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Veröffentlicht am 02.03.2021

Unter falscher Flagge

Das Verschwinden der Erde
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Kamtschatka, die Halbinsel im hintersten Südosten Russlands, war für mich bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte. Diese Leerstelle füllt Julia Phillips mit „Das Verschwinden der Erde“, nominiert für ...

Kamtschatka, die Halbinsel im hintersten Südosten Russlands, war für mich bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte. Diese Leerstelle füllt Julia Phillips mit „Das Verschwinden der Erde“, nominiert für den National Book Award und auf der Bestenliste 2019 der New York Times. Der Roman wird als literarischer Thriller beworben, aber das ist Segeln unter falscher Flagge und erfüllt die Erwartungen des Lesers/der Leserin nicht. Literarisch möchte ich ihm nicht absprechen, aber für einen Thriller braucht es definitiv mehr als das Verschwinden zweier Mädchen, zumal dieses Thema im Handlungsverlauf eher an den Rand rückt.

Seine Stärken hat der Roman in den atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen: Petropawlowsk, die farblose Metropole. Die Tundra, menschenleer und von unglaublicher Weite. Die Wälder, dunkel und dicht. Die schneebedeckten Vulkane, die in die Landschaft ragen.

Der Roman ist in 13 Kapitel gegliedert, mit dem jeweiligen Monat von August bis Juli plus der Silvesternacht des folgenden Jahres bezeichnet, startend mit dem Tag der Entführung. In jedem dieser Abschnitte steht eine andere Frau im Mittelpunkt, deren Leben äußerst locker, direkt oder indirekt, mit diesem tragischen Ereignis verknüpft ist. Die Autorin betrachtet deren Leben in einer männlich dominierten Welt, jedes davon durch ein mehr oder minder tragisches Ereignis beschädigt, und entwickelt so aus den Einzelschicksalen das Panorama einer uns fremden Gesellschaft.

Wenn wir über männliche Dominanz sprechen, ist natürlich das Thema Gewalt und wie diese das Zusammenleben der Menschen beeinflusst und prägt ein weiterer Faktor. Hier hat Phillips nicht nur das Verhältnis Mann/Frau im Blick, sondern schaut auch auf den Umgang der Russen mit der indigenen Bevölkerung in der Region. Bei all dem geht sie nicht in die Tiefe, kratzt nur an der Oberfläche, was unter dem Strich den Roman für mich zu einem unbefriedigenden Leseerlebnis macht.

Veröffentlicht am 14.02.2021

Erwachsenwerden in einer rauen Welt

Big Sky Country
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August wächst auf einer Milchvieh-Farm in Michigan auf. Es gibt viel zu tun, jede Hand wird gebraucht. Darwin, der Vater ist ein wortkarger, pragmatischer Typ, tut, was getan werden muss. Und wenn die ...

August wächst auf einer Milchvieh-Farm in Michigan auf. Es gibt viel zu tun, jede Hand wird gebraucht. Darwin, der Vater ist ein wortkarger, pragmatischer Typ, tut, was getan werden muss. Und wenn die Katzen auf dem Hof überhand nehmen, muss man sie eben erschlagen. So kommt August zu seinem ersten bezahlten Job: Katze erschlagen, Schwanz abschneiden, auf ein Brett nageln. Pro Schwanz 1 Dollar. Bonnie, die Mutter, ist nicht glücklich mit diesem Leben, träumt sich mit ihren Büchern und Filmen davon und hat sich auch räumlich distanziert. Ist in ein leerstehendes Haus auf dem Grundstück gezogen. Sie wünscht sich ein anderes Leben für ihren Sohn. Deshalb packt sie eines Tages ihre Sachen und überzeugt August, dass er mit ihr geht. Ihr Ziel ist Montana, Big Sky Country, so der Beiname des US Bundesstaates im Nordwesten, wo sie eine Stelle als Bibliothekarin annimmt. August geht zur Schule, spielt Football, erfährt Ablehnung und Freundschaft, die erste Liebe. Ein typisch amerikanisches Teenagerleben. Seine Mutter wünscht sich, dass er aufs College geht, aber er verdingt sich nach seinem Schulabschluss als Hilfsarbeiter auf einer Farm. Die harte Arbeit macht ihm nichts aus, er liebt das menschenleere Land und den weiten Himmel ohne Grenzen. Ist es dieser grenzenlose Himmel, der ihn dazu bringt, sein Leben und seine Möglichkeiten zu reflektieren?

„Big Sky Country“ ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden in einer rauen Welt, einer Männerwelt, in der die Väter ihre Söhne auf das spätere Leben vorbereiten, allerdings ohne Hinweis auf die Möglichkeiten, die noch auf sie warten könnten.

Ein ruhiger Roman, stellenweise melancholisch, es passiert nicht viel, eine lethargische Abfolge wiederkehrender Tätigkeiten. Selten geschieht etwas, aber wenn doch, verwundert den/die Leser/in die Empathielosigkeit der Beteiligten, die des Protagonisten nicht ausgenommen. Das Bild des „harten“ Mannes in der ländlichen Umgebung, das hier transportiert wird, entspricht dem, wie wir es aus den alten Western kennen, Frauen sind quasi nicht existent, und wenn doch, haben sie keinen Einfluss. Die Sprache des Autors ist präzise und klar, meist lakonisch, wenn es um Zwischenmenschliches geht. Zumindest in Ansätzen poetisch wird sie nur dann, wenn es um die Beschreibung der Landschaft geht. Und die Story? Langatmig und ohne Fortschritte, ohne besondere Höhepunkte, alles in allem eher enttäuschend. Aber vielleicht habe ich die Genialität des Autors auch nicht erkannt…

Veröffentlicht am 20.01.2021

Konventionell gestrickte Wohlfühllektüre

Das Windsor-Komplott
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Lust auf einen englischen Cozy-Krimi? Dann ist „Das Windsor-Komplott“ genau die richtige Lektüre. Bereits der Untertitel „Die Queen ermittelt“ lässt vermutlich schmunzeln, denn bereits die die Vorstellung, ...

Lust auf einen englischen Cozy-Krimi? Dann ist „Das Windsor-Komplott“ genau die richtige Lektüre. Bereits der Untertitel „Die Queen ermittelt“ lässt vermutlich schmunzeln, denn bereits die die Vorstellung, dass Queen Elizabeth II. in die Fußstapfen eines Sherlock Holmes treten könnte, erscheint doch recht absurd. Einen wachen Verstand mag sie ja trotz ihres hohen Alters haben, und die nötige Zeit für kriminalistische Unternehmungen sollte ja auch kein Problem sein, aber schon wegen ihres Bekanntheitsgrades sind verdeckte Ermittlungen mit Sicherheit kaum durchführbar. Aber dafür hat sie ja ihre Privatsekretärin Rozie sowie zahlreiche Bedienstete, die sie mit scharfem Verstand das ein um das andere Mal auf die richtige Fährte schickt.

Nun ja, wer das Genre mag und eine Vorliebe für die eher harmlosen Krimis à la Barnaby hat, ist mit diesem Buch gut bedient. Mein Fall war es nicht wirklich. Die Autorin hat sich bemüht, keine Frage, aber die Handlung war oberflächlich, strotzt vor Klischees, das geschilderte Leben in Windsor Castle entspricht eher den Vorstellung der Klatschpresse und hat mit dem zugigen, verstaubten Kasten mit Sicherheit wenig gemein. Einzig die Stellen, an denen Lizzy als Privatperson durchscheint - als Ehefrau (hier köstlich: der Prinzgemahl) oder als Omi -stechen aus dieser konventionell gestrickten Wohlfühllektüre heraus und verleihen ihr einen gewissen Charme.

Veröffentlicht am 14.01.2021

Frische Küche, ansprechend präsentiert

Super fresh
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Als erstes fallen bei diesem Kochbuch die künstlerisch hochwertigen Fotos ins Auge, die die Gerichte bzw. die Zutaten sehr ansprechend präsentieren und Appetit machen. Da läuft dem Hobbykoch schon beim ...

Als erstes fallen bei diesem Kochbuch die künstlerisch hochwertigen Fotos ins Auge, die die Gerichte bzw. die Zutaten sehr ansprechend präsentieren und Appetit machen. Da läuft dem Hobbykoch schon beim bloßen Anschauen das Wasser im Mund zusammen.

Die Rezepte lösen hingegen lösen das Versprechen des Untertitels "Jeden Tag schnell und leicht gekocht" nur bedingt ein, denn schnell geht selbst bei routinierten Köchinnen/Köchen anders. Man muss/sollte sich schon Zeit nehmen können, denn zum einen müssen die frischen Zutaten entsprechend vorbereitet werden (was gerade bei Gemüse ein Zeitfresser ist), zum anderen sind natürlich auch die Garzeiten ein Faktor. Bei den Fleischgerichten, bei denen fast ausschließlich Geflügelfleisch verwendet wird geht das natürlich relativ schnell, aber selbst bei reinen Gemüsegerichten aus dem Backofen muss man dann doch etwas Geduld mitbringen, bis das Essen auf dem Teller landet.

Auffällig und nicht zu unterschätzen sind die Zutaten, die wahrscheinlich in den wenigsten Haushalten im Vorratsschrank stehen. Allerdings sollte die Beschaffung, selbst wenn man nicht in der Großstadt lebt, kein Problem sein. Reiswein, Hoisin-Sauce und Chia-Samen haben ja mittlerweile selbst die Discounter im Angebot, und die Misopaste gibt es im Bioladen.

Wer Abwechslung auf dem Teller mag, neue Geschmacksrichtungen ausprobieren möchte und über genügend Zeit zum Kochen verfügt, ist mit den kreativen Kombinationen und den Kochbüchern der australischen Autorin jedenfalls mit Sicherheit gut bedient. Wer hingegen Rezepte für die schnelle und unkomplizierte Alltagsküche sucht, sollte besser auf andere Publikationen ausweichen.

Veröffentlicht am 07.12.2020

Leben und Sterben in Mexiko

Der erste Tote
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Andrew und Carlos sind ein Paar, beides Journalisten. Der eine schreibt, der andere schießt die Bilder dazu. Für eine Reportage über die Fracking-Industrie sammeln sie Material in Poza Rica, der heruntergekommenen ...

Andrew und Carlos sind ein Paar, beides Journalisten. Der eine schreibt, der andere schießt die Bilder dazu. Für eine Reportage über die Fracking-Industrie sammeln sie Material in Poza Rica, der heruntergekommenen Erdölmetropole in Veracruz. Auf dem Heimweg nach Mexico City finden sie in einer Nebenstraße die grässlich zugerichtete Leiche eines jungen Mannes, laut Ausweis ein Student namens Julián Gallardo, der, wie sich später herausstellen wird, der führende Kopf einer Gruppe von Umweltaktivisten ist. Carlos will letzte Fotos machen, als auch schon ein Wagen der Guardia Civil mit drei Cops eintrifft, die dies mit roher Gewalt verhindern. Nachdem sie Carlos’ Personalien festgestellt haben, packen sie den Toten und transportieren ihn ab. Carlos hat Blut geleckt, will vor Ort bleiben, weiter recherchieren. In Andrews Augen keine gute Idee, und so fährt er alleine zurück. Es kommt, wie es kommen muss, Carlos bezahlt für seine Neugier mit dem Leben. Und Andrew? Fühlt sich schuldig und setzt nun alles daran, die Hintergründe um Carlos‘ und Juliáns Ermordung aufzuklären. Die Vermutung, dass er damit in ein Wespennest sticht und auch sein eigenes Leben aufs Spiel setzt, liegt nah, denn um das große Geld zu kommen, geht die unheilvolle Allianz zwischen Industrie, Politik, Polizei und organisiertem Verbrechen über Leichen.

In Tim MacGabhanns Debütroman „Der erste Tote“ zeigt sich Mexiko von seiner dreckigen, brutalen Seite. Der Autor ist Ire, Journalist, lebt und arbeitet dort seit vielen Jahren und hat nun seine persönlichen Erfahrungen, Beobachtungen und Recherchen in diesem Roman verarbeitet, der Auftaktband einer Trilogie ist.

Hierfür wählt er, wie er im Nachwort ausführlich erläutert, die Form der mexikanischen "Crónica", einer Mischform aus objektiver Reportage und Fiktionalität. Einerseits die Stärke, andererseits aber auch die Schwäche des Romans. Der langwierige Prozess von Andrews Recherche und dessen Beschreibung zieht sich, unzählige Gespräche und Informationen, die in Zusammenhang gebracht werden müssen. Allerdings punktet er durch detaillierte atmosphärische Beschreibungen, die eine Ahnung des Alltags vermitteln, die permanente Bedrohung schildern, denen diejenigen Journalisten ausgesetzt sind, die sich mit Kartellen und der mexikanischen Korruption beschäftigen.

Aber all das habe ich schon in wesentlich eindrücklicherer Aufbereitung gelesen. Nichts Neues über die kriminellen Machenschaften der Fracking-Industrie, über deren Verflechtung mit korrupten Politikern, Staatsorganen und gekauften Polizisten, über die Verfolgung und Ermordung kritischer Journalisten, eher eine unbefriedigende Gemengelage aus Reportage und Roman/Thriller, die mich leider nicht vollständig überzeugen konnte.

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