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Veröffentlicht am 09.04.2017

Weit weg ist anders

Weit weg ist anders
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Edith Scholz und Christel Jacobi, zwei 70-Jährige Damen, treffen zum ersten Mal in einer Rehaklinik aufeinander. Beide versuchen mit ihren Wehwehchen zurecht zu kommen und die Zeit in der Klinik zu überstehen. ...

Edith Scholz und Christel Jacobi, zwei 70-Jährige Damen, treffen zum ersten Mal in einer Rehaklinik aufeinander. Beide versuchen mit ihren Wehwehchen zurecht zu kommen und die Zeit in der Klinik zu überstehen. Edith, eine Einzelgängerin mit einer Berliner Schnauze, findet ihren Aufenthalt dort alles andere als angenehm, motzt ordentlich herum und will eigentlich nur wieder nach Hause und in ihre geliebte Großstadt zurück. Christel hingehen arrangiert sich besser mit der Situation und ist sehr ruhig. Sie kommt aus Husum, einem kleinen Städtchen an der Nordsee und möchte eigentlich nicht wieder dorthin zurück, denn dort erwartet sie ihre Tochter und diese möchte Christel am liebsten in ein Seniorenheim stecken. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten und Abneigungen treffen sich die beiden Damen aus Notsituationen heraus nach einiger Zeit wieder und beschließen gemeinsam zu verreisen. Die abenteuerliche Reise führt sie quer durch Deutschland und hat so einige Überraschungen für die beiden parat.

„Weit weg ist anders“ habe ich sehr gerne gelesen, denn die arg unterschiedlichen Damen haben mir unglaublich gut gefallen. Die Dialoge waren bissig, sarkastisch und humorvoll. Edith und Christel haben mich mit ihren Lebensgeschichten berührt und den Umschwung von einem anfänglich netten und leichten Roman zu einer Story mit viel Tiefgang fand ich gut gelungen. Die Mischung zwischen ernsten Themen, die aber durch einige amüsanten Dialoge aufgelockert wurden und der für beide Damen aufregenden Reise, wurde toll umgesetzt. Man kann nicht anders, als die beiden in Herz zu schließen.

Die Themen Alter und Krankheit ziehen sich durch das Buch wie ein roter Faden. Es sind Themen, die uns alle betreffen und hier fand ich es sehr interessant die Gedanken und Gefühle von Edith und Christel zu lesen. Aus der Perspektive der viel älteren Damen erhält man noch einmal einen ganz anderen Blick auf diese Themen. Man fängt an sich selber Gedanken darüber zu machen, wie man in hohen Alter leben möchte und ob man irgendwann stark auf die Hilfe anderer angewiesen sein wird. Werden sich die eigenen Kinder um einen kümmern oder muss man in ein Seniorenheim ziehen und sein geliebtes Haus verkaufen? Was mache ich und wer hilft mir, wenn ich schwer krank werde? Was habe ich im Leben verpasst und was möchte ich noch unbedingt erleben? Es sind alles sehr emotionale Gedanken und Entscheidungen, die nicht nur die beiden Protagonistinnen aufwühlen.

Sarah Schmidt hat hier einen tollen, kurzweiligen, gefühlvollen und abwechslungsreichen Roman geschaffen, der durch einen angenehmen Schreibstil und tolle Charaktere besticht.

Veröffentlicht am 05.03.2017

Betrunkene Bäume

Betrunkene Bäume
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Erich, ein Wissenschaftler im hohen Alter, lebt alleine in einer Wohnung und hat mit allerlei körperlichen Beschwerden zu kämpfen. Seine Tochter versucht unentwegt ihn zu einem Umzug in ein betreutes Heim ...

Erich, ein Wissenschaftler im hohen Alter, lebt alleine in einer Wohnung und hat mit allerlei körperlichen Beschwerden zu kämpfen. Seine Tochter versucht unentwegt ihn zu einem Umzug in ein betreutes Heim zu überreden, doch Erich möchte seine Selbstständigkeit nicht aufgeben. Er will nicht wie all die anderen Senioren in einem Heim auf den Tod warten, sondern so gut es geht sich selber in der Wohnung zurecht finden und an seinen Forschungen arbeiten. Vor sehr langer Zeit hat er die Liebe zu den Bäumen entdeckt und sich mit einer Reise nach Sibirien einen Traum erfüllt. Dort konnte er diverse Bodenproben nehmen und seine Untersuchungen u.a. an den betrunkenen Bäumen intensivieren. Glücklicherweise zieht nebenan ein junges Mädchen namens Katharina ein, welches von zu Hause weggelaufen und notdürftig in dieser Wohnung untergekommen ist. Sie freunden sich langsam an und entwickeln eine Zuneigung zu einander. Sie erledigt fortan seine Einkäufe, putzt die Wohnung und zeigt sogar Interesse an seinen Forschungsarbeiten. Ihr Vater ist vor einiger Zeit beruflich in Richtung Sibirien aufgebrochen und deshalb empfindet sie eine gewisse Verbundenheit mit diesem Land und erfährt von Erich viele interessante Details zu der Landschaft und dem Leben in dem fernen Land. Die Freundschaft tut beiden gut, die Gespräche beflügeln sie und beide Außenseiter ziehen für sich einen adäquaten Nutzen daraus.

Ada Dorian hat hier ein Buch mit unglaublicher Tiefe geschrieben. Hinter den Protagonisten verbergen sich beeindruckende Lebensgeschichten, die im Leser Mitgefühl, eine gewisse Wärme und Zuneigung hervorrufen. Die Zeitsprünge und die Verknüpfung der Geschichten zwischen Erich und Katharina sind toll ausgearbeitet worden. Durch Rückblenden erfährt der Leser wie Erichs Reise nach Sibirien verlaufen ist, wie er seine Liebe zu den Bäumen entwickelt hat und wie intensiv ihn diese all die Jahre über begleitet hat. In dem anderen Erzählstrang erfährt man mehr über Katharina und ihre schwierige Familiensituation, welche sie nicht nur traurig, sondern auch in ein gewisses Milieu hat abstürzen lassen. Zwei Leben, die vom Schicksal gebeutelt sind finden zu einander und haben definitiv mein Herz als Leserin berührt.

Veröffentlicht am 02.03.2017

Fliegenpilze aus Kork

Fliegenpilze aus Kork
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In dem Buch „Fliegenpilze aus Kork“ erzählt die Hauptprotagonistin stückchenweise aus ihrem Leben. Es beginnt mit ihrer Geburt und Kindheit, die in kurzen Kapiteln abgehandelt werden und mündet in ihrer ...

In dem Buch „Fliegenpilze aus Kork“ erzählt die Hauptprotagonistin stückchenweise aus ihrem Leben. Es beginnt mit ihrer Geburt und Kindheit, die in kurzen Kapiteln abgehandelt werden und mündet in ihrer Jugend- und Erwachsenenzeit, deren Kapitel sich über mehrere Seiten erstrecken. Erlebt hat sie allerdings in all den Jahren eine Menge, ob in positiver oder negativer Hinsicht sollte hier jeder Leser für sich entscheiden.
Die meiste Zeit verbringt sie mit ihrem Vater. Zwar wird die Mutter auch am Rande erwähnt, doch der Fokus der Geschichte liegt auf der Beziehung zu ihrem Vater. Die Eltern haben sich getrennt, scheinen sich aber das Sorgerecht zu teilen. Zumindest darf sie die Wochenenden und auch Tage unter der Woche bei ihm wohnen und diverse Aktivitäten mitmachen und Erfahrungen sammeln. Schon früh legt sie erwachsene Züge an den Tag und des Öfteren hat man das Gefühl, dass eher sie die Erwachsene und der Vater derjenige ist, der Hilfe, Unterstützung und Geborgenheit benötigt.
Ihr Vater ist anders als die anderen Väter. Er wechselt andauernd den Job, hat kaum Geld und erscheint wie ein Überlebenskünstler, der nicht weiß wohin es ihn letztendlich zieht. Dies wird ihr im fortgeschrittenen Alter immer deutlicher und manchmal ist er ihr auch peinlich, weil er Dinge tut, die ihn im Mittelpunkt stehen lassen oder die man einfach nicht tut, doch sie hält zu ihm und bricht den Kontakt nicht ab. Als würde sie schon in jungen Jahren merken, dass sie eine Art Stütze für ihren Vater ist, begleitet sie ihn ins Theater oder streift in den Nächten mit ihm durch Wien, immer auf der Suche nach Gebrauchsgegenständen, die noch verwertet werden können. Mangelnde Hygiene und das wenige Essen an diesen Tagen scheinen der Kleinen nichts auszumachen. Als Leser ist man aber an der einen oder anderen Stelle regelrecht entsetzt über die Lebenshaltung und die vorherrschende Verwahrlosung. Will die Autorin hier vielleicht aufzeigen wie einfach solch fragwürdigen „Fälle“ den Jugendämtern nicht gemeldet oder nie von diesen entdeckt werden?
Trotz all der misslichen Lagen und den ständigen Abweichungen von der Norm liest man durch die Zeilen von einer starken Verbindung und Liebe zwischen den Protagonisten. Beide sind in ihren Handlungen bemüht, ihnen scheint eigentlich nichts wirklich zu fehlen und beide versuchen sich gegenseitig durch den Alltag zu helfen. Hier schwingt eine gewisse positive Stimmung mit, doch für mich persönlich überwogen bei der Lektüre eher die negativen Aspekte des Zusammenlebens und der Handlungen der beiden, die mich nun doch etwas betreten und ungläubig zurücklassen. Als spannend hingegen empfand ich die Begleitung der Tochter durch ihre Lebensphasen bis zur Erwachsenen. Es war interessant von ihren Sichtweisen und Eindrücken zu lesen, um dann zu erfahren wie sich diese im Erwachsenenalter ändern.
„Fliegenpilze aus Kork“ ist ein anspruchsvolles und nicht einfaches Buch mit einem ganz besonderen und außergewöhnlichen Inhalt.

Veröffentlicht am 25.02.2017

Das Geheimnis jener Tage

Das Geheimnis jener Tage
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1980: Eine junge Frau begibt sich, wie jeden späten Nachmittag, an den Strand von Cork. In den Dünen lässt sie sich nieder und versucht ihre Gedanken zu ordnen, sie sucht Ruhe und inneren Frieden, denn ...

1980: Eine junge Frau begibt sich, wie jeden späten Nachmittag, an den Strand von Cork. In den Dünen lässt sie sich nieder und versucht ihre Gedanken zu ordnen, sie sucht Ruhe und inneren Frieden, denn das, was sie in den letzten Wochen durchmachen musste, liegt ihr schwer auf der Seele. An diesem Tag entdeckt sie jedoch ein paar Schuhe samt einem Brief am Ufer und kurz darauf einen Mann im Wasser. Schnell erfasst sie die Lage und rennt förmlich ins Wasser, um den Mann vor einem großen Fehler zu bewahren. Noch ahnen beide nicht, welch schicksalhafte Wendung ihr Leben fortan nehmen wird.

Gegenwart: Carrie ist eine junge Frau Anfang 30 und hat schon viele Schicksalsschläge erleben müssen. Ihre Eltern sind vor 5 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, sie hangelt sich von einem Job zum nächsten und erledigt diese mit wenig Leidenschaft und ihre Beziehung zu Mark, ihrem Verlobten, ist in die Brüche gegangen. Sie ich ein psychisches Wrack, kann sich nicht aufraffen und das Leben genießen, sie lebt nur für den Tag, kann sich anderen gegenüber nicht öffnen und frisst all ihren Kummer in sich hinein. Glücklicherweise hat sie eine tolle Familie, die sich liebevoll um sie sorgt und ihr oftmals zur Hand geht. Als Carrie überraschenderweise von einer älteren Dame aufgesucht wird, die sie bittet sie in die Schweiz zu begleiten um dort jemanden kennenzulernen, ist Carrie verunsichert und blockt zunächst ab. Die Neugier ist jedoch stärker als die Angst vor dem Flug und so macht sich Carrie auf dem Weg zu einem Treffen mit einem Mann, der ihr künftiges Leben ungeheuer beeinflussen und bereichern wird.

Von der ersten Seite an hatte mich das Buch regelrecht gepackt und in eine andere Welt katapultiert. In dem Buch wechseln sich die beiden Zeitstränge ab, so dass man nach und nach alle Charaktere kennenlernt und sich die Ereignisse langsam zu einem Gesamtbild zusammenfügen. So wird ein immenser Spannungsbogen aufgebaut, es werden viele Geheimnisse angedeutet und zum Ende hin gelüftet, aber auch falsche Fährten für den Leser gelegt, so dass man nicht so schnell der Auflösung auf die Schliche kommt.

Mir hat der klare Schreibstil gefallen, jedoch sind mir die doch zahlreichen Wiederholungen über Carries Gemütszustand und die Wiederholung dessen in manchen Dialogen ein wenig negativ aufgestoßen. Insgesamt betrachtet ist es aber ein tolles und emotionales Buch mit vielen überraschenden Wendungen, Drama, Spannung, Liebe und zumeist netten und interessanten Charakteren.

Veröffentlicht am 16.01.2017

Alleine bist du nie

Alleine bist du nie
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Wer kennt das nicht? Man ist morgens auf dem Weg zur Arbeit und nimmt jeden Tag den gleichen Bus, die gleiche Bahn, hat seinen bevorzugten Steh- oder Sitzplatz und ist in den öffentlichen Verkehrsmitteln ...

Wer kennt das nicht? Man ist morgens auf dem Weg zur Arbeit und nimmt jeden Tag den gleichen Bus, die gleiche Bahn, hat seinen bevorzugten Steh- oder Sitzplatz und ist in den öffentlichen Verkehrsmitteln nur so von Mitreisenden umgeben oder gar regelrecht zwischen ihnen eingequetscht. Nichts ahnend fährt man die gleiche Strecke tagein, tagaus, tagein, tagaus... und merkt nicht, dass man die ganze Zeit von einem wildfremden Menschen beobachtet und jede noch so kleine Handlung genaustens von diesem inspiziert wird.

So ergeht es Zoe, einem der Hauptcharaktere des Buches. Sie ist alleinerziehende Mutter und lebt mit ihren Kindern und ihrem Freund in einem Vorort von London. Zoe entdeckt eines Abends auf dem Nachhauseweg ein Foto von einer Frau in der Tageszeitung, die ihr sehr ähnlich sieht. Das Foto ist auf einer Seite mit diversen Sexhotlines und sonstigen Kontaktanzeigen veröffentlicht und nur mit einem Link zu einer Website abgedruckt. Mehr und mehr kommen ihr Zweifel und letztendlich ist Zoe der festen Überzeugung, dass es sich bei dem unvorteilhaften Foto tatsächlich um sie handelt. Keiner in ihrem Umfeld will ihr so recht glauben. Der Lebensgefährte versucht sie zu beruhigen und sucht nach einer logischen Erklärung, doch Zoe meldet sich trotzdem bei der Polizei, denn sie fühlt sich zunehmend verfolgt und beobachtet. Als es dann auf einem Bahnsteig zu einem beunruhigenden Zusammentreffen mit einem Fremden kommt, ist sie vollends verwirrt und hat Angst um ihr Leben.

Währenddessen werden in London Fälle gemeldet, bei denen Frauen brutal missbraucht oder gar ermordet worden sind. Die Polizei übernimmt die Ermittlungen, kann aber keinen Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Delikten herstellen. Eine Polizistin, Kelly, die sich ihren Ruf nach einer Suspendierung wieder hart erarbeiten muss, nimmt Zoes Ängste und Hinweise ernst. Mit Zoes Hilfe setzt sie ein Puzzle zusammen, welches tiefgreifend und erschütternd ist. Es gab nämlich noch mehr Fotos in der Tageszeitung, welche spätere Opfer eine Straftat abgebildet haben und es kommt regelmäßig ein neues Foto einer Frau hinzu. Doch welche Frau wird tatsächlich das nächste Opfer sein und von wem geht diese Bedrohung aus? Was haben all diese Frauen gemeinsam und was hat es mit der ominösen Website auf sich?

Die Autorin spielt mit einer schleichenden Angst, einer Beklemmung und inneren Unruhe, die von Kapitel zu Kapitel wächst. Während des Lesens wurde mir immer mehr bewusst, dass mir selber etwas Ähnliches, wie all den Frauen in dem Buch, jederzeit passieren könnte. Im Zeitalter der Social Media, der Handys und sonstiger Spyware kann jeder immer und überall beobachtet werden, wenn es jemand tatsächlich darauf ankommen lässt. Wir sind sozusagen nie allein und wissen nicht, was all die Menschen um uns herum, sei es am Bahnsteig, in der Bahn, im Internet oder auf der Straße, denken, tun und planen.

Ich habe mich bei der Lektüre gut unterhalten gefühlt und fand die Idee zur Story sehr aktuell und interessant. Der fließende Schreibstil hat hier sein übriges getan, die Charaktere waren zumeist angenehm, das Ende war nicht allzu vorhersehbar und die Aufteilung der Kapitel und entsprechende Cliffhanger haben mir sehr zugesagt und zum Weiterlesen animiert. Ich hatte zu Beginn lediglich ein wenig Probleme die Namen der Charaktere auseinanderzuhalten.

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