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Veröffentlicht am 02.11.2022

Äußerst hilfreicher Ratgeber

Stachlige Eltern und Schwiegereltern
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Jörg Bergers praxisnaher Ratgeber über "stachlige Eltern und Schwiegereltern" ist die beste Lektüre, die man leidgeplagten erwachsenen Kindern an die Hand geben kann. Mit vielen realen Beispielen und Ratschlägen ...

Jörg Bergers praxisnaher Ratgeber über "stachlige Eltern und Schwiegereltern" ist die beste Lektüre, die man leidgeplagten erwachsenen Kindern an die Hand geben kann. Mit vielen realen Beispielen und Ratschlägen für verschiedene Situationen versucht der Psychologe dem Leser oder der Leserin Hilfe für angeknackste Familienbeziehungen zu geben.
Eingeteilt ist das Buch in Kapitel zu verschiedenen Arten von schwierigen Eltern. Es geht um Tipps für den Umgang mit beispielsweise bestrafenden, einschüchternden oder grenzüberschreitenden Eltern. Am Anfang jedes Kapitels findet man eine Checkliste anhand derer man überprüfen kann, ob dieses Kriterium ganz oder teilweise auf die persönliche Situation zutrifft. Danach folgen teils reale Situationen, die der Autor aus seinen vielen Jahren als Therapeut sammeln konnte, vielleicht auch fiktive Figuren. An diesen problematischen Szenen erklärt Berger, wie die "Kinder" sich selbst am besten daraus retten können. Welche Taktik sinnvoll ist oder womit sie sich eventuell auch abfinden müssen.
Sehr hilfreich sind die tatsächlich ausformulierten Beispiel-Antworten, die einem direkt ein Gefühl dafür geben, wie genau man auf bösartige Aussagen der Eltern reagieren könnte. Oft findet man in anderen Bücher an dieser Stelle nur vage Andeutungen in die eine oder andere Richtung aber selten so handfeste Formulierungen.
Mit Sicherheit wird jedem Leser und jeder Leserin mindestens eine der Beispiel-Situationen bekannt vorkommen, die man bisher vielleicht noch gar nicht als übergriffig oder beleidigend wahrgenommen hat. Von daher ist der Ratgeber bereits für diese Erkenntnis eine lohnenswerte Investition.
Als Fazit bleibt diesmal eher eine Frage stehen: hast du dir jemals gedacht, dass die Beziehung zu deinen Eltern oder Schwiegereltern nicht so harmonisch ist, wie du es dir wünschst? Dann gibt dir dieses Buch mit Sicherheit Hilfestellung und Lösungsansätze.

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Veröffentlicht am 17.06.2022

Tradition oder Moderne, wer gewinnt gegen den Berg?

Vom Gehen und Bleiben
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"Der große Mocken hat dich ganz schön erschöpft, hm, tgigl? Stell dir nur vor, wie anstrengend so ein Bergsturz sein muss, du tust dir doch nur selbst weh. Bleib, wo du bist."

Denkt sich Ria, eine Bäuerin ...

"Der große Mocken hat dich ganz schön erschöpft, hm, tgigl? Stell dir nur vor, wie anstrengend so ein Bergsturz sein muss, du tust dir doch nur selbst weh. Bleib, wo du bist."

Denkt sich Ria, eine Bäuerin und junge Mutter aus dem schweizerischen Dorf Vischnanca, das von der zerstörerischen Kraft des benachbarten Piz Brunclia bedroht wird. Schon etliche Generationen ihrer Familie lebten im Dorf, der Berg kann sie nicht vertreiben.

Doch auch die neu zugezogene Familie aus Deutschland möchte ungern direkt wieder weg ziehen. Die Ingenieure kümmern sich schon darum.

In diesem Buch prallen Welten aufeinander. Tradition und Moderne, Bauern und Technik. Kann das gut gehen? Die LeserInnen werden mitgenommen in die Gedankenwelt der Dorfbewohner, alte und neue. Wie fühlen sie? Sind sie wirklich so verschroben und stur, was treibt sie an? Die eindrückliche Sprache der Autorin lässt die Menschen wirklich werden. Jeder neue erste Satz eines Kapitels bringt Bilder zum Leben, die manchmal fröhlich sind, oft bedrückend, meistens atmosphärisch. Die detaillierten Beschreibungen der Zustände lassen einen tief in die Materie eintauchen. Sind manchmal aber auch ein bisschen viel. Sie lassen die Handlung etwas stocken.

Petra Hucke geht das Thema Naturgewalt und Einfluss des Menschen recht pragmatisch an. Es wird nicht groß belehrt, aber aufmerksam gemacht. Sie lässt die junge Johanna in Social Media über den Berg berichten. Mit allen Höhen und Tiefen eines jugendlichen Lebens belastet ist dies keine leichte Aufgabe, wenn man kritische Menschen auf der Gegenseite hat. Dass man trotzdem etwas bewegen kann, bleibt am Ende stehen.

Auch die kleinen zwischenmenschlichen Tragödien der Dorfbewohner werden aufgegriffen und sind leitende Motive in der Geschichte. Lug und Betrug, Enttäuschung auf der einen Seite, aber auch Leidenschaft. Diese Episoden tauchen allerdings eher blitzlichtartig auf, sind also nicht tragendes Element. Ganz essentiell wird das Thema Zusammenhalt und Dorfgemeinschaft beleuchtet.

Eine Besonderheit des Buches ist die eingestreute Verwendung von Surmiran, einer Untergruppe des Rätoromanischen, der vierten offiziellen Sprache in der Schweiz. Wie bereits im Eingangszitat zu sehen. Dies belebt die Dialoge, macht sie sehr authentisch. Am Ende des Buches gibt es einen kurzen Abstecher mit Erklärungen, wie die Worte ausgesprochen werden und was einzelne Wörter bedeuten. Im Text ergeben sich die Bedeutungen meist.

Der Roman führt einem sehr deutlich vor Augen, was Heimat und Zugehörigkeit bedeuten kann. Heutzutage werden andere Kriterien angewandt als noch eine Generation vorher. Angenehm erschien mir, dass die Autorin keine Unterschiede im Bildungsstand vorgegeben hat, sondern vielmehr die Verbindung der Figuren zur Natur und Technik dargestellt hat und die daraus resultierenden Haltungen nachvollziehbar waren.

Fazit: Eine eindrucksvolle Geschichte, die gerade Stadtmenschen die Sicht auf das Dorfleben öffnet. Mit allen Vor- und Nachteilen. Wer die Berge liebt, wird das Buch in einem Rutsch lesen wollen. Wer allerdings große Spannung und tiefgreifende Beziehungsdramen erleben will, ist hier eher weniger gut bedient.

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Veröffentlicht am 22.11.2020

Ein Porträt einer verlogenen Zeit

Die goldenen Jahre des Franz Tausend
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Mit großen Erwartungen bin ich an das Lesen dieses Buches heran gegangen. Nach "Der Tag X" war dieser Roman das zweite von Titus Müller geschriebene und mir gelesene Buch. Und der erst genannte Roman hat ...

Mit großen Erwartungen bin ich an das Lesen dieses Buches heran gegangen. Nach "Der Tag X" war dieser Roman das zweite von Titus Müller geschriebene und mir gelesene Buch. Und der erst genannte Roman hat mich damals restlos begeistert. Wird es dieses hier auch schaffen?

Teils, teils

Eindringlich bewegt haben mich wieder die historischen Begebenheiten, die wunderbar spannend, nah an den Figuren bzw. tatsächlich existenten Menschen und somit lebendig vermittelt werden. Es wurde eine gute Mischung verschiedener Charaktere gewählt. Der Hochstapler Franz Tausend, der sich als Chemiker verkaufte, der berühmte Literat Thomas Mann, der pazifistische Journalist Carl von Ossietzky und zuletzt der ehrbare Polizist Heinrich Ahrndt.

Nach einem etwas holprigen Start durch das erste Kapitel, wurde ich bald in die Geschichte hinein gezogen. Fand mich stets wandelnd auf verschiedenen Wegen, was manchmal zu ein wenig Verwirrung führte. Ab und an habe ich mich gefragt, ob ein Handlungsstrang weniger für mehr Klarheit gesorgt hätte und gleichzeitig mehr Raum für Details gelassen hätte.

Perfekt für Leser, die wissen wollen was damals war

Die klare Stärke von Müllers Romanen, so auch hier, ist die historische Wiedergabe von Fakten im schicken, lesbaren Kleid. Ich liebe Bücher, die mir etwas Neues vermitteln und hier bekommt man so einiges geboten, was in der Weimarer Republik an Unrecht passierte.

Etwas unzufrieden war ich letztlich damit, dass Franz Tausend insgesamt eine eher untergeordnete Rolle spielte. Dafür, dass er groß auf dem Cover prangt, ist er nicht unbedingt die Figur, die mir nach dem Lesen besonders im Gedächtnis geblieben ist. Das war eher Carl von Ossietzky. Über seine Bedeutung und seinen Mut war ich bisher nicht im Bilde, das hat sich zum Glück nun geändert.

Fazit

Trotz einiger Abstriche durch abschweifende Nebenhandlungen und dadurch etwas verstrickte Geschichten, spreche ich eine klare Leseempfehlung für "Die goldenen Jahre des Franz Tausend" aus. Man benötigt sicherlich eine Portion Interesse für Politik und einen gesunden Gemeinschaftssinn, um mit den Figuren mitzuhalten, aber man wird mit einer vielfältigen und lehrreichen Geschichte um die Machtergreifung der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik belohnt, die einem aufzeigt, dass Unmenschlichkeit sich wiederholen kann, aber keineswegs sollte.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Was ist Gerechtigkeit?

Zwei für mich, einer für dich
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Dieses witzige Bilderbuch bringt schon den Kleinsten bei, was es heißt, gerecht zu handeln. Der Bär und das Wiesel streiten sich um drei Pilze. Wer bekommt den Dritten?

Mit handfesten Argumenten versuchen ...

Dieses witzige Bilderbuch bringt schon den Kleinsten bei, was es heißt, gerecht zu handeln. Der Bär und das Wiesel streiten sich um drei Pilze. Wer bekommt den Dritten?

Mit handfesten Argumenten versuchen sie sich gegenseitig zu überzeugen, warum genau sie es verdient haben, einen Happen mehr als der andere zu bekommen. Ganz wie im wahren Leben. Sicherlich eine Situation, die jedes Elternteil schon einmal erlebt hat.

Der Streit beginnt zu eskalieren. Doch dann taucht plötzlich der freche Fuchs auf und stiehlt den beiden einen Pilz. So wird ihnen die Grundlage für die Auseinandersetzung genommen und sie bemerken schnell, dass es sich gar nicht lohnt zu streiten.

Schade nur, dass das Buch nicht wirklich eine Lösung oder einen Kompromiss aufzeigt, sondern nur einen zufälligen Ausweg. Bär und Wiesel schaffen es nicht selbst, sich zu einigen. Das hätte ich besser gefunden.

Doch genau das können sie noch einmal versuchen, denn zum Nachtisch gibt es ebenfalls DREI Erdbeeren. Ob sie sich wieder in den Haaren liegen oder nicht, bleibt der Fantasie der Leser überlassen. Und hier sollte meiner Meinung dann auch die Besprechung des Buches mit dem Kind beginnen. Das Bilderbuch liefert also mehr eine Diskussionsgrundlage als eine ausgesprochene Lösungsstrategie. Gut einerseits, verlangt aber andererseits auch Nachbereitung.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Toll für alle werdenden Geschwisterkinder

Plötzlich war ein Wuckel da
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Schöne und lehrreiche Kinderbücher sind mit immer mehr ein Anliegen, seit ich selbst Mama geworden bin. Auch wenn meine Tochter noch zu klein ist für wirkliche Geschichten, bin ich schon auf der Suche ...

Schöne und lehrreiche Kinderbücher sind mit immer mehr ein Anliegen, seit ich selbst Mama geworden bin. Auch wenn meine Tochter noch zu klein ist für wirkliche Geschichten, bin ich schon auf der Suche nach Büchern, die ich ihr einmal vorlesen werde. Dabei ist es mir sowohl wichtig, dass die Geschichte lustig und spannend ist, aber auch, dass die Kleine etwas mitnehmen kann.

Und bei dem Bilderbuch „Plötzlich war ein Wuckel da“ werden beide Facetten miteinander vereint. Ich fühlte mich auch als Erwachsene, besonders durch die grafisch ansprechende Gestaltung, gut unterhalten. Der kleinen Ida sieht man so richtig schön an, dass sie keine Lust auf ein neues Geschwisterchen hat, das nur schreit und trotzdem Vorrang bei den Eltern hat. Ihre Grimassen und die teils leidvollen Gesichtsausdrücke der Eltern lassen einen richtig mitfühlen. Was mir an den Bildern auch gut gefällt ist die moderne Art. Mama und Papa sind eher Hipster-Eltern – der Vater mit Vollbart und Tätowierung – die mit geschmackvollen Designer-Möbeln leben.

Für kleine Kinder ist es durch den gereimten Text, der sparsam dosiert die Bilder begleitet, einfach, der Geschichte zu folgen und auch den Zusammenhang herzustellen. Frech und ein wenig listig nutzt Ida den neuen Wuckel, um alle schlimmen Dinge, die sie anstellt, auf ihn abzuwälzen. Klappt natürlich nicht so ganz. Aber lustig ist es allemal.

Die Erkenntnis, dass das kleine Geschwisterchen, dessen Geschlecht keine Rolle spielt, was ich gut finde, auch liebgewonnen werden kann und man mit ihm Spaß haben kann rundet die Geschichte schließlich ab.

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