Gleich einmal vorab: Das Buch ist bereits 2015 unter dem Titel „Thailandeiland“ erschienen.
In einem Baggersee werden die Leichen zweier junger Frauen, die an einen Grabstein gefesselt sind, gefunden. Mit den Worten
»Hey, Fritz, jetzt keine Geschichten. Es sind zwei Morde passiert. Zwei tote Mädchen. Wahrscheinlich aus Thailand. Mit Rubinen oder so was im Ohr.« holt KHK Martha Kieninger vom LKA München ihren als „Silikon-Fritz“ bekannten „Hilfssheriff“ und Berater, den Mineraloge und Geophysiker Fritz Sperber, aus seinem beruflichen Desaster. Sperber hat vor einiger Zeit zur Lösung eines komplexen Kriminalfalls („Bayerisch Kongo“) beigetragen. Aufgrund seiner Kenntnis zu Rubinen und anderem Gestein ist er wieder eine willkommene Hilfe, auch, wenn er nach wie vor mit der Hierarchie und dem Bürokratismus des Polizeiapparates so seine liebe Not hat. Doch wer, wenn nicht er, kann diesen Fall lösen?
Die Überraschung ist groß, als sich herausstellt, dass es sich bei den beiden Leichen um Katoeys handelt, wie Transgender in Thailand genannt werden.
Die Rubine im Ohr bzw. in der Faust des Toten sind von herausragender Qualität namens „Taubenblut“ und stammen aus der Mine von Mogok, wie Sperber schnell herausfindet. Die Spur führt zu einem Wiener Edelsteinhändler.
Doch welche Rollen spielen der thailändische Guru und der bayerische Staatssekretär samt seiner Schwester, einer Nonne? Welche Geschichte verbindet diese höchst unterschiedlichen Menschen?
Meine Meinung:
Mit diesem fesselnden Krimi nimmt Lutz Kreutzer die Doppelmoral in Bayern aus Korn. Raffiniert hält er der etablierten Gesellschaft ihre Scheinheiligkeit vor Augen. Der Autor geht aber noch einen Schritt weiter und greift zum Stilmittel der größtmöglichen Konfrontation. Als Gegenpol zu den hübschen, grazilen Katoeys bringt er die „Burrneshas“, die albanischen »eingeschworene Jungfrauen«, ins Spiel. Als solche werden albanische Mädchen bezeichnet, die in ihrer Familie und in der Gesellschaft die Rolle eines Mannes übernimmt und dabei völlig auf sexuelle Beziehungen, Ehe und Kinder verzichtet. Die Frau legt vor den Ältesten der Gemeinde oder des Stammes einen Schwur ab und wird fortan als Mann behandelt. Sie trägt Männerkleidung und Waffen und kann die Position des Familienoberhaupts übernehmen.
Als Antagonist zu den grazilen, hübschen Katoeys taucht ein Killer der albanischen Mafia auf, der als Männer in Frauenkleider hasst. Erst am Ende des Krimis wird dies bravourös aufgelöst. Der Leser schwankt bei diesem zutiefst verstörten und verletzten Mann zwischen Abscheu und Mitleid. Das ist sehr selten.
Ob Nonnen oder Ladyboys, Politiker, Priester oder Scheinheilige aller Art - alle Figuren sind wunderbar gezeichnet. Der Leser kann sich den zwitschernden Katoey ebenso gut vorstellen, wie die geifernde Nonne.
Die Handlung ist spannend und führt Fritz Sperber auch nach Wien, wo er am Wiener Westbahnof ankommt, sein Kollege vom LKA Wien aber am Hauptbahnhof, der einstmals als Südbahnhof bekannt war, wartet. Herrlich diese Wortspielereien zu den Bahnhöfen, die auch in Wirklichkeit bei Bahnreisenden für Verwirrung sorgt.
Dieser Krimi schreit förmlich nach einer Verfilmung. Allein die Schilderung, wie die beiden späteren Mordopfer mit einem Taxi durch Bayern fahren und nach einem geeigneten Ort für das Etablissement ihres Gurus Nuh Poo Tubkim suchen, ist herrlich. Ohne jede Sprachkenntnis lassen sie Dr. Google die Ortstafeln wie Rosenheim übersetzen bis das Smartphone bei Tuntenhausen das Wort „Katoye“ auswirft. Die beiden, beinahe esoterischen Schönheiten zwischen den Lederhosen tragenden Männern sind schon eine rechte Augenweide.
Schmunzeln musste ich auch über die Kamele - aber das lest bitte selbst.
Fazit:
Ein fesselnder Krimi, der auch einiges an Wissen vermittelt und mich gut unterhalten hat. Dafür gibt es wieder 5 Sterne.