Ein Dorf in Bayern
Dunkelnacht27.04.1945
Ein Junge und ein Mädchen treffen, küssen sich auf offener Straße. Das Ende des Kriegs naht, das wissen eigentlich alle in Penzberg. Das wissen auch die Soldaten der Wehrmacht, die Penzberg ...
27.04.1945
Ein Junge und ein Mädchen treffen, küssen sich auf offener Straße. Das Ende des Kriegs naht, das wissen eigentlich alle in Penzberg. Das wissen auch die Soldaten der Wehrmacht, die Penzberg auf dem Weg zur Alpenfestung durchqueren. Und auch die in der Nähe stationierte Untergrundorganisation Werwolf weiß das eigentlich.
28.04.1945
Die Freiheitsaktion Bayern übernimmt den Reichssender und verkündet das Ende des Kriegs. In Penzberg fallen die letzten Hemmungen, der Bürgermeister von vor 1933 wird ins Amt gehoben. Die Wehrmacht ist ratlos. Kurze Zeit später ist der Reichssender wieder fest in nationalsozialistischer Hand und die Wehrmacht in Penzberg nicht mehr ratlos. Auch der Werwolf hinzugezogen.
Bis zum Morgen des 29.04. ereignen sich der vielleicht dunkelste Tag und im Anschluss die sicherlich dunkelste Nacht der Stadt. Frei nach dem Motto, wen mag ich nicht, werden Nachbarn, mutmaßliche Sozis und Kommunisten auf Exekutionslisten geschrieben. Bitter, dass hier keiner gespoilert hat, denn am 30.04. kamen tatsächlich die Amerikaner.
Kirsten Boie erschafft ein sehr besonderes, unfassbar intensives Buch zu einer wahren Dunkelnacht. Mit umfangreicher Recherche hat sie die Geschehnisse aufgearbeitet. Die 128 Seiten lesen sich viel zu schnell weg. Geballtes Grauen findet seinen Weg durch die Zeilen. Die Kapitel sind beinahe wie Akte eines Theaterstücks aufgebaut mit Personenangaben, wer in der Szene mitspielt. Der Buchschnitt ist ebenfalls ausgefallen und am Ende wartet ein erschütternder Anhang. Die fiktive Geschichte von Marie, Gustl und Schorsch gibt dem ganzen noch eine persönliche Note.
Positiv hervorheben möchte ich außerdem die sprachliche Ausgestaltung. Dadurch entsteht eine bayrische 40er-Jahre Provinzatmosphäre.
Ganz und gar nichts für schwache Nerven, aber sehr lesenswert. Ein literarischer Reminder an unsere Pflicht für den Frieden zu kämpfen.