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Bianste

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.07.2017

Spröde

Sommerkind
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Ragna ist eine erwachsene Frau und Wissenschaftlerin. Als sie eine vergessen geglaubte Erinnerung überfällt, macht sie sich auf, um herauszufinden, was aus den Personen geworden ist, die damals daran beteiligt ...

Ragna ist eine erwachsene Frau und Wissenschaftlerin. Als sie eine vergessen geglaubte Erinnerung überfällt, macht sie sich auf, um herauszufinden, was aus den Personen geworden ist, die damals daran beteiligt waren.
Es gab damals eine zarte Liebesbeziehung zwischen Ragna und Kolja. Während eines Treffens der beiden ist Koljas kleine Schwester Malu beim Schwimmen im Schwimmbecken verunglückt und beinahe ertrunken. Ragna hat sie aus dem Wasser gezogen. Seither liegt Malu im Wachkoma. Koljas Eltern gaben ihm vollständig die Schuld an dem Unglück und verpflichteten ihn dazu, sich zweimal in der Woche in die Klinik zu begeben, in der seine Schwester liegt, um mit ihr zu sprechen. Kolja kann mit diesen Begegnungen nur schlecht umgehen, doch er lernt dort Max kennen, der zu seinem besten Freund wird.
Beim Lesen lernt man viel über das Koma und was ein solches Unglück mit einer Familie machen kann. Die Autorin schreibt einen sehr klaren, poetischen Stil. Sie verwendet unglaublich viele Verweise auf Bücher oder Kunstwerke, die man entweder nicht versteht, weil es sich nicht um die Gängigen handelt, oder googeln muss. Ihre Sätze sind klar und eindeutig, die Rechtschreibung gelegentlich etwas eigenwillig. Die fehlende wörtliche Rede macht das Buch zudem etwas spröde.
Leider bleiben am Ende viele Fragen ungeklärt, sodass einem die Figuren noch lange im Kopf herumspuken. Besonders das Schicksal Koljas, der von seinen Eltern zum Schuldigen abgestempelt wurde und nun lange braucht, um sein Leben in den Griff zu bekommen, hat mich sehr bewegt.

Veröffentlicht am 12.11.2024

Warum Karl V.?

Reise nach Laredo
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In Reise nach Laredo greift Arno Geiger auf Karl V. als historische Figur zurück und verknüpft die letzten Tage des Kaisers mit einer introspektiven „Reise“ in seine Vergangenheit und innere Zerrissenheit. ...

In Reise nach Laredo greift Arno Geiger auf Karl V. als historische Figur zurück und verknüpft die letzten Tage des Kaisers mit einer introspektiven „Reise“ in seine Vergangenheit und innere Zerrissenheit. Doch der neue Roman scheint nicht das erwartete Niveau zu erreichen, das viele Leserinnen nach Werken wie Unter der Drachenwand oder Der alte König in seinem Exil an Geigers Schreibstil und Erzählkunst schätzen.
Einer der Punkte, an denen sich die Leserschaft scheidet, ist Geigers Hang zur Innerlichkeit und zum eher elegischen Ton. Die Handlung – Karls letzte Reise, begleitet von einem unehelichen Sohn und einer kleinen Gruppe von Fremden – bleibt bewusst vage und fragmentiert. Dabei setzt Geiger nicht auf eine herkömmliche Geschichtsvermittlung, sondern auf eine Reise, die weitgehend nur im Delirium Karls stattfindet und weniger über seine reale Person vermittelt als über seine Zweifel und Erinnerungen. Diese introspektive Ausrichtung wird nicht von allen als ausreichend tragfähig empfunden; die Erzählung mag sprachlich überzeugen, doch inhaltlich wirkt sie bisweilen zäh und bedeutungsschwanger ohne große Erkenntnisse zu bieten. Viele philosophische Fragen bleiben unzureichend beleuchtet, und manche finden die Grundprämisse – dass Karl gerade am Lebensende auf elementare Fragen wie Liebe und Freiheit Antworten finden sollte – schwer nachvollziehbar und ein wenig weltfremd.
Auch die Spannungsführung in der eigentlichen Reisegeschichte kann sich nicht recht entfalten. Episoden, wie der längere Aufenthalt in einem Wirtshaus oder die Begegnung mit Räubern, kommen ohne den erzählerischen Bogen aus, der Geigers frühere Romane so stark machte. Statt eine stringente Geschichte über Karls Lebenserkenntnisse zu erzählen, lässt Geiger einzelne Figuren auftreten, die der Leserschaft kaum ans Herz wachsen. Die Beziehung zwischen Karl und seinem Sohn Geronimo bleibt oberflächlich und wird nicht weiterentwickelt – zumal grundlegende Informationen zur historischen Figur Karls nur beiläufig vorkommen und für weniger geschichtskundige Leser
innen eher Fragen aufwerfen.
Für Geigers treue Leser*innen ist dieser Roman möglicherweise ein zäher Ritt durch eine wenig aufschlussreiche Meditation über das Sterben. Wer auf poetische und atmosphärische Passagen Wert legt, wird sie hier durchaus finden, aber die Erwartung, dass Reise nach Laredo existenzielle Fragen in epischer Form behandelt, bleibt wohl unerfüllt. So bewegt sich der Roman im Spannungsfeld zwischen ästhetischem Erlebnis und erzählerischer Dürftigkeit, was ein uneingeschränktes Lesevergnügen erschwert.
Insgesamt ist Reise nach Laredo ein ambitioniertes, aber schwer zugängliches Werk, das sich für jene eignet, die Geigers tiefgehenden Stil schätzen, dabei aber auf klassische Spannung oder eine dynamische Handlung verzichten können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.12.2020

Erschreckend vorstellbar?

Sterbewohl
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Nadja (60) erhält eine Einladung zu einem Sterbeseminar an einem beliebten Urlaubsort in einem Luxushotel. Ihre Freunde auch. Ihnen schwant, dass man versuchen wird, sie zum freiwilligen Sterben zu überreden, ...

Nadja (60) erhält eine Einladung zu einem Sterbeseminar an einem beliebten Urlaubsort in einem Luxushotel. Ihre Freunde auch. Ihnen schwant, dass man versuchen wird, sie zum freiwilligen Sterben zu überreden, um die Gesellschaft zu entlasten. Man soll doch gehen, wenn es am schönsten ist.
Die Freunde haben aber keine Lust auf einen frühen Abgang und wehren sich. Dabei entdecken sie, dass die Realität noch viel schlimmer ist als ihre Vorstellung.
Vermutlich will die Autorin, den Leserinnen und Leser vor Augen führen, wohin manche Entwicklungen führen könnten und kreiert so eine Gesellschaftsform, die andere Prioritäten setzt als unsere aktuelle.
Die Idee ist spannend. Die Figuren sind angenehm, aber wirklich überraschend und spannend ist das Buch nicht.
Es lässt sich leicht und flüssig lesen. Auch wenn die Autorin am Ende noch ein wenig das Tempo anzieht, bleibt doch eigentlich alles vorhersehbar, bzw. hat sich bereits von Anfang an abgezeichnet. Da die Figuren einem nicht wirklich ans Herz wachsen (können), bleibt man als Leserin etwas unbefriedigt zurück.
Der Satzspiegel des Buches wirkt unprofessionell.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.11.2018

Genremix

KA – Das Reich der Krähen
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Eichling, die Krähe ist selbstbewusst, mutig und abenteuerlustig. Er will die Welt und die Geheimnisse in ihr entdecken. Aus seiner Sicht erfahren wir Leserinnen und Leser die Geschichte der Welt – aus ...

Eichling, die Krähe ist selbstbewusst, mutig und abenteuerlustig. Er will die Welt und die Geheimnisse in ihr entdecken. Aus seiner Sicht erfahren wir Leserinnen und Leser die Geschichte der Welt – aus der Sicht der Krähen. Eine ihnen eigene Stimme ist einerseits äußerst passend, genauso müssen Krähen reden, andererseits ermüdet sie beim Lesen und verwirrt gelegentlich auch.
Dar Eichling hat – aus Versehen – die Unsterblichkeit gestohlen und lebt nun ewig, deshalb hat er alle Zeitalter miterlebt - von der Steinzeit über das Mittelalter und die Entdeckung der Neuen Welt bis in unsere heutige Zeit und darüber hinaus. Nun sitzt er da, in der Zukunft und erzählt einem Menschen, was er erlebt hat.
Doch ein historischer Roman ist „Ka“ nicht wirklich, auch kein Fantasy-Roman im herkömmlichen Sinn, eher ein Konglomerat aus vielen verschiedenen Genres. Ein irgendwie unentschiedenes Buch.
Das ist insgesamt das Problem des Buches. Es startet fulminant, entwickelt sich dann aber nicht weiter. Es fließt zäh dahin, hat deutliche Längen, man braucht wirklich Durchhaltevermögen, um sich bis zum Ende durchzubeißen, wird dann noch ein wenig mit einem Endspurt belohnt, aber das rettet das Buch nicht wirklich.
Es ist ausgesprochen schön aufgemacht, ein sattes Grün und ein vielversprechendes Titelbild auf dem Umschlag um den Leineneinband. Eine gut zu lesende Schrift und äußerst ansprechende Illustrationen im Inneren machen das Buch zu einem hochwertigen Leseerlebnis.

Veröffentlicht am 21.08.2018

Bier-Krimi

Hopfenkiller
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Der Sanktus ermittelt wieder, muss wieder ermitteln. Was soll er auch machen, wenn die Ehefrauen der Toten ihn aufsuchen, weil ihre Männer sie zu ihm geschickt haben, für den Fall, dass sie überraschend ...

Der Sanktus ermittelt wieder, muss wieder ermitteln. Was soll er auch machen, wenn die Ehefrauen der Toten ihn aufsuchen, weil ihre Männer sie zu ihm geschickt haben, für den Fall, dass sie überraschend versterben. Eigentlich hat er seiner Kathi aber versprochen, sich nicht mehr in Gefahr zu bringen. Daraus wird nichts.
In diesem Fall geht es um die bayerische Craft-Bier-Szene, die ein Amerikaner gern aufmischen würde, denn auch hier verstecken sich jede Menge Geld und Ansehen.
Das Buch ist in dem gleichen Duktus geschrieben, den Leserinnen und Leser von Wolf Haas oder Rita Falk kennen, allerdings mit weniger Bandbreite. Die Formulierungen wiederholen sich, der Satzbau ist über weite Strecken gleichartig. Das ermüdet beim Lesen.
Inhaltlich braucht die Geschichte eine Weile, bis sie in Gang kommt, obwohl sie in Zeitsprüngen erzählt wird, ausgehend vom Terroranschlag auf das Einkaufszentrum, was vermutlich der Spannung auf die Sprünge helfen sollte.
Die Figuren sind sympathisch, man versteht sie und ihre Beweggründe gut, so richtig warm wurde ich mit ihnen allerdings nicht – was auch an der rückwärts gerichteten Erzählweise lag.
Ich hatte mich sehr auf ein Buch über die Craft-Bier-Szene gefreut, war von diesem dann aber doch enttäuscht. Ich fand es zäh zu lesen und nur mäßig spannend. Die Atmosphäre entstand mehr rund um den Sanktus und seine Freunde/Familie als durch die Craft-Bier-Szene.