Tiefgründiger, wundervoll warmherziger Roman
Bären füttern verbotenINHALT
Sydney Smith ist Freerunnerin, doch an einen Ort wollen ihre Füße sie einfach nicht mehr tragen: nach St. Ives an der Küste Südenglands. Als sie an ihrem 47. Geburtstag endlich den Aufbruch dorthin ...
INHALT
Sydney Smith ist Freerunnerin, doch an einen Ort wollen ihre Füße sie einfach nicht mehr tragen: nach St. Ives an der Küste Südenglands. Als sie an ihrem 47. Geburtstag endlich den Aufbruch dorthin wagt, wird sie nicht nur mit dem schmerzhaftesten Moment aus ihrer Vergangenheit konfrontiert, sondern auch mit einer Reihe skurriler Menschen: Zahntechnikerin Maria backt Muffins mit heilenden Kräften, Buchhändler Dexter ist mit der Liebe durch und trägt manchmal gerne Kleider, und Belle wohnt mit Ende zwanzig noch immer bei ihren Eltern, trägt »Ich ♥ Otter«-T-Shirts, und führt das Hängebauchschwein der Nachbarn aus. Sie alle eint die Frage, wer eigentlich bestimmt, wann unser Leben einen Sinn hat, und ihre Schicksale verweben sich zu einer tröstlichen Geschichte: über Hilfe, die man nur von anderen bekommt, und darüber, wie man weitermachen kann, wenn die eigene Welt sich nicht mehr dreht.
(Quelle: Mare Verlag)
MEINE MEINUNG
„Bären füttern verboten“ von der britischen Autorin und Psychotherapeutin Rachel Elliott ist ein ungewöhnlicher, aber sehr faszinierender und tiefgründiger Roman, der mich mit seiner eindringlichen Geschichte sehr bewegt und nachdenklich gestimmt hat und mich zugleich mit seinen herrlich skurrilen und humorvollen Episoden immer wieder zum Schmunzeln bringen konnte.
Sehr einfühlsam und kenntnisreich widmet sich die Autorin ernsten Themen wie dem Umgang mit Tod, Verlusten, Trauer, Schuld, Einsamkeit, häuslicher Gewalt und traumatischen Erlebnissen. Man spürt deutlich, dass Elliott ihre Berufserfahrungen in die Geschichte und ihre sehr authentisch wirkenden Charaktere hat mit einfließen lassen.
Trotz der recht melancholischen Grundstimmung hat mich diese wundervoll warmherzige Geschichte mit ihren faszinierend eigenwilligen Persönlichkeiten und dem sehr lebendigen, humorvollen und bildhaften Schreibstil schrittweise immer mehr in ihren Bann ziehen. Angesiedelt ist die Handlung in dem idyllischen, fiktiven Küstenstädtchen St. Ives in Cornwall - einem wundervollen, sehr atmosphärischen Setting für diesen Roman, das mich sehr begeistern konnte.
Großes erzählerisches Talent beweist die Autorin auch in ihrer multiperspektivischen Handlungsführung, die durch die raschen Perspektivwechsel anfangs zwar etwas gewöhnungsbedürftig ist, im weiteren Verlauf aber ihren ganz besonderen Charme entwickelt. Die Autorin erzählt ihre vielschichtige Geschichte nicht chronologisch und linear, sondern aus wechselnden Perspektiven und mit vielen Rückblicken. Doch auch ohne spezielle Kennzeichnung der unterschiedlichen Sichtweisen, fällt es nicht schwer, diese den verschiedenen Charakteren zuzuordnen. Sehr kunstvoll hat die Autorin die Schicksalswege ihrer Figuren in den einzelnen Erzählsträngen miteinander verwoben. Äußerst ungewöhnlich ist es, dass sie bisweilen auch die Sicht der Verstorbenen mit einbezieht und uns sogar an den herrlichen Kommentaren eines sehr liebenswerten, cleveren Hunds teilhaben lässt, der sich seine ganz eigenen, weisen Gedanken zu den Eigenheiten der Menschen um ihn herum macht und ihre Stimmungen erschnuppern kann. Die rasch aufeinanderfolgenden Perspektiv- und Zeitwechsel machen die Geschichte sehr lebendig und sorgen für einen subtilen Spannungsaufbau.
Gekonnt erweckt die Autorin ihre sehr unterschiedlichen und mitunter recht ungewöhnlichen Charaktere zum Leben, die sie allesamt sehr einfühlsam, lebensecht und psychologisch tiefgründig ausgearbeitet hat. So gewährt sie uns eindrückliche Einblicke in die Vergangenheit und persönlichen Hintergrundgeschichten ihrer facettenreichen Figuren und leuchtet deren Ecken und Kanten sowie inneren Abgründe aus.
Schrittweise und aus wechselnden Perspektiven enthüllt Rachel Elliott die Lebensgeschichten von höchst unglücklichen Menschen, die in ihrem Schicksal gefangen und mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen haben. Ob nun die faszinierende Protagonistin Sydney, die ihr ungestümes Wesen als „Freerunnerin“ auslebt, nach 40 Jahren an den Ort ihres Kindheitstraumas - dem frühen tragischen Tod ihrer Mutter - zurückkehrt, um sich endlich ihrer Trauer, ihren übergroßen Schuldgefühlen und Verlustängsten zu stellen. Oder ihr Vater Howard, der nicht loslassen kann, sich nach dem Tod seiner geliebten Frau in selbstgewählter Einsamkeit eingerichtet und mit ungerechten, hasserfüllten Gefühlen zu seiner Tochter zu kämpfen hat. Oder auch die herzensgute Maria, die in einer unglücklichen, toxischen Ehe gefangen ist, unfähig einen Neubeginn zu wagen …Sie alle sind wundervolle Charaktere, die einem ans Herz wachsen und denen man von Herzen wünscht, dass sie einen Weg finden, die belastende Vergangenheit hinter sich zu lassen, Hilfe anzunehmen und das Leben selbst neu zu gestalten.
Trotz der melancholischen und oft nachdenklich stimmenden Geschichte, die um Tod, Trauer, Verlust und Schuld kreist, ist es der Autorin hervorragend gelungen, einen wundervoll einfühlsamen und sehr warmherzigen Roman zu schreiben, in dem viel Leichtigkeit, Hoffnung und Humor mitschwingt. Der sehr versöhnlich stimmende, hoffnungsvolle Ausklang rundet diese außergewöhnliche Geschichte ab.
FAZIT
Ein tiefgründiger, warmherziger und nachdenklich stimmender Roman – der mich mit seinen eigenwilligen Charakteren und seiner skurrilen, melancholischen Geschichte sehr fasziniert hat! Sehr lesenswert für alle, die ein besonderes Lesererlebnis und eine multiperspektivische Handlungsführung mögen.