Cover-Bild Die verratene Generation
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Europa Verlage
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Seitenzahl: 336
  • Ersterscheinung: 30.10.2020
  • ISBN: 9783958903326
Christian Hardinghaus

Die verratene Generation

Gespräche mit den letzten Zeitzeuginnen des Zweiten Weltkriegs
14 Millionen Deutsche wurden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mit Gewalt aus ihrer Heimat vertrieben, über 2 Millionen von ihnen ermordet, mindestens 2 Millionen Frauen und Mädchen unter ihnen vergewaltigt. Die Thematisierung der Vertreibungsverbrechen gilt gesellschaftlich als Tabuthema – ebenso wie die Diskussion darüber, ob die alliierten Flächenbombardements mit 600000 Todesopfern Kriegsverbrechen waren. Der Großteil der zivilen Opfer war weiblich. Vergleichsweise wenig ist in der Wissenschaft über die Rolle der Frau im Nationalsozialismus geschrieben worden, so gut wie gar nichts über ihren Einsatz im Krieg. Dabei zwangen die Nazis, obwohl dies im Widerspruch zu ihrer eigenen Ideologie stand, beinahe jede deutsche Frau in den Kriegsdienst. Viele Millionen etwa schufteten als Rüstungsarbeiterinnen, 1,5 Millionen standen als Wehrmachtshelferin, Kriegshilfsdienstmaid oder Lazarettschwester mitten im Kriegsgeschehen. Frauen zitterten Nacht für Nacht in Luftschutzkellern um ihr Leben, wurden ausgebombt und verletzt, trauerten um ihre gefallenen Ehemänner. Sie waren auch die ersten Opfer der einrückenden Sowjetarmee, die keine Gnade mit ihnen kannte. Wenn sie das alles überlebt hatten, krochen sie am Ende auf Trümmern und räumten auf. Bis heute leiden diese Frauen an unverarbeiteten Kriegstraumata, für die sich zu wenige ihrer Nachkommen interessierten.

Nach dem Erfolg seines Buches Die verdammte Generation über die Stigmata, denen die letzten Soldaten des Zweiten Weltkrieges ausgesetzt waren, lässt Historiker Christian Hardinghaus nun 13 der letzten Zeitzeuginnen einer verratenen Generation sprechen, die erst von den Nazis, dann von alliierten Soldaten missbraucht worden sind und bis heute gesellschaftlich als vermeintliche Mittäterinnen eines Verbrecherregimes gebrandmarkt werden. In historisch umfassenden und mutigen Einleitungen widerlegt er Vorurteile und appelliert an ein Überdenken unserer Erinnerungskultur.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.12.2020

Erinnern? Ja unbedingt, aber richtig!

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Political correctness ist in. Wer politically correct ist, „hat sich schlau“ gemacht… Leider vergisst der politisch korrekte Mensch heute oft, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt, und so einiges ...

Political correctness ist in. Wer politically correct ist, „hat sich schlau“ gemacht… Leider vergisst der politisch korrekte Mensch heute oft, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt, und so einiges zwischen schwarz und weiß. Denn „political correctness“ ist viel zu oft eine Schublade unseres gesellschaftlichen Bewusstseins, die nichts über die Richtigkeit oder Falschheit unseres Denkens und Handelns aussagt, sondern über die Angst vor dem Verlust unseres sozialen Ansehens und über die Angst, uns angreifbar und zum Gegenstand kollektiven Zorns zu machen.

Vielleicht deshalb machen viele Abhandlungen zum Thema der „Frauen im nationalsozialistischen Deutschland“ den weiblichen Teil der Bevölkerung in der Zeit ab 1933 zu glühenden, überzeugten, eifernden Nazis, zu kategorischen Mitwisserinnen und Mittäterinnen, ohne Ansehen der Person, ohne Berücksichtigung der Einzelschicksale, ohne Empathie oder wenigstens den Versuch einer Dokumentation des Leidens, des Grauens und der Entbehrungen, die die meisten Frauen während und nach den Jahren des 2. Weltkriegs in Deutschland durchleben mussten.

Der Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaftler Dr. phil. Christian Hardinghaus nun hat 13 Zeitzeuginnen eine Stimme gegeben und damit einen Raum für ihre Zeitberichte in dem 2. Band seiner Dokumentationsreihe, die sich mit dem 2. Weltkrieg auseinandersetzt (der 1. Band „Die verdammte Generation“ ist mindestens genauso empfehlenswert!), geschaffen.

Alle erzählenden Frauen, Geburtsjahrgänge zwischen 1920 und 1931, haben den 2. Weltkrieg auf ihre ganz individuelle Weise erlebt, individuelle Verluste und individuelle Verletzungen, psychischer wie physischer Natur, erlitten. Was sie jedoch alle eint, ist das Vergessen-Werden durch eine Gesellschaft, die zwischen Schuld und Verantwortung nicht (mehr) unterscheiden kann und damit eine Erinnerungskultur praktiziert, die der Vergangenheit nicht gerecht wird.

In vier Kapiteln, beginnend mit „Die deutsche Angst vor der Erinnerung“ über „Frauen im Zweiten Weltkrieg: verführt, verbraucht, verraten und vertrieben“ und „Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten“, endend mit dem Kapitel „Bombenkrieg gegen Deutschland“ schreibt Hardinghaus auf 335 Seiten kenntnisreich und differenziert mit unterstützenden Fakten und viel Hintergrund-Information gegen die Verharmlosung des Holocausts durch sich auf gleiche Stufe mit den Holocaust-Opfern stellenden Impfgegner genauso an wie gegen die Vertreter der Kollektivschuldthese, die die Flächenbombardements auf Deutschland als adäquates Mittel gegen „Nazi-Deutschland“ rechtfertigen.

Einzig ein differenzierter Blick in die Vergangenheit unter Berücksichtigung aller Aspekte macht deutlich, dass es in Kriegen nur Verlierer geben kann, bleiben doch Moral und Humanität auf allen Seiten auf der Strecke.
Christian Hardinghaus und seine mutigen Zeitzeuginnen, die sich im Rahmen ihres Erinnerns auch durchaus ideologischen Unbequemlichkeiten zu stellen bereit waren, machen deutlich, wie wichtig eine Erinnerungskultur ist, die den nachfolgenden Generationen weit über eine „Schuld-Frage“ hinaus ermöglicht, ‚die Vergangenheit dieses Landes verstehen und … daraus Erklärungen für aktuelle Krisen und Spannungen gewinnen zu können‘.

In seinem Nachwort fasst der Autor zusammen, was uns alle bewegen und motivieren sollte: das kollektive Erinnern nicht zu verlernen, weiter aufrichtig an den Holocaust und die vielen Verbrechen der Nazis im Dritten Reich zu erinnern, der Fehlsicht und -interpretation sowohl Rechts- als auch Linksextremer keinen Raum zu lassen und dadurch in uns die Fähigkeit zu fördern, zukünftige Kriegsverbrechen und Verbrechen wider die Menschlichkeit zu erkennen und ihnen entgegenzutreten.

Zu dieser notwendigen, differenzierten Erinnerung trägt dieses wichtige Buch bei und gleichzeitig lässt es die Unsäglichkeiten, denen viele Frauen im 2. Weltkrieg ausgesetzt waren, nicht vergessen werden.

„Die verratene Generation“ ist ein „must read“ und eine Empfehlung für die Schullektüre der nachfolgenden Generationen!

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Veröffentlicht am 29.11.2020

Wichtige Erinnerungen, die einen anderen Blickwinkel geben

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Ein weiteres, wichtiges Buch von Christian Hardinghaus, Nach „Die verdammte Generation“ kommen hier dreizehn Frauen zu Wort, die den zweiten Weltkrieg erlebt haben und zum Ende hin Vertreibung, Flucht ...

Ein weiteres, wichtiges Buch von Christian Hardinghaus, Nach „Die verdammte Generation“ kommen hier dreizehn Frauen zu Wort, die den zweiten Weltkrieg erlebt haben und zum Ende hin Vertreibung, Flucht und Ausbombung erlebt haben. Es sind intensive Schilderun-gen, auch wenn diese von den betroffenen Frauen nach so vielen Jahren erzählt wurden und sie ihre damaligen Gefühle nicht in den Vordergrund stellen.
Dazu hat der Autor ausführliche Erläuterungen verfasst, die den Lesern die damalige Zeit und Umstände erklären. Bei der heutigen Erinnerungskultur ist das auch sehr nötig, denn die gerne gebrauchte Verallgemeinerung, dass ja alle mitgemacht haben und „Schuld“ haben stimmt so ganz und gar nicht. Wie eine Zeitzeugin sagte, sie wurden alle betrogen und hin-tergangen.
Nach dem Lesen könnte man auch sagen, dass der Großteil der Deutschen einfach nur be-nutzt wurde um die hochtrabenden Pläne einer Gruppe Wahnsinniger durchzusetzen.
Die Leute haben versucht zu überleben, in ihrer Umgebung. Und wenn man sich nicht an-passte hatte man Repressalien zu erwarten.
Einmal liegt der Fokus auf den aus ihrer Heimat Vertriebenen. Wie und unter welchen Um-ständen es zu ihrer Flucht kam, was die Menschen erlebten und diese schlimmen Gescheh-nisse irgendwie überstanden, während gefühlt die Welt unterging. Dann die Menschen in den Städten deren Welt auch unterging, besser in Schutt und Asche zerlegt wurde. Überall nur Zerstörung und Tod. Das was die Menschen, besonders halt auch die Frauen durchstehen mussten, hat dann eher wenig mit der Vorstellung von Krieg zu tun, wo Soldaten gegenei-nander kämpfen. Wenn Tiefflieger auf Flüchtende Frauen schießen, Frauen vergewaltigt werden, dann ist die Rede von Schuld sehr unangebracht.
Christian Hardinghaus schafft es wieder die Geschichte der Zeitzeuginnen einfach nur dazu-stellen und dadurch die ganze Zeit damals aus einer anderen Sicht darzustellen. Durch die Erzählungen der Frauen nehmen die ganzen Geschehnisse nochmal eine andere Gestalt an. Vom einzelnen Schicksal zu lesen wirkt intensiver, macht betroffener.
Ich finde „Die verratene Generation“ ebenso wichtig wie „Die verdammte Generation“ und die Bücher müssten eindeutig im Schulunterricht behandelt werden. Damit nicht vergessen wird und eine andere Sicht als die der Wochenschau auf diese Zeit fällt

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Veröffentlicht am 28.11.2020

Gibt den frauen, die Bomben, Gewalt und Vertreibung erlebt haben, eine Stimme

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Christian Hardinghaus, Historiker und Autor von Krimis und Sachbüchern, hat nach seinem letzten Buch „Die verdammte Generation“, in dem die letzten männlichen Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges zu Wort ...

Christian Hardinghaus, Historiker und Autor von Krimis und Sachbüchern, hat nach seinem letzten Buch „Die verdammte Generation“, in dem die letzten männlichen Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges zu Wort gekommen sind, nun 13 Frauen dieser Generation die vermutlich letzte Möglichkeit gegeben, über ihre Erlebnisse zu sprechen.

Noch 75 Jahre nach Kriegsende ist es nicht leicht, über die traumatischen Ereignisse zu sprechen. Umso mehr muss man den Frauen, alle zwischen 90 und 100 Jahre alt, danken und Respekt zollen, dass sie zu Christian Hardinghaus Vertrauen gefasst und über Flucht und Vertreibung, Bombenangriffe, schwanger sein im Dritten Reich sowie über die allgegenwärtige Angst vor Vergewaltigung und Tod, gesprochen haben.

Bevor sich der Leser mit den 13 Frauen widmen kann, gibt es einführende Kapitel. Wie es sich für einen Historiker gehört, sind diese sehr sachlich, kompetent und nicht wertend verfasst. Diese Einführung ist notwendig, um den Lesern von heute die Zu- und Umstände von damals näher zu bringen. Oft wird nämlich, mit dem Wissen von heute, der Generation unserer Großeltern und Eltern der Vorwurf gemacht, nicht bzw. Nicht genügend gegen die NS-Diktatur eingetreten zu sein. Für uns, die wir seit 1945 in Frieden leben, ist es, schwer nachzuvollziehen, wie es damals wirklich war.

In vier großen Kapiteln, von denen die ersten beiden eben die Zeitgeschichte erklären, nehmen wir Anteil an den Biografien der 13 Frauen.

Die Angst der Deutschen vor der Erinnerung
Frauen im Zweiten Weltkrieg: verführt, verbraucht, verraten und vertrieben
Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten
Bombenkrieg gegen Deutschland

Auch Kapitel 3 und 4 beginnen jeweils mit einer Einleitung, die den historischen Kontext beleuchtet.

Dann kommen die betagten Damen zu Wort, die schier Unglaubliches erlebt haben. Sei dass sie, nach 1945 aus dem ehemaligen Protektorat Böhmen und Mähren innerhalb weniger Stunden brutal vertrieben worden sind, obwohl ihre Familien seit mehreren Generationen dort ansässig waren oder sei es, dass vor der einmarschierenden Sowjetarmee flüchteten.

Nicht minder dramatisch sind die Schilderungen jener, die in Städten wie Hamburg oder Dresden die Flächenbombardements der RAF und USAAF miterleben mussten.

"Ich musste meinem Vater versprechen, dass ich immer nur in Hochbunkern Schutz suche. Die hielt mein Vater für sicher." (Lore S.244)

Eindrucksvoll erzählen die 13 Frauen, wie zeigen wie eng Tod und überleben nebeneinanderliegen - oft genügen wenige Meter oder ein paar Minuten.

Zwischen den Berichten erklärt der Autor historische Zusammenhänge und technische Details wie z.B. das physikalische Phänomen des Entstehens eines Feuersturms wie bei der „Operation Gomorrha“ (Bombardierung von Hamburg).

Obwohl die Frauen dieser Zeit Unglaubliches geleistet und erlebt haben, sind dieses Schicksale von den Historikern bislang kaum untersucht worden. Nur gelegentlich nimmt sich die Frauenforschung dieses Themas an, wie z.B. Margarete Dörr in ihrem Buch „Durchkommen und Überleben“ oder Sabine Bode mit ihren Büchern zur generationenübergreifenden Traumaforschung, aber sonst?

Diese Lücke in der Geschichtsforschung, wie Frauen im Zweiten Weltkrieg vom Regime verführt, verbraucht, verraten und von den Siegern vertrieben worden sind, versucht Christian Hardinghaus mit diesem Buch zu füllen. Leider bleibt nicht mehr allzu viel Zeit, denn die bewegten Leben der Zeitzeuginnen neigen sich ihrem Ende zu. Einige haben die Fertigstellung des Buches leider nicht mehr erlebt, andere hingegen können ihre Erinnerungen an die Zeit des NS-Staates noch lesen, obwohl sie dieses gar nicht bedürfen, denn diese Jahre haben sich unauslöschlich in die Psyche eingebrannt. Manche von den Überlebenden zittern heute noch, wenn eine (Feuerwehr)Sirene ertönt.

Hut ab und ein herzliches Danke an die 13 Frauen für ihre sehr persönlichen Erzählungen.

Fazit:

Mit diesem Buch hat Christian Hardinghaus allen jenen Frauen eine Stimme verliehen, die nicht in der Lage waren oder sind, über die alltägliche Gewalt an Frauen und Kindern im Zweiten Weltkrieg zu sprechen. Das Buch verdient volle 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 26.11.2020

Frauenschicksale während des Zweiten Weltkrieges - Zeitzeuginnen berichten

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Die Bücher von Christian Hardinghaus begleiten mich nun schon eine Weile und immer wieder bin ich begeistert von seiner sachlichen und sehr interessanten Darstellung der Zeit rund um den Zweiten Weltkrieg. ...

Die Bücher von Christian Hardinghaus begleiten mich nun schon eine Weile und immer wieder bin ich begeistert von seiner sachlichen und sehr interessanten Darstellung der Zeit rund um den Zweiten Weltkrieg. Der Historiker fesselt mit seinen Berichten und Analysen und bringt die Geschichte jedem Leser näher. Was hätte ich mir gewünscht, damals in der Schule, nur einen Bruchteil dessen so interessant erzählt zu bekommen.

Nachdem der Autor in "Die verdammte Generation" den männlichen Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges ein Buch gewidmet hat, sind es nun in "Die verratene Generation" die Frauen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit diese immens wichtigen Zeitzeugen anzuhören, denn seit 75 Jahren ist der letzte Weltkrieg beendet. Doch noch heute leben wir mir den Nachwirkungen und zwar mehr, als wir oftmals denken.
Bevor sich Hardinghaus wieder den Einzelschicksalen seiner Zeitzeuginnen widmet und ihnen eine Stimme gibt, geht der Autor auf die Rolle der Frau während des Zweites Weltkrieges ein. Diese steht im Vergleich zu den männlichen Soldaten sehr im Hintergrund und wird oftmals fälschlich dargestellt und dies von vorwiegend weiblichen Historikerinnen. Es geht um die Frage der Schuld und wie die Gesellschaft von heute diese Zeit sieht. Danach widmet er sich Frauen auf der Flucht. Dabei kam es massenhaft zu Gewalt, Ausgrenzungen und Vergewaltigungen. Die Flucht geschah meistens in Etappen, denn der Russe kam immer schneller näher und war gefürchtet. Die Flüchtlinge waren jedoch innerhalb ihres eigenen Landes nicht willkommen.

Im letzten Teil wird näher auf die Bombardierungen eingegangen. Besonders der Feuersturm in Hamburg und die Zerstörung Dresdens am Ende des Krieges nehmen dabei eine wichtige Rolle ein. Wie die Menschen diese furchtbaren Flächenbombardments, die nach heutigen Maßstäben völkerrechtlich als Kriegsverbrechen gewertet werden erlebt haben, lässt Hardinghaus seine Zeitzeuginnen berichten. Für uns Leser ist es unvorstellbar, wenn man die Zahlen der verschiedenen Bomben liest, die auf die Städte abgeworfen wurden, wie dabei überhaupt jemand überleben konnte.
Gelernt habe ich auch wieder einiges, wie z.Bsp., dass es Hoch- und Tiefbunker gibt. Lores Vater war Architekt und half mit beim Bau vieler Bunker in Hamburg.
..."musste ich meinem Vater versprechen, dass ich immer nur in Hochbunkern Schutz suche. Die hielt mein Vater für sicher."
Außerdem erfahren wir, dass es sogar eigene Bunker für schwangere Frauen gab.

Die Zeitzeuginnen sind aus unterschiedlichen Schichten und Regionen, diesmal aber großteils (Dank Corona) im Norden Deutschlands angesiedelt. Trotzdem sind die Erzählungen sehr individuell. Hardinghaus hat besonders darauf geachtet unterschiedliche Lebensberichte in seinem Buch zu veröffentlichen. Dabei werden die Bombardierungen in Dresden, der Feuersturm in Hamburg, die Vertreibung der Sudetendeutschen oder die Flucht über die Haff theamtisiert. Auch den Trümmerfrauen gibt er ein Sprachrohr.
Die Frauen haben während des Krieges ihre Familie zusammengehalten und oftmals unaussprechliches Leid erfahren. Doch sie gaben nicht auf und wurden zeitlebens nie gehört. Helden waren nur die Männer, die Frauen nicht.
Die ereignisreichen und doch so unterschiedlichen Lebensgeschichten verschmelzen mit dem historischen Kontext zu spannenden und berührenden Erzählungen, die einem viele verschiedene und oftmals neue Einblicke gibt. Manchmal entscheiden nur Sekunden oder wenige Meter über Leben und Tod.
Zahlreiche private Fotos bringen dem Leser, die vom Autor ausgewählten dreizehn Zeitzeuginnen, noch näher. Auch Bilder von den zerstörten Städten lassen einem nur sprachlos zurück. Was bin ich froh, dass ich diese Zeit nicht miterleben musste.

Fazit:
Nach der Sicht männlicher Zeitzeugen in seinem Werk "Die verdammte Generation" hat der Autor nun den Frauen, die diese Zeit miterlebt haben, eine Stimme gegeben. Gewohnt lebendig hat der Historiker die Erzählungen der Zeitzeuginnen festgehalten, um #gegendasvergessen anzukämpfen. Falls eure Großmütter geschwiegen haben, so wie die meisten Männer und Frauen, die die Weltkriege miterlebt haben, dann liest dieses Buch! Auch diesmal kann ich wieder nur eine klare Leseempfehlung abgeben und rate wirklich jeden sich diese beiden Bücher über die letzten Zeitzeugen zu kaufen oder zu wünschen (Weihnachten naht!)

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Veröffentlicht am 23.11.2020

Ein wichtiges Buch

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„...Wie erklärt man den Kindern und Enkeln, was in einem totalitären Terrorregime für den Einzelnen möglich ist? Können sie sich bei all den Freiheiten, die für sie heute selbstverständlich sind, überhaupt ...

„...Wie erklärt man den Kindern und Enkeln, was in einem totalitären Terrorregime für den Einzelnen möglich ist? Können sie sich bei all den Freiheiten, die für sie heute selbstverständlich sind, überhaupt vorstellen, was es bedeutet, in einer Diktatur zu leben?...“

Das sind nur zwei der Fragen, die der Autor im Vorwort seines Buches formuliert. In diesem Buch gibt er Frauen eine Stimme, Frauen, die Vertreibung und Gewalt erfahren, Frauen, die im Bombenhagel um die Kinder gebangt haben. Es bleibt nur noch eine kurze Zeitspanne, Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen. Dieses Mal hat der Autor Frauen aufgesucht, um sie zum Sprechen zu bewegen.
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Am Anfang analysiert der Autor, was der Krieg für die Frauen bedeutet hat. Dabei geht es auch um Fragen der Schuld und um die heutige Sicht auf das Geschehene. Dann folgt ein zweiter Teil zum Thema Vertreibung. Der dritte Teil wendet sich dem Bombenkrieg zu.
Auch der zweite Abschnitt beginnt mit einem Überblick über die damaligen politischen Entscheidungen und die konkreten Folgen. Dann folgen fünf Erlebnisberichte. Gisela, die zu Kriegsbeginn 14 Jahre war, erzählt zum Beispiel:

„...Aber nach Stutthof sind Juden aus anderen Gebieten deportiert wurden, mit Zügen, klammheimlich und nachts an der Stadt vorbei. Das haben wir nach dem Krieg erfahren. Geahnt hat das niemand. Auch dass dort eine Menge katholischer Priester ermordet worden sind, bekamen wir erst später mit...“

Die Erlebnisberichte werden vom Autor durch Faktenwissen ergänzt.
1944 wird Gisela zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. In letzter Minute plant die Führerin die Flucht.

„...Dirschau diente als Eisenbahnknotenpunkt. Dort wurden wir in einen Güterzug gesteckt, mit den wir drei Tage unterwegs waren. Der Zug hielt an verschiedenen Ortschaften, wo wir notdürftig mit Wasser, Suppe und Brot versorgt wurden. Die Kälte blieb unerträglich...“

In allen Berichten wird eines deutlich: Die Flucht geschah etappenweise. Glaubte man sich sicher, kam die Armee näher und es hieß, sich wieder auf den Weg zu machen. Hinzu kam, dass weder die Geflüchteten noch die Vertriebenen in der neuen Heimat willkommen waren.
Der dritte Teil befasst sich mit dem Bombenkrieg. Hier zitiert der Autor den Philosophen Anthony Clifford Grayling:

„...War das Flächenbombardement notwendig? Nein. War es verhältnismäßig? Nein...“

Den theoretischen Ausführungen folgen wiederum sieben Erlebnisberichte. Für uns Nachgeborene ist es unvorstellbar, Nacht für Nacht in einen Bunker fliehen zu müssen, ohne zu wissen, ob man ihn lebend verlässt. Der Bericht von Marianne aus Dresden klingt so:

„...Wir saßen übermüdet im Keller, hatten wie immer Brot und Wasser dabei und freuten uns darauf, gleich wieder hoch ins Bett zu dürfen. Aber dann krachte und donnerte es so fürchterlich, dass der Putz von den Wänden fiel und die Decke bebte. […] Wir dachten, dass wir nicht mehr rauskommen...“

Manchmal entscheiden nur wenige Meter über Tod oder Leben.
Ein Nachwort und ein Register ergänzen das Buch.
Das Buch hat mich tief beeindruckt. Es ist mit Sicherheit keine leichte Lektüre, denn es lässt einen auch mit der Frage zurück, wie der eigene Blick auf die Vergangenheit der Familie ist. Mit einem Zitat möchte ich meine Rezension beenden:

„...Was ist unsere Erinnerungskultur wert, wenn wir gar nicht mehr den Versuch wagen, die Vergangenheit zu verstehen?...“

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