar tolle Heldenmomente.
Insgesamt muss ich trotzdem sagen, dass mich der Vorgänger mehr begeistern konnte. Das royale Feeling fehlte mir ein wenig, da Errin und Silas durchs Land reisen und sich nur in Wäldern, Höhlen und schmutzigen Hütten aufhalten. Es gibt keine prunkvollen Bälle, Palastintrigen oder politische Machtspielchen. Außerdem empfand ich manche Entwicklungen als einen Tick zu langsam und vorhersehbar. Ab und an habe ich mich einfach an andere Jugendbücher erinnert gefühlt, dabei war Band 1 eines der originellsten Bücher, das ich je gelesen habe. Das Ende und besonders der Prolog haben es dann aber wieder richtig in sich, sodass ich nun auf den finalen Band der Trilogie hinfiebere.
Fazit:
Dies ist eine typische Fortsetzung, die durchaus gut ist, aber nicht so auftrumpfen kann wie sein Vorgänger. Es gibt einfach ein paar kleine Schwächen, die für sich genommen überhaupt nicht schlimm wären, aber zusammen zum Abzug eines Sternes führen. Die Erklärungen rund um den Schlafenden Prinz und seine Erben hätten etwas ausführlicher sein können, der männliche Hauptprotagonist charakterstärker und die Handlungen origineller. Trotzdem gebe ich eine große Leseempfehlung, denn die gefährliche Märchenatmosphäre und das Schreibprinzip machen dieses Buch ganz besonders. Ich fühlte mich durchgängig gut unterhalten und freue mich nun auf Band 3.