Auch Nicht-Menstruierende sollten es lesen!
Ich hatte das Buch im letzten Jahr schon öfter in der Buchhandlung in der Hand. Zum einen aufgrund des provokativen Titels und auffälligen Covers, zum anderen auch, weil es mich inhaltlich sehr angesprochen ...
Ich hatte das Buch im letzten Jahr schon öfter in der Buchhandlung in der Hand. Zum einen aufgrund des provokativen Titels und auffälligen Covers, zum anderen auch, weil es mich inhaltlich sehr angesprochen hat. Und nein, das nicht nur, weil ich eine Frau bin. Da wären wir auch schon bei meinem ersten Kritikpunkt: Viele Stellen im Buch, nicht zuletzt die Widmung, haben bei mir den Eindruck erweckt, dass das Buch hauptsächlich an Betroffene (Ups, jetzt trage ich auch schon dazu bei, dass es sich so anhört, als würde es um eine Krankheit gehen!) gerichtet ist. Jeder, dem das Wohl der Gesellschaft und eines Großteils der Menschen in ihr am Herzen liegt, der nicht bloß wegsehen und zur Ignoranz beitragen möchte, sollte dieses Buch lesen, denn wie die Autorin nicht müde wird zu betonen: Es geht uns alle etwas an.
Der Zugang ist dementsprechend sehr leicht gefallen, weil von Anfang an eine Übereinkunft der Erwartungen an das Thema mit dem, was das Buch schon auf dem Cover verspricht, übereinstimmte. Die liebevolle Aufmachung und der sehr sympathische Ton der Autorin machten es nochmal leichter. Sie hat einen sehr mitreißenden und humorvollen, aber auch provokant scharfen Schreibstil. Das braucht es in dieser "Nische" auch. Das Ziel ist es, den Leser zu überzeugen und das mithilfe von Argumenten. Auffällig ist, dass vor allem mit dem Mittel der Wiederholung gearbeitet wird. Das habe ich aber keineswegs als störend empfunden, sondern als absolut notwendig. Wenn wir als Menschheit gesehen alles beim ersten Mal Hören/Lesen aufnehmen würden, hätten wir viele Probleme nicht. Die Message ist sehr klar und deutlich, die aufkeimende Wut bei den Lesenden auch: Es ist echt unfassbar, mit was für hohlen Birnen wir auf der Welt leben und wie sehr diese auch noch unseren Alltag, unsere Ausgaben und unsere Sicht auf die Welt bestimmen und dabei selbst noch nie geblutet haben. Nach Lesen dieses Buches war ich schon ein wenig fassungslos, dass man selbst als Frau so wenig davon mitbekommen hat und musste mir bei dem einen oder anderen Punkt an die eigene Nase fassen.
Nach dem Lesen sollte es nicht einfach dabei bleiben, dass man das mit Klebezetteln versehene Buch an die Freundin weitergibt und sich anderen Dingen widmet, sondern zumindest eine Reflektionsphase sollte einsetzen: Habe ich mich schon mal für meine Tage geschämt? Habe ich schon mal versucht, es auch verbal zu verheimlichen? Kann ich etwas tun, um die Umwelt zu entlasten? Gibt es Petitionen, die ich unterschreiben kann, um eine weitere Steuersenkung zu unterstützen?
Was aber auf jeden Fall gesagt sein muss, ist, und das kommt meiner Meinung nach im Buch zu kurz, dass es am Ende darum geht, dass wir uns alle in unserem Körper wohlfühlen. Franka Frei ist ihren Weg gegangen, indem sie rausgegangen ist und den Mund aufgemacht hat. Das bedeutet aber nicht, dass wir unserer Umgebung erzählen müssen, dass und wann wir unsere Tage haben. Wir müssen keine Tampons offen rumliegen haben, um für uns einzustehen. Es steht uns auch frei, nach unseren Belieben Hygieneprodukte für unsere Bedürfnisse selbst auszuwählen und da sollte keiner reinreden. Bevor ich das Buch las, hatte ich auch nicht wirklich das Gefühl, es bestünde für mich persönlich ein Problem. Denn manche Dinge sind einfach persönlich und die will man für sich behalten. Aber auf die gesamte Gesellschaft bezogen, und damit ist die globale gemeint, denke ich schon, dass wir ein Problem mit Tante Rosarot aus Unterleibzig haben. Und wenn ich an meine Teenagerjahre in der Schule zurückdenke, würde ich schon von Einschränkungen sprechen.
Was mir auch sehr gut gefallen hat, ist die Vielseitigkeit, mit der die Autorin die Auseinandersetzung angeht: Geschichtlich, biologisch, politisch, wirtschaftlich... Es findet auch ein stetiger Wechsel zwischen Satire und Ernsthaftigkeit statt, sodass ich sagen kann: Bei so vielen schockierenden Fakten kann es gar nicht langweilig werden. Zumal Franka Frei sich entschieden hat, auch von ihrer Reise und menschlichen Begegnungen mit anderen Frauenrechtsaktivisten auf der Welt zu erzählen. Es geht letztendlich nicht nur um Fakten, sondern um die Menschen aus aller Welt, die das betrifft. Denn wir sind es ja letztendlich, um die es geht.
Der Autorin scheint es wirklich um die Sache an sich zu gehen. Das merkt man auch daran, dass sie auf viele andere Werke, Literatur und Menschen verweist, die einen Zugang zu der Thematik bieten.
Letztendlich bleibt mir noch zu sagen, dass ein gutes Sachbuch mit einem aktuellen, wichtigen und unterschätzten Thema dann besonders gelungen ist, wenn der Autor einen schon nervt mit seiner Verbissenheit und Prägnanz. Denn genau darum geht es: Würden nicht einige wenige auf die Rechte der Benachteiligten beharren, wäre es für alle Zeiten bequemer, man beließe alles wie es ist. Zum Glück gibt es Menschen, die sich trauen, die Lesenden quasi direkt anzugreifen und ihre Hintern vom Sofa hochzuziehen, für manch einen den "Gutmenschen" spielen. Genau da, wo es unangenehm wird für den Lesenden, weil er sich betroffen fühlt, vielleicht auch im negativen Sinn, fängt die Wirkung an. Und das ist hier der Fall.