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Veröffentlicht am 12.04.2021

Fragmente eines Lebens – poetisch erinnert

Vom Aufstehen
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In kurzen Erzählungen erinnert sich Helga Schubert in ihrem autobiographischen Buch „Vom Aufstehen“ an ihr Leben in der DDR, ihren von Hindernissen geprägten Werdegang und ihre schwierige Mutter.

Die ...

In kurzen Erzählungen erinnert sich Helga Schubert in ihrem autobiographischen Buch „Vom Aufstehen“ an ihr Leben in der DDR, ihren von Hindernissen geprägten Werdegang und ihre schwierige Mutter.

Die intimen, sehr persönlichen Erzählungen geben einen Einblick in das Innenleben der Autorin, die auf ein bewegtes Leben zurückblickt. Mal assoziativ-ausschweifend, mal knapp und präzise, mal humorvoll-augenzwinkernd erinnert sie sich an Einzelheiten und Episoden, die sie geprägt haben. Das Kaffeetrinken im Sommer bei der Großmutter, die Ausreiseschwierigkeiten in den Westen für eine Preisverleihung, die Mutter, die ein Erbstück zurückfordert … mal Schönes und mal Schmerzliches.

„Vom Aufstehen“ ist häufig poetisch und wenig konkret, verliert aber trotzdem nur selten den Bezug zur Realität. Oft ist es ein Eintauchen in die Gedankenwelt einer anderen Person – und fühlt sich dabei manchmal fast voyeuristisch an. Dieser direkte Einblick ist aber auch ein ums andere Mal verwirrend: Dann wird man hineingesogen in eine Lebenswelt, die nicht die eigene ist, und das Verstehen mancher Assoziationen fällt schwer. Helga Schubert hat hier wirklich ein Stück ihrer selbst zu Papier gebracht, und so manche Assoziationsketten lassen sich wohl nur nachvollziehen, wenn man im Kopf von Helga Schubert steckt.

Nichtsdestotrotz ist hier ein poetisches, teils tragisches, teils optimistisches Werk gelungen, das vor allem sehr viel Nähe vermittelt und Emotionen weckt.

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Veröffentlicht am 04.04.2021

Spannungsgeladen und sozialkritisch – vom Leben in Detroit

Der gekaufte Tod
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„Der gekaufte Tod“ von Stephen Mack Jones hat eigentlich zwei Protagonisten: den mittlerweile millionenschweren Ex-Cop August Snow und die Stadt Detroit. Beide hat das Leben hart gemacht, und so stehen ...

„Der gekaufte Tod“ von Stephen Mack Jones hat eigentlich zwei Protagonisten: den mittlerweile millionenschweren Ex-Cop August Snow und die Stadt Detroit. Beide hat das Leben hart gemacht, und so stehen Gewalt und Verbrechen an der Tagesordnung.

August Snow, halb Schwarzer, halb Mexikaner, hat sich als Polizist unbeliebt gemacht, als er Korruption in den eigenen Reihen aufdeckte – mit dem Schadenersatz, den er daraufhin ausbezahlt bekam, kommt er nach einem langen Auslandsaufenthalt zurück in seine alte Heimat, um das heruntergekommene Viertel Mexicantown wieder auf Vordermann zu bringen. Unverhofft wird er jedoch in den Mord an einer alten Bekannten verwickelt, der die hässliche Fratze der Welt der Schönen und Reichen am anderen Ende der Stadt offenbart.

Natürlich handelt es sich vordergründig um einen Krimi – ein Verbrechen ist geschehen und August ist auf krummen Wegen in die Ermittlungen involviert. „Der gekaufte Tod“ stellt aber nicht nur ein Verbrechen in den Vordergrund, sondern thematisiert all die Verbrechen, die täglich auf den Straßen Detroits geschehen: Raub, Drogenhandel, Diskriminierung, schreiende Ungerechtigkeit … Das Buch spricht sozialkritische Themen an, die zum Alltag in einer harten Stadt gehören: die Unterschiede zwischen schwarz und weiß, reich und arm, somebodys und nobodys. August befindet sich irgendwo am Schnittpunkt vieler Kategorien und bemüht sich das ganze Buch hindurch, seinen Platz zu finden: Er ist weder ganz schwarz noch ganz mexikanisch. Er war früher nicht reich, hat jetzt Millionen auf dem Konto. Er hat als Polizist das Verbrechen bekämpft, jetzt muss er pragmatisch zu Mitteln greifen, die ihn über die Grenze des Legalen stoßen. August ist ein Grenzgänger, der das Beste aus einer miesen Situation machen muss – dass ihm dabei immer noch ein cooler Spruch über die Lippen kommt, macht ihn für uns Leser*innen nahbar und irgendwie sympathisch.

Eine Schwäche des Romans sehe ich in der deutschen Übersetzung: Der Ton des Buchs ist stark von Slang geprägt und die Dialoge sind meist höchst umgangssprachlich. Dass da einiges etwas holzig rüberkommt, liegt wohl an fehlenden Entsprechungen im Deutschen. Und manchmal erscheinen August und sein Freundeskreis aus teils eher dubiosen Gestalten auch ein wenig zu cool, mit der Hand ein wenig zu schnell an der Waffe. Das mag einer deutschen Leserschaft auch einfach nur sehr fremd sein, aber insgesamt lösen sich viele Probleme wie im Actionfilm. Glücklicherweise gelingt dem Roman aber im Großen und Ganzen die Balance zwischen solchen Szenen und durchaus intelligenten und ernsthaften Episoden, sodass ein spannendes, unterhaltsames und durchaus auch zum Nachdenken anregendes Buch dabei herausgekommen ist.

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Veröffentlicht am 28.12.2020

Ein durch und durch solider Kriminalroman

Vergessene Gräber
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„Vergessene Gräber“ von Leo Born ist der fünfte Teil der Reihe um die Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky und ihren Kollegen Jan Rosen. Das ungleiche Gespann (sie die Frau fürs Grobe, er der Mann für ...

„Vergessene Gräber“ von Leo Born ist der fünfte Teil der Reihe um die Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky und ihren Kollegen Jan Rosen. Das ungleiche Gespann (sie die Frau fürs Grobe, er der Mann für die Recherche) ermittelt in einer grausigen Mordserie, in die die örtliche Russenmafia verwickelt zu sein scheint und die ihre Wurzeln in der Vergangenheit hat. Gleichzeitig versucht Rosen, seine Freundin Anyana vor ihrem brutalen ehemaligen Zuhälter zu beschützen, und verstrickt sich so immer tiefer in die Geschäfte der Verbrecherbande.

Mit viel Liebe zum Detail und so mancher Brutalität entführt Leo Born uns in eine Welt des Verbrechens, in der die Vergangenheit ganz und gar nicht ruht. Seine Figuren erwachen mit lakonischen Sprüchen, problematischen Beziehungen und intimen Geheimnissen zum Leben und reißen uns Leserinnen einfach mit. Würde man versuchen, diesen Roman in einem Wort zusammenzufassen, wäre es wohl: actiongeladen. Denn es passiert ständig sehr viel, und als Leserin muss man aufpassen, nicht den Faden zu verlieren, wenn die Ereignisse sich überschlagen.

„Vergessene Gräber“ ist ein Buch, das vor Spannung strotzt und immer neue Aspekte in den Mix wirft. Die Ereignisse und Rechercheergebnisse werden nach und nach zusammengefügt, sodass sich erst am Schluss ein vollständiges Bild ergibt – wie das bei einem guten Krimi der Fall sein sollte. Einen kleinen Punktabzug gibt es dafür, dass es sich bei dem Roman eben um einen sehr typischen Krimi handelt: Durch und durch solide, aber eben selten überraschend. Viele klassische Genreklischees werden bedient, angefangen von der rebellischen Ermittlerin, die alles im Alleingang macht, über die möglichst gräulichen Bluttaten bis hin zum ausbremsenden Chef, der die Ermittlungen durch seine Überkorrektheit gar zu vermasseln droht. Viele Elemente kennt man schon, dem Krimigenuss tut das aber nur wenig Abbruch.

Ein spannender Kriminalroman, der sicher nicht nur Fans der Reihe begeistern kann.

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Veröffentlicht am 28.11.2020

Eine erschreckend realitätsnahe Dystopie in Zukunftsdeutschland

Sterbewohl
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Das leicht albern wirkende Cover von „Sterbewohl“ ist trügerisch: Es handelt sich keineswegs um einen schwarzhumorigen Roman über das Altwerden, sondern um ein dystopisches Zukunftsszenario, in dem der ...

Das leicht albern wirkende Cover von „Sterbewohl“ ist trügerisch: Es handelt sich keineswegs um einen schwarzhumorigen Roman über das Altwerden, sondern um ein dystopisches Zukunftsszenario, in dem der Begriff „aktive SterbeHILFE“ bereits zu einem zynischen Euphemismus verkommen ist.

In nüchternen, fast trockenen Worten (im Englischen würde man sagen: matter-of-fact) berichtet die Protagonistin Nadja über ihr Leben in der Bundesrepublik Deutschland. Einer Bundesrepublik, die zur Scheindemokratie verkommen ist und ihre BewohnerInnen rein nach ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt. Wer nicht zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, hat es nicht verdient zu leben – das betrifft Arbeitslose, aber vor allem alte Menschen, die nach dem Eintritt ins Rentenalter auf Staatskosten zum freiwilligen Sterben eingeladen werden, um der Gesellschaft nicht auf der Tasche zu liegen.

Nadja und ihre Freunde haben die 65 alle gerade überschritten und freuen sich auf den Ruhestand. Unerwartet früh werden sie zu einem Sterbeseminar in einem der berüchtigten Sterbehotels eingeladen, von denen man sagt, man käme von dort nicht zurück. Die vier wollen sich damit aber nicht abfinden und laden die Journalistin Marwa ein, sie zu begleiten, um zu dokumentieren, wie freiwillig das Sterben dort wirklich ist. Und die unguten Vermutungen scheinen sich zu bestätigen ...

Die Mischung aus Dystopie und Kriminalroman ist der Autorin Olivia Monti hervorragend gelungen, und die sachliche Erzählerstimme, Nadja, die häufig völlig selbstverständlich von unsäglichen Tatsachen der neuen Gesellschaftsordnung berichtet, lässt mir als Leserin häufiger einen Schauer über den Rücken laufen. Das entworfene Szenario ist gerade so nah an der Realität, dass es ungemütlich wird, und greift Themen auf, die uns auch heute im gesellschaftlichen Kontext beschäftigen: Leistungsdruck, der Fokus auf wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, der Umgang mit alten Menschen und die Angst vor Bettlägerigkeit und Demenz.

Der einzige Wermutstropfen des Romans ist (neben der leider häufig fehlerhaften Orthographie und Interpunktion), dass viele Aspekte eher oberflächlich erzählt werden. Die Zusammenhänge sind selten komplex und werden, gerade gegen Ende, manchmal unzufriedenstellend einfach aufgelöst. Das hinterlässt einen unerfüllten Wunsch nach mehr Details, die dem Roman zu voller Größe gefehlt hätten.

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Veröffentlicht am 03.08.2024

Grusel im klassischen Stil

In Flammen
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Die elf Gruselgeschichten in Alexander Lorenz Gollings Kurzgeschichtensammlung „In Flammen“ überraschen zwar nur selten, warten aber doch mit einer ganz eigenen Atmosphäre auf. Sowohl stilistisch als auch ...

Die elf Gruselgeschichten in Alexander Lorenz Gollings Kurzgeschichtensammlung „In Flammen“ überraschen zwar nur selten, warten aber doch mit einer ganz eigenen Atmosphäre auf. Sowohl stilistisch als auch inhaltlich entsprechen sie damit oft dem Typus des klassischen Schauermärchens, jedoch ergänzt um manch einen überraschend blutigen Vorgang.

Die in dem Buch versammelten Texte bewegen sich allesamt in der Region Donaumoos mitten in Bayern und greifen mehr als einmal historische Ereignisse oder lokale Legenden auf, was den Texten einen leicht folkloristischen Anstrich gibt. Schauerliche Gebäude und Orte, Geistererscheinungen und einsame Natur bilden die Hauptelemente der meisten Geschichten, sodass sie sowohl durch den regionalen Bezug als auch durch die Themenwahl zusammengehalten werden. Manch ein Geist ist rachsüchtig, manch einer doch eher traurig, aber es sind fast immer die Toten, die in irgendeiner Form aus ihren Gräbern zurückkehren. Eine Ausnahme von diesem Muster bildet „Auf Abruf“ – die kurze Geschichte bleibt jedoch in Andeutungen hängen und kann durch das hastig wirkende Ende nicht überzeugen.

Ebenso klassisch wie die Themenwahl mutet Gollings Sprache an: Altertümliche Ausdrucksweisen sind keine Seltenheit, fügen sich jedoch in den Texten mit historischem Setting naturgemäß besser ein als in anderen („Eine Familienangelegenheit“ ist in dieser Hinsicht positiv hervorzuheben). Insgesamt sorgt dieser Stil für eine gewisse Distanz zwischen Lesenden und Figuren. So richtig mitempfinden kann man das Grauen nur selten. Eine echte Ausnahme, die emotional wirklich zu berühren weiß, stellt der ungewöhnlich melancholische Text „Noch ein Bier, bitte!“ dar. Unter Verwendung der klassischen Methode der Geschichte in der Geschichte und wohlbekannter Motive schafft der Autor einen Text, der zwar nicht zu überraschen, aber auf tiefster Ebene zu berühren vermag. Eindeutig der Höhepunkt der Sammlung!

„In Flammen“ ist ein durchaus unterhaltsames Werk, das immer wieder mit atmosphärischen Momenten glänzt, jedoch keine großen Würfe schafft. Fans von klassischen Schauergeschichten kommen hier durchaus auf ihre Kosten, werden jedoch vermutlich keine großen Überraschungen erleben.

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