Genauso muss New Adult sein!
Curtis: "Love is love. Love is here, love is soon. Love is real, love is true.", singen Link und Bonnie, und ich spüre, was sie spüren, spüre, was wir alle spüren.
"Love is fair, love is bright, love is ...
Curtis: "Love is love. Love is here, love is soon. Love is real, love is true.", singen Link und Bonnie, und ich spüre, was sie spüren, spüre, was wir alle spüren.
"Love is fair, love is bright, love is gold.
Love is wild, love is wild, love is bold."
"Love is Wild" ist mein drittes Buch von Kathinka Engel und das, welches mir mit Abstand am besten gefällt! Denn sie hat hier nicht nur eine hinreißende Geschichte geschrieben, sondern auch genau das umgesetzt, was ich mir vom New Adult wünschen würde: ein ernstes Thema, das genauso viel Beachtung erhält, wie nötig ist, eine Charakterentwicklung, die konsequent zu Ende erzählt wird, eine Liebesgeschichte, die gesund und verantwortungsvoll eingegangen wird, und vor allem - eine Protagonistin, die genau weiß, wer sie ist, was sie umwerfend macht und was sie will.
Curtis: "In mir regt sich Wut. Wut auf die ganze verfluchte Welt, in der nie irgendetwas läuft, wie ich es mir vorstelle. (...) Das ist der Scheiß mit Freunden. Sie verstehen dich immer besser als du dich selbst."
Das Cover ist genau wie die Geschichte bunt, glitzernd, peppig, lebendig und sehr schön anzusehen. Ich mag die rosa-blauen Farbwirbel, den großen roten Titel, die bunten Blumenranken und die Glitzerwolken sehr, aber ein ausdrucksstarkes Motiv ist auch dieses bunte Kunstwerk nicht wirklich. Schön ist aber, dass die Gestaltung der drei Teile eine Zusammengehörigkeit der Reihe deutlich macht, auch wenn ich das nicht praktisch beurteilen kann, da ich nur diesen dritten Teil besitze und gelesen habe.
Amory: "Wieso darf man nicht mal verunsichert sein?", fragt Franzi. "Wieso gibt es immer nur Extreme? Stark oder schwach, laut oder leise, mutig oder ängstlich, wild oder brav... Sei doch einfach alles. Und alles dazwischen. Gleichzeitig, nacheinander, überlappend. Wie es dir gefällt."
Das dies nicht der richtige Teil zum Einsteigen in die Trilogie ist, hat mich beim Lesen nur wenig gestört. Zwar kommen auch die Figuren der ersten Teile am Rande vor, im Fokus steht aber die eigenständige Geschichte von Amory und Curtis. Dadurch dass die beiden zusammen in einer WG wohnen, kommt das nicht ganz so taufrisch Mitbewohner-Motiv ins Spiel, ungewöhnlich aufgepeppt wird die Liebesgeschichte aber durch drei Komponenten. Erstens: Amory und Curtis hatten eine jahrelange lose Sex-Affäre. Zweitens: Curtis hat ein Aggressionsproblem. Und drittens: Amory ist in einer stabilen Beziehung mit einem Arbeitskollegen. Dass diese drei Komponenten der Handlung äußerst problematisch zusammenwirken und daraus ein intensives Spannungsgefüge mit großen Konfliktpotential entsteht, muss ich denke ich nicht weiter ausführen. Schon nach wenigen Seiten befinden wir uns in einem berührenden und packenden Strudel aus Eifersucht, Liebe, Wut, Selbsthass, Bedauern und Anziehungskraft, der einen nicht mehr loslässt.
Curtis: "Die rauen, unverputzten Wände, die neuen Fenster, deren staubige Schlieren erst im Sonnenlicht so richtig hervortreten. Und das ist es wohl, was das Leben ausmacht, schätze ich. Das Hässliche ist vor allem im Glanz des Schönen sichtbar."
Kathinka Engels Schreibstil ist dabei gewohnt lebendig, ehrlich und emotional, verliert dabei aber nie die Charakterentwicklung und ihre Themen aus dem Blick. Neben inhaltlichen Schwerpunkten wie Selbstliebe, Musik, Trauma, Störung des Sozialverhaltens und Mathe (keine Angst, nur ein klitzekleines bisschen), wird auch das Setting in New Orleans stark miteingebunden. Sehr gut gefällt mir, dass die Autorin hier nicht nur den peppigen, künstlerischen Multi-Kulti-Vibe, die Touristenattraktionen und all das Schöne der Stadt als Hintergrundkulisse für ihre Handlung verwendet, sondern auch auf Schattenseiten und Probleme der Stadt wie beispielsweise das dunkle Kapitel der Auswirkungen des Hurrikans Katrina, verweist. Doch keine Angst - trotz der vielen ernsten Themen und einigen negativen Emotionen, handelt es sich hier um ein Wohlfühlbuch mit alles in allem vorhersehbarem Verlauf, herzerwärmender Story und gütigen Versprechen auf ein Happy End, die über jedem Problem schweben.
Curtis: "Die Stimmung ist spürbar geladen. Aufgeladen. Und ich begreife, dass dies hier tatsächlich besser ist als jede Droge. Der Lärm im Publikum verstummt in gespannter Erwartung. Ich hebe meine Sticks und beginne zu zählen. Und dann spielen wir. (...) Spielen uns in Ekstase. Ich kriege kaum mit, wie das Publikum abgeht, so sehr bin ich bei mir - bei uns. Vergessen ist die Wut, vergessen ist der Alltag. Nur manchmal nehme ich wahr, wie die Menge wogt, wie alle beim letzten Refrain mitsingen. Wie sie zwischen den Songs johlen und jubeln. Uns anpeitschen, während wir sie durch unsere Musik vereinen. Zu einem großen Ganzen werden, das ebenso im Einklang ist wie wir. Das mit uns im Einklang ist. Das tobt und wogt."
Die vielen Gefühle, die bunte Lebensfreude und der viel authentischere Hintergrund als in anderen meist oberflächlichen Büchern des Genres konnten also schon mal viele Punkte sammeln. Dafür gesorgt, dass "Love is Wild" ein absolutes Herzensbuch wird, haben aber die Protagonisten. Besonders Amory ist eine erfrischende Ausnahme unter den New Adult Protagonistinnen und hat deshalb meine Hochachtung. Die kurvige Mathematik-Doktorandin fühlt sich in ihrem Körper wohl, weiß, dass sie sexy, klug und liebenswert ist und deshalb eine gute Behandlung verdient hat, hat ein großes Herz, zwei Katzen und reflektiert ihre Gefühle regelmäßig. Anders als (fast) alle Protagonistinnen im New Adult Genre ist sie somit keine selbstkritische, labile Persönlichkeit, sondern mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Selbstliebe ein wahres Vorbild - und das liest man viel zu selten! Ich war immer wieder beeindruckt, wie gut sie auf sich achtet, Negatives an sich abprallen lässt und nett zu sich selbst ist. Natürlich hat auch sie ihre schwachen Momente (alles andere wäre auch unmenschlich), aber dafür gibt es ja dann aufbauende Freunde, die ihr beistehen.
Amory: "Liebe kann kein Trauma heilen. Das passiert nur in Filmen und Büchern. Im wirklichen Leben funktioniert das nicht. Du musst dich selbst heilen. Ich stehe dir da nur im Weg."
Ihr Gegenpart Curtis, der abwechselnd mit Amory aus der Ich-Perspektive von seinen Erlebnissen erzählt, ist ... eher schwierig, was ihn aber nicht weniger liebenswert macht. Im Gegenteil: Mit seinem Leiden, seinen Schmerzen, Schuldgefühlen und seinem destruktiven Verhalten hat er mir laufend das Herz gebrochen und sich mit seinem langsamen Genesungsprozess ein Platz in meinem Herz gesichert. Die Autorin schreibt in einem Interview, sie habe eine "Schwäche für starke Frauenfiguren und gequälte Männerseelen". Genau das merkt man dieser Geschichte mal wieder an, denn hier vereint sie beides und erzählt was passiert, wenn zwei solche Protagonisten aufeinandertreffen. Achtung: Taschentuchalarm.
Curtis: "Aber es reicht nicht. Es ist nicht genug. Wie könnte es? Wie könnte ich je genug sein? Ich bin zu viel vom Falschen und zu wenig vom Richtigen. Ich passe nicht. IN niemandes Leben. Nicht einmal in mein eigenes. Ich passe auf den schmutzigen Boden in meinem schmutzigen Haus. Schmutz zu Schmutz."
Auch ihre Nebencharaktere sind allesamt bunt und liebenswert. Da mir die ersten beiden Bände fehlen, weiß ich leider noch nicht allzu viel über sie, was ich aber schon von ihnen gelesen habe, reichte aus, um mich neugierig zu machen. Das Ende gefiel mir ebenfalls sehr gut da es nicht mit Glitzer um sich geworfen hat, wie man das leider auch viel zu oft liest. Es gibt keine überstürzte Heirat, ein Prolog mit Kindern und Co und auch ansonsten wird alles herrlich offengelassen. Like it! Jetzt bin ich natürlich gespannt auf die anderen Teile der Reihe, die ich definitiv auch lesen will um zu erfahren, wie Link und Franzi zusammengekommen sind und wie Bonnie und Jasper zueinander finden
Amory: "Er wiegt uns hin und her, wirbelt mich herum. Und ich lache. Lache so sehr, weil das Leben in diesem Moment so schön ist, dass es ein bisschen wehtut. Dass man jetzt schon traurig ist, weil dieser Augenblick endet."
Fazit:
Ein ernstes Thema, das genauso viel Beachtung erhält, wie nötig ist, eine Charakterentwicklung, die konsequent zu Ende erzählt wird, eine Liebesgeschichte, die gesund und verantwortungsvoll eingegangen wird, ein Setting mit Licht- und Schattenseiten und vor allem - eine Protagonistin, die genau weiß, wer sie ist, was sie umwerfend macht und was sie will. Genauso muss New Adult sein!
Und zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:
Amory: "Starke Frauen, meine Lieben, sind diejenigen, die sich selbst treu bleiben. Die sich Raum für eigene Entwicklungen geben. Die springen, wenn sie bock drauf haben. Und nicht, weil gesellschaftliche Konventionen oder irgendwelche Erwartungen sie dazu drängen."