Profilbild von takabayashi

takabayashi

Lesejury Profi
offline

takabayashi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit takabayashi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.11.2020

Spannend und witzig!

Die Djurkovic und ihr Metzger
0

Anfangs tat ich mich recht schwer mit dieser Lektüre: Verwirrend viele unbekannte und skurrile Protagonisten (ich bin Metzger-Neuling), unterschiedliche Zeitebenen und Orte, verschiedene Textformen und ...

Anfangs tat ich mich recht schwer mit dieser Lektüre: Verwirrend viele unbekannte und skurrile Protagonisten (ich bin Metzger-Neuling), unterschiedliche Zeitebenen und Orte, verschiedene Textformen und Schreibstile, teilweise starker Dialekt - da musste ich mich erst einmal einlesen, bin dann aber doch ganz gut hineingekommen und fand es immer witziger und spannemder, zum Ende hin super spannend und auch die einzelnen Puzzle-Teile fügten sich dann zu einem sinnvollen Ganzen zusammen.
Metzgers langjährige Lebensgefährtin Danjela Durkovic, die er nun nach 13 Jahren auch ehelichen wollte, lässt ihn während der Trauung am Altar stehen und verschwindet. Metzger fällt in ein tiefes Loch, beginnt sich dann allmählich doch darüber Gedanken zu machen, ob hinter ihrem Verschwinden nicht etwas anderes stecken könnte. Danjela ist von ihrer Vergangenheit eingeholt worden, die etwas anders aussieht, als sie von ihr immer dargestellt worden war.
Ich will vom Inhalt nicht mehr verraten, aber reizvoll ist auch der Schreibstil: Funkprotokolle, von Leuten, die sich mit Vogelnamen anspreche, ein Anruf bei einer Mobilfunkhotline inklusive Warteschleife, dann wieder Passagen im Stil eines Drehbuches, herrliche, knappe und witzige Dialoge, z.B. beim Anzugkauf in der Umkleidekabine, völlig absurde Situationen, z.B. mit dem Zirkuselefanten bei einer Promi-Party, wo der Metzger zum Youtube-Star avanciert. Satire, rabenschwarzer Humor, liebenswerte Protagonisten, Geselschaftskritik und ein veritabler, spannender Kriminalfall. Sehr unterhaltsam!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.12.2024

Atmosphärisches Drama aus dem Kunstmilieu

Die blaue Stunde
0

Ein klassischer Krimi ist das nicht, aber ein spannendes Drama aus dem Kunstmilieu, eine Charakterstudie von Menschen aus dem Umfeld der berühmten, vor einiger Zeit an Krebs verstorbenen, Malerin und Bildhauerin ...

Ein klassischer Krimi ist das nicht, aber ein spannendes Drama aus dem Kunstmilieu, eine Charakterstudie von Menschen aus dem Umfeld der berühmten, vor einiger Zeit an Krebs verstorbenen, Malerin und Bildhauerin Vanessa Chapman. Als in einer ihrer Installationen ein menschlicher Knochen entdeckt wird, werden alte Gerüchte wieder laut, nämlich: Wo ist Vanessas Exmann, der irgendwann spurlos verschwunden ist?
Der Kurator James Becker fährt nach Eris Island, dem langjährgen, letzten Domizil von Vanessa. Dort trifft er auf die Ärztin Grace, Vanessas Freundin und Lebensgefährtin, die viel über Vanessa weiß und sich immer noch an Vanessas Erbe klammert, obwohl diese es der Galerie überschrieben hat, für die James arbeitet. James ist der Chapman-Experte schlechthin, ein sozialer Aufsteiger, der mit Helena verheiratet ist, der adligen Exfreundin des Galeristen Sebastian.
Der Roman bewegt sich also innerhalb eines komplexen Beziehungsgeflechts, in dem immer wieder dunkle Geheimnisse zum Vorschein kommen. James begibt sich auf eine spannende Spurensuche, bei der ihm Briefe und Tagebücher aus Vanessas Nachlass helfen, die Grace ihm ausgehändigt hat.
Gegen Ende ahnt man schon die Auflösung, der inzwischen auch James gefährlich nahegekommen ist.
Die Einblicke in die Welt der Kunst sind sehr Interessant und die Geschichte ist sehr stimmungsvoll und gegen Ende auch ziemlich spannend geschrieben. Ich will nichts weiter verraten, aber das Ende hat mir persönlich gar nicht gepasst. Kein wirklicher Krimi, aber doch eine spannende, dramatische Geschichte!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.12.2024

Ganz nett für zwischendurch beim Nachmittagstee

Tee auf Windsor Castle
0

In diesem Romänchen (eher eine Novelle) begleiten wir die junge Schottin Kate auf einer Besichtigungstour duch Schloss Windsor, zu der sie sich von einer Freundin hat überreden lassen. Sie hält nicht viel ...

In diesem Romänchen (eher eine Novelle) begleiten wir die junge Schottin Kate auf einer Besichtigungstour duch Schloss Windsor, zu der sie sich von einer Freundin hat überreden lassen. Sie hält nicht viel vom Luxusleben der Royals, kommt selbst aus eher prekären Verhältnissen. Als sie sich auf der Suche nach einer Toilette in den Dienstbotenflügel verirrt, stößt sie in einer Teeküche auf eine freundliche alte Dame namens Betty, die ihr einen Tee anbietet. Kate hält Betty für eine pensionierte Palastangestellte, die ihren Lebensabend im Schloss verbringen darf. Wir als Leser sind schon vorgewarnt durch das Times-Zitat auf dem Einband: "Wir haben es immer gewusst: Sie war nie wirklich weg!", aber Kate erweist sich als relativ begriffsstutzig, selbst als die alte Dame sich verplappert und ein Zimmer als "Onkel Davids Liebesnest" bezeichnet.
Das ist eine nette Idee, aus der man mehr hätte machen können. Der Schreibstil liest sich gut, die Geschichte ist vergnüglich mit amüsanten Dialogen. Allerdings sind die Lebensweisheiten der Queen häufig eher auf dem Niveau von Kalender- oder Glückskekssprüchen. Manches, wie Bettys Bemerkungen über König Charles, ist ganz witzig, aber Kates Figur erwacht nicht wirklich zum Leben und insgesamt ist die Geschichte etwas seicht. Gutes Format für unterwegs zum Mitnehmen in der Handtasche, kann man lesen, muss man aber nicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.11.2024

Protest im Wandel der Zeiten

Tage mit Milena
0

Annika lebt mit ihrem Mann in Lübeck und führt dort eine edle Papeterie. Sie lebt ein großbürgerliches Leben und fühlt sich glücklich und zufrieden. Ihre Vergangenheit als Hausbesetzerin in der Hamburger ...

Annika lebt mit ihrem Mann in Lübeck und führt dort eine edle Papeterie. Sie lebt ein großbürgerliches Leben und fühlt sich glücklich und zufrieden. Ihre Vergangenheit als Hausbesetzerin in der Hamburger Hafenstraße hat sie weitgehend verdrängt. Und auch die belastenden Erinnerungen an ihre Freunde von damals, Milena und Matti.
Und dann kommt plötzlich die 17jährige Luzie in ihren Laden - klaut dreist eine von Annikas selbst entworfenen und gezeichneten Postkarten und kauft eine Tube Sekundenkleber. Annika wird etwas später klar, dass Luzie eine Klimakleberin ist, und sie eilt ihr nach um sie vor möglichen Dummheiten zu bewahren, kommt aber zu spät, Luzies Aktion ist schon in vollem Gange und durch Annikas Wunsch, die junge Frau zu beschützen, wird sie auch darin verwickelt und beide verbringen eine Nacht in Polizeigewahrsam.
Von nun an sind die beiden miteinander verbunden. Luzie erinnert Annika an ihre verstorbene Freundin Milena und sie entwickelt Muttergefühle für sie und lässt sich von Luzie nicht abwimmeln. Sie fahren zusammen nach Hamburg zu einer großen Demo und ihre Erinnerungen stürmen massiv auf Annika ein. Der Roman spielt auf 2 Zeitebenen: in den Achtziger Jahren in der Hamburger Hausbesetzerszene und in der Jetztzeit. Über Luzie erfahren wir nicht allzu viel, sie lebt auf der Straße und hat eine extrem defätistische Einstellung. Sie spielt aber auch nicht die Hauptrolle in dieser Geschichte, sie wird von der Autorin als Katalysator eingesetzt: sie bringt Annika dazu, sich mit ihren Altlasten auseinanderzusetzen. Annikas Verhalten verlangt etwas "suspension of disbelief" vom Leser, aber wenn man das hinkriegt, ist es eine durchaus spannender und unterhaltsamer zeitgeschichtlicher Roman vor dem Hintergrund der Protestkultur verschiedener Generationen. Hätte allerdings durchaus noch etwas mehr Tiefgang und Charakterisierung der handelnden Personen vertragen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.08.2024

Unterhaltsam, sehr gut lesbar ... und doch kam ich den Figuren nicht nahe

Pi mal Daumen
0

Ein neuer Roman von Alina Bronsky - darauf hatte ich mich gefreut! "Kaum jemand kann so böse, so witzig und rasant von eigenwilligen und doch so liebenswerten Charakteren erzählen wie Alina Bronsky“ hieß ...

Ein neuer Roman von Alina Bronsky - darauf hatte ich mich gefreut! "Kaum jemand kann so böse, so witzig und rasant von eigenwilligen und doch so liebenswerten Charakteren erzählen wie Alina Bronsky“ hieß es einmal in einem Verlagstext, und z.B. bei Herrn Schmidt in "Barbara stirbt nicht", konnte ich das nachvollziehen und fand diese tragikomische Figur tatsächlich doch liebenswert. Bei "Pi mal Daumen" gelang mir das nicht! Klar, Oskar kann einem schon leidtun, aber ein Sympathieträger ist er nun wirklich nicht ...
Oskar, der 16-jährige, sehr behütete, Überflieger mit autistischen Zügen aus adliger, sehr wohlhabender Familie, interessiert sich ausschließlich für Mathematik, ist im Übrigen aber völlig weltfremd. Er ist jetzt allein zum Studium nach Berlin gekommen und lernt am ersten Studientag in der Uni Moni Kosinsky kennen: über 50, 3fache Großmutter, schrille, eher prollige Aufmachung, zuerst von allen für eine Putzkraft gehalten. So unwahrscheinlich es scheint, entwickelt sich doch zwischen diesen beiden Außenseitern eine Hilfsgemeinschaft, so eine Art Freundschaft. Um die Entwicklung dieser Beziehung zwischen zweien, die sich gegenseitig in diesem akademischen Umfeld zum Überleben brauchen, geht es in diesem Roman.
Das liest sich sehr unterhaltsam, keine Frage, Alina Brody beherrscht ihr Handwerk, aber überzeugt hat mich die Geschichte nicht. Es gibt eine Vorgeschichte aus Monis Leben, die erklären soll, warum sie, trotz ihres familiären Umfeldes, den heimlichen Wunsch entwickelt hat, Mathematik zu studieren, und auch, warum sie Oskar gegenüber so viel Geduld an den Tag legt. Und wie sie das alles schafft, Familienleben und -Pflichten, Teilzeitjobs und Studium! Ein wahrer Übermensch. I don't buy it! Und Oskars Arroganz und Verachtung gegenüber anderen Menschen aufgrund seiner krankheitsbedingt eingeschränkten Weltsicht wurde mir irgendwann unerträglich. Ich lese einfach lieber Bücher, in denen es eine Identifikationsfigur für micht gibt.
Meine Reaktion auf dieses Buch ist daher recht ambivalent. Ich habe mich bei der Lektüre gut amüsiert, aber ich verstehe eigentlich nicht, was dieser Roman mir sagen will.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere