Olga
Olga... oder was alles hätte sein können. Wäre die Armut nicht gewesen, in die sie hineingeboren wurde, wäre die Oma, die sie aufgezogen hatte, nur mit mehr Liebe zu ihr, wäre der Liebste nicht so ein Träumer ...
... oder was alles hätte sein können. Wäre die Armut nicht gewesen, in die sie hineingeboren wurde, wäre die Oma, die sie aufgezogen hatte, nur mit mehr Liebe zu ihr, wäre der Liebste nicht so ein Träumer gewesen. Wäre da der Krieg nicht gewesen.
Obwohl es die Namensgeberin des Romans selbst in ihrem langen Leben nicht so gesehen zu haben schien, blieb mir beim Lesen immer wieder dieses Gefühl. Überhaupt zog sich durch den ganzen Roman eine große Melancholie und Sehnsucht nach dem, was für immer verloren ist.
Olga wuchs während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs in Pommern bei ihrer Großmutter auf, nachdem ihre Eltern verstorben waren. Sie lebte in Armut, fand aber Freundschaft und später auch Liebe in dem Sohn des Gutsbesitzers: Herbert. Wissend, dass ihre Liebe wohl nie eine Zukunft hat, verbrachten sie viele schöne und innige Stunden miteinander. Doch es waren nicht nur die unterschiedlichen Stände, die sie trennten, sondern auch Herberts Sehnsucht nach der Ferne. Am Ende sollte diese nie zu stillende Sehnsucht auch ihr Schicksal sein.
Das erste Drittel des Buches hatte ich mich gewundert, warum die Lebensgeschichte Olgas - auf knapp 100 Seiten waren über 50 Jahre ihres sehr bewegten Lebens zusammengefasst - so distanziert geschrieben zu sein scheinen. Im zweiten Teil des Buches wird dann klar, dass der Erzähler - nach dem 2. Weltkrieg geboren - Olga eben erst da kennengelernt hatte. Sie, die in der Familie nähte, wird für ihn zu einem Omaersatz. Einer Frau, mit der er gern Zeit verbringt und die ihm immer mit Rat und Tat zur Zeite stand. Und mit der er viel und gerne sprach. Über ihr Leben, über Politik und Zeitgeschehen. Bis zu ihrem Tod.
Nach ihrem Tod nahm er weitere Recherchen auf. Und kommt zu Erkenntnissen, die alles woran er und auch der Leser geglaubt hatte, auf den Kopf stellen.
Mir hat die Lektüre große Freude gemacht. Auch wenn es mich von der ersten bis zur letzten Seite traurig und nachdenklich gestimmt hatte. Ob das Schlink wollte, weiß ich nicht, aber wie sonst will man auf ein solches Leben, dass von vielen Umbrüchen und Neuanfängen gekennzeichnet war - wie viele in dieser Zeit - auch anders beschreiben? Sollte man nicht darüber nachdenken, warum sich so viele Menschen für den jeweiligen Zeitgeist begeistern konnten? Was es mit denen, die es überlebt hatten, gemacht hat? Was sollte man auch beschönigen?
Eine großartige Lektüre, ein Buch, das sehr nachdenklich macht. Und das ich sicher noch einmal lesen werde. Auch wenn ich jetzt erstmal etwas fröhlicheres brauche!