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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.12.2020

Eine große kleine Erzählung

Bonnie Propeller
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Wenn eine mit vielen Preisen gewürdigte Literatin über ihren Hund, nein, über ihr Leben mit Hund, schreibt, kann nur etwas Besonderes entstehen. Und in der Tat, diese kleine Geschichte ist groß. Groß ...


Wenn eine mit vielen Preisen gewürdigte Literatin über ihren Hund, nein, über ihr Leben mit Hund, schreibt, kann nur etwas Besonderes entstehen. Und in der Tat, diese kleine Geschichte ist groß. Groß in der Sprache, groß in der Beobachtung, groß im Inhalt. Anders kann ich die Wirkung dieses kleinen großen Textes nicht zusammenfassen.

„Ich saß verloren in meiner Wohnung… Mein Hund war gestorben und hatte mich in die Einsamkeit entlassen.“ Die Autorin ist Jahrgang 1941. Da verweigern Tierheime eine Vermittlung. Doch intensive Internetrecherche und ein dummer Schreibfehler bewirken, dass Propeller aus Ungarn angereist kommt. Und dieser Hund sieht so ganz anders aus als auf den Internetfotos und in den Wunschträumen der Autorin: Er ist zu dick, zu klein, hat zu krumme Beine. Keine Liebe auf den ersten Blick, im Gegenteil.

Monika Maron deckt selbstkritisch und ironisch auf, wie oberflächlich wir nach Äußerlichkeiten beurteilen, wie wir uns abhängig machen von der Beurteilung Dritter, wie wir permanent Vergleiche anstellen und wie schwer wir uns tun, Unvollkommenes zu akzeptieren. Das allein schon ist das Lesen dieser Geschichte wert. Über ihre Form der Tierliebe könnte man vielleicht an manchen Stellen der Erzählung diskutieren, da der neue krummbeinige Hund Erwartungen und Projektionen in einem Maß erfüllen soll, das weit über seine Möglichkeiten geht. Aber Bonnie Propeller mit der den Hunden eigenen Fähigkeit der seismographischen Wahrnehmung der Menschen um ihn herum gelingt es über die Zeit hinweg auf zu Herzen gehende Weise, eine unauflösbare Bindung zu dieser im Inneren einsamen Frau aufzubauen. Und nicht nur einmal denke ich mir beim Lesen, dass Hunde die besseren Menschen sind.


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Veröffentlicht am 10.12.2020

Ein Buch wie heißer Tee und Bitterschokolade

Drei Frauen im Schnee
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Sonja ist Mutter von Teenager-Zwillingen, die zunehmend anfangen, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie ist Ehefrau eines vielbeschäftigten Ehemannes, der sich aus allem heraushält. Und im Dachgeschoss lebt ...


Sonja ist Mutter von Teenager-Zwillingen, die zunehmend anfangen, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie ist Ehefrau eines vielbeschäftigten Ehemannes, der sich aus allem heraushält. Und im Dachgeschoss lebt die Schwiegermutter, die viel auf Traditionen hält und Sonja entsetzlich auf die Nerven geht. Da Sonja vor kurzem ihren Job verlor, bleibt alle Arbeit an ihr hängen, gerade jetzt in den Tagen vor Weihnachten. Als am Weihnachtsabend ganz ungeplant das Chaos ausbricht, verschwindet Sonja aus diesem Leben und gerät durch Zufall in ein ganz anderes Leben in den Bergen, mit neuen Freundinnen und ganz neuen Sorgen.

Nein, ein lustiges Buch ist das nicht, wie ich finde. Wie ein Voyeur fühlt man sich als Leser, wenn man mit der Erzählerin in das Familienleben von Sonja hineinschaut. Es sind die wohlvertrauten, altbekannten Familienmuster, die so oder ähnlich fast jeder von uns kennt. Elternabende, Vergeblichkeit des Putzens, seltsame Gespräche mit pubertierenden Kindern. Egozentrik, Gedankenlosigkeit, Selbstverständlichkeit – Sonja erträgt alles, bis schließlich das Maß übervoll ist. Ab hier nimmt die Geschichte seinen besonderen, fast weihnachtlichen Verlauf und bringt sowohl Sonja als auch dem Leser ein versöhnliches Ende. Ein kleines Büchlein, das wunderbar zur Unterhaltung dient an einem neblig-trüben Nachmittag. Man nimmt einen Schluck heißen Tee, verbrennt sich die Zunge, schüttelt den Kopf und schimpft und schmunzelt sich durchs Sonjas Alltag. Zurück bleibt von der Lektüre ein Gefühl wie Bitterschokolade: süß und herb zugleich.

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Veröffentlicht am 09.12.2020

Familie ist, wenn man sich liebt

Das alles ist Familie
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Familie ist, wenn man sich liebt

Dieses Bilder-/Vorlesebuch für Vierjährige und älter hat sich ein wichtiges Thema vorgenommen und verlockt mich sehr, dieses Thema als Lesepatin aufzugreifen: Was ist ...

Familie ist, wenn man sich liebt

Dieses Bilder-/Vorlesebuch für Vierjährige und älter hat sich ein wichtiges Thema vorgenommen und verlockt mich sehr, dieses Thema als Lesepatin aufzugreifen: Was ist Familie? Wie vielfältig sind die Möglichkeiten, eine Familie zu sein? Und alle Formen des Miteinanders haben Respekt und Toleranz verdient.

Auf sehr gelungene, dem Zielgruppenalter angepasste Weise schlägt Michael Engler mit seinem Buch eine Bresche für die Vielfalt der Lebensmöglichkeiten. Er verpackt seine Botschaft geschickt in eine Handlung, die sogar eine gewisse Spannung mit sich bringt, denn der kleine Lars findet vor der Haustür ein Päckchen. Allerdings ist das Etikett verschmiert, sodass niemand weiß, wem das Päckchen gehört. Da kommt Lars auf die Idee, in der Nachbarschaft herumzufragen und bekommt schnell Unterstützung von Lina, deren Eltern viel streiten, sich aber auch schnell wieder vertragen. Wo immer die beiden Kinder klingeln, öffnet sich für sie eine andere Welt des Zusammenlebens, so wie sie es aus ihrem eigenen Zuhause nicht kennen. Ob zwei Frauen mit Kind zusammenleben oder ob eine Großfamilie mit 7 Kindern und Oma und Opa im Haus leben oder ob Lars und Lisa eine Patchworkfamilie kennenlernen – alles bringt sie zum Staunen. Und sie erfahren, dass es vielfältige Möglichkeiten des Zusammenlebens gibt und dass die Liebe zu- und füreinander das feste Band ist, das Familie zusammenhält.

Sensibel und liebevoll lässt Michael Engler Bewusstsein für Vielfalt und Toleranz entstehen. Zum Ende des Buches werden die die verschiedenen Formen des Zusammenlebens in kindgerechter Weise noch einmal genauer dargestellt. Was ist ein Mehrgenerationenhaushalt oder was ist eine Regenbogenfamilie? Wie funktioniert eine Patchworkfamilie? Die wunderschönen zarten, feinen Illustrationen von Julianna Swaney setzen Handlung und Thema des Buches zusätzlich perfekt in Szene. Ein sehr gelungenes Buch für die Kleinen, das seine Wirkung gerade beim Vorlesen durch Erwachsene entfaltet

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Veröffentlicht am 08.12.2020

Ich fühle, also bin ich

Die gestresste Seele
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Selten habe ich mehr bedauert, ein Buch nur digital vorliegen zu haben, wie in diesem Fall. „Die gestresste Seele“ von Dr. Gustav Dobos sollte man sich unbedingt in gebundener Form zulegen, denn es handelt ...

Selten habe ich mehr bedauert, ein Buch nur digital vorliegen zu haben, wie in diesem Fall. „Die gestresste Seele“ von Dr. Gustav Dobos sollte man sich unbedingt in gebundener Form zulegen, denn es handelt sich um ein Buch, das man immer und immer wieder zur Hand nehmen möchte. Mit dem reinen Durchlesen ist es nicht getan!

Der Autor Prof. Dr. med. Gustav Dobos, der die Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin in Essen leitet, hat mit „Die gestresste Seele“ ein optimal strukturiertes Buch vorgelegt. Mit der theoretischen Beleuchtung der vielen Säulen, auf denen die Naturheilkunde und Integrative Medizin ruht, beginnt der Autor. Und genau dies ist auch erforderlich, um die vielen erforschten und auch die nicht ausreichend erforschten möglichen Zusammenhänge zwischen Körper und Geist, zwischen Körper und Seele ein wenig besser zu verstehen. Dr. Dobos will uns vermitteln, wie viel einfacher es ist, über Gefühle statt über Worte auf den Körper einzuwirken. Und wie wichtig es ist, dass wir nicht nur die Körpersignale, sondern auch die Gefühlssignale wahrnehmen und dass es tatsächlich möglich ist, auf die Grundgefühle bewusst Einfluss zu nehmen. Nach vielen gut verständlichen und wissenschaftlich untermauerten theoretischen Ausführungen, die bereits für den Leser so manches Aha-Erlebnis mit sich bringen, beginnt das Training der Resilienz im zweiten Teil des Buches. Wie hat es mich gefreut, dass Dr. Dobos ein Kapitel Viktor E. Frankl widmet, dem Begründer der Logotherapie, in der ich selbst ausgebildet bin: „Es gibt keine einzige Lebenssituation, die man nicht in eine sinnhafte Situation umwandeln könnte.“ Unsere Haltung zu den Geschehnissen ist entscheidend. Das 8-Wochen-Trainingsprogramm, zusammengestellt aus den Grundsätzen der Mind-Body-Medizin, beschließt das Buch. Das Programm fasst Körper und Geist in seinen verschiedenen Übungen auf ideale und durchaus machbare Weise zusammen.

Dr. Dobos schreibt an keiner Stelle belehrend oder „von oben herab“. Vielmehr öffnet er mit seinem Buch wohlwollend und mitfühlend die Wundertüte seines umfassenden Fachwissens, um uns begreiflich zu machen, dass wir es selbst in der Hand haben, unserer gestressten Seele zu helfen. Denn es gibt einen hochwirksamen Weg, aber man muss ihn gehen, man muss ihn üben, üben, üben, jeden Tag aufs Neue. Lesen reicht nicht!

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Veröffentlicht am 05.12.2020

Und weiter geht es mit der opulenten Familiensaga

Gut Greifenau - Silberstreif
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Ach, ist das schön, wieder eintauchen zu können in diese mehrbändige, grandios erzählte Familiensaga, die alles bereit hält, was der Lesehungrige begehrt, nämlich kurz gesagt Gefühle und Spannung, perfekt ...


Ach, ist das schön, wieder eintauchen zu können in diese mehrbändige, grandios erzählte Familiensaga, die alles bereit hält, was der Lesehungrige begehrt, nämlich kurz gesagt Gefühle und Spannung, perfekt in Szene gesetzt in einer historischen Zeit.

In Band 5 geht es um die Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, von 1923 bis 1928, einer durchaus dramatischen Zeit, in der die Inflation ihren Höhepunkt erreichte mit all den existenzvernichtenden Ereignissen, die die Wirtschaftskrise mit sich brachte. Und man ahnt bereits die Anfänge der politischen Entwicklung, die nicht nur den Deutschen entsetzliches Elend mit sich bringen wird. Es geschieht viel mit den und rund um die Bewohner von Gut Greifenau, zuviel, um es hier zusammenfassend auf den Punkt zu bringen. Band 5 ist ebenso wie seine Vorgänger prall voll von Leben und Leiden und Freude in all seinen Facetten.

Hanna Caspian hat die großartige Gabe, so ausufernd detailreich und damit so intensiv zu erzählen, dass man als Leser völlig eintaucht in das Leben derer von Auwitz-Aarhayn. Ich hatte beim Lesen auch dieses fünften Bandes das Gefühl, mich wie in einer Unterwasserwelt völlig losgelöst von meinem realen Alltag in dem von der Autorin so meisterhaft gezeichneten Umfeld zu bewegen, mich mit all den kleinen und großen Dramen herumzuschlagen, mit denen die Protagonisten zu kämpfen hatten. Da die Autorin für ihre Romane sehr sorgfältig recherchiert, gewann ich einen intensiven Blick auf die politischen Entwicklungen und deren Auswirkungen, auf technische Neuerungen und besonders auf die persönlichen Weiterentwicklungen der Personen, deren Leben man als Leser schon von Band 1 verfolgen durfte. Band 5 hat ebenso wie die Vorgängerbände unbedingten Suchtfaktor!

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