Völlig anders als erwartet
Das Verschwinden der ErdeDas Buch wird von dtv auf dem Cover als Roman bezeichnet.
Allerdings wird auf der Buchrückseite ganz groß „The Los Angeles Review of Books“ mit einem literarischen Thriller zitiert, so dass ich von einem ...
Das Buch wird von dtv auf dem Cover als Roman bezeichnet.
Allerdings wird auf der Buchrückseite ganz groß „The Los Angeles Review of Books“ mit einem literarischen Thriller zitiert, so dass ich von einem Thriller auf der sibirischen Halbinsel Kamtschatka ausgegangen bin. Die allgemeinere deutsche Verlagseinordnung mit Roman ist aber für mich die richtige Einordnung, das Buch ist kein Thriller.
Es geht um Frauenschicksale, die Autorin nimmt sich ein Jahr als Handlungszeitraum, konkret die Monate August bis Juli des Folgejahres. Jeden Monat wird der Fokus auf eine andere Frau gelegt, ihr Leben, ihr Leid, ihr Alltag vorgestellt. Die Klammer zwischen den unterschiedlichen Geschichten ist das Verschwinden von zwei Mädchen an einem Augusttag in der Hauptstadt Kamtschatkas, Petropawlowsk. Die anderen Akteurinnen sind mehr oder weniger lose mit diesem Geschehen verbunden.
Ich habe mich mit dem Buch anfangs schwer getan, weil ich eben von einem Thriller ausgegangen bin und diesen nach dem durchaus in diese Richtung gehenden ersten Kapitel dann vermisst habe.
Unabhängig von dieser Erwartungshaltung hätte ich mich vermutlich viel besser auf die dann folgende Handlung einlassen können.
Denn diese ist lesenswert. Sowohl Kamtschatka mit seiner indigenen und russischen Bevölkerung als auch die konkrete Lebenssituation der verschiedenen Frauen nach dem Zerfall der Sowjetunion war interessant und bewegend. Man braucht etwas, bis man sich eingelesen hat, da es sehr viele verschiedene Personen gibt und auch die Namen für mich schwer zu lesen waren. Vorausgestellt war ein Personenregister, an Hand dessen man sich bei der Einordnung orientieren konnte. Das zu lesen hat mich allerdings noch mehr verwirrt, es erschließt sich dann doch alles auch im Lesefluss.
Gemein ist fast allen Frauen, dass sie übergriffig behandelt werden und keine Träume haben, irgendwie versuchen, durch ihren Alltag zu kommen, insgesamt ist es eine trostlose Grundstimmung im Buch.
Eine Bewertung fällt mir hier gar nicht so leicht, meine Enttäuschung über das „falsche“ Genre wurde aber nach etwas sacken lassen und die geschlossene Klammer am Ende des Buchs sowie die lesenswerten Frauenschicksale gut kompensiert. Auch der Buchaufbau mit den Monaten und dem Monats-Fokus auf unterschiedliche Personen sowie die immer wieder überraschend auftretenden Verbindungen der mitspielenden Personen haben mir gut gefallen. Vier Sterne.