Mogelpackung
Sex/LifeIch habe dieses Buch über Netgalley angefordert, weil mich der Klappentext geködert hat. Ich dachte an eine Frau, die sich durch die Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit weiterentwickelt, an die ...
Ich habe dieses Buch über Netgalley angefordert, weil mich der Klappentext geködert hat. Ich dachte an eine Frau, die sich durch die Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit weiterentwickelt, an die Spannung, die aus den Tagebucheinträgen und der Realität entsteht. Ich hatte ein unterhaltsames, romantisches Buch mit guten erotischen Szenen erwartet. Mysteriös verspricht das Buch im Vorwort, man sollte es aufgrund der obszönen Darstellung sexueller Inhalte von Minderjährigen verstecken. "Obszön" ist an diesem Buch das ständige Selbstmitleid der Ich-Erzählerin und ihr Bedürfnis, ihre tolle Jugend, die gar nicht toll war, hinaufzubeschwören. "verstecken" sollte man das Buch vor jüngeren Lesern, weil es zeigt, dass nach 9 Jahren großer Liebe nur noch Frust steht und die Angst, das offen anzusprechen. Selten hat mich ein Buch so enttäuscht.
Vielleicht ist das Buch eine Parodie, die ich nicht verstanden habe.
Rezi enthält Spoiler.
Cover und Titel
Das deutsche Cover verkauft uns vier Männer - überwiegend handelt das Buch jedoch von Brooks Mann Ken, seltener von den drei festen Beziehungen vor ihm. Außerdem ist die Geschichte nicht so bunt und witzig, wie es das Cover verheißt. Ich mag die geometrische Gestaltung, ich mag die Farben, es ist ein wunderschönes Titelbild - für das Buch jedoch die pure Verschwendung. Eine Frau auf einer Bank in Pastellblau mit ein paar Glanzeffekten hätte es auch gebracht.
Allerdings finde ich den deutschen Titel "Sex/Life" passender als "44 Chapters About 4 Men" - denn es geht um Sex und die Frage, welche Auswirkungen er auf das Wohlbefinden hat.
Worum geht es?
BB hat ein Problem - ihr Mann ist ein toller Freund, als Liebhaber aber körperlich und emotional nicht brauchbar. Die Akte sind schlecht, Komplimente bekommt sie keine und auch sonst wirkt Ken eher passiv. Aus Frust beginnt BB Tagebuch über ihre Verflossenen zu schreiben - und als sie mitbekommt, dass er das liest, erschafft sie zwei Bücher - eines mit ehrlichen Schilderungen, das andere mit geschönten Beschreibungen, um ihren Mann zu besseren Akten zu animieren bzw. zu manipulieren.
Brooke
BB ist das Einzelkind zweier Hippies, die gern rauchend dasitzen. Viel mehr erfährt man nicht. An einigen Stellen wird erwähnt, dass sie gern fotografiert und malt, aber auch über sie erfährt man wenig. Sie hatte früher wenig Busen und hat sich beide Warzen piercen lassen, sowie ein paar andere Stellen. Als Teenager war sie ein Punk, mit schweren Stiefeln, kurzen bunten Haaren. Sie hat mit vielen Männern geschlafen und hat vieles ausprobiert, es gibt aber manches, was sie noch tun will z.B. am Strand oder im Flugzeug. Vielleicht wollte Brooke laut sein, um von ihren Eltern gehört zu werden? Als Erwachsene scheint ihr diese lebhafte Zeit noch sehr wichtig zu sein.
Brook hat eine beste Freundin, die aber wenig zur Handlung beiträgt.
Die drei Männer
Knight ist ein unnahbarer Rebell, der Brooke mag. Er ist spontan und leidenschaftlich, stalkt sie aber, als sie sich trennen - wie genau, das bleibt vage.
Hartley ist in jedem Sinne hässlich - seine Zähne sind nicht schön, er ist nicht intelligent und hat komische Tattoos. Bei Hartley driften Realität und Geschöntes am weitesten auseinander.
Hans ist Gitarrist in einer Band und genießt das Rock'n Roll-Leben. Man weiß nicht, ob er nicht mitbekommt, dass ihn Frauen anbaggern oder ob er Brooke nur gut anlügen kann. Er ist ein netter Kerl und mit ihm zieht Brooke sogar zusammen. Neben der Eifersucht scheitert die Beziehung aber daran, dass Hans nichts zum gemeinsamen Leben beiträgt.
Allen gemein ist, dass sie gefallene Jungs sind, die das Image des wilden, unangepassten Mannes haben. Brooke fühlt sich zu solchen Männern hingezogen. Ich vermute, dass sie jemanden sucht, zu dem sie aufblicken kann. Ich fand sie aber nicht so anziehend.
Ken
Ken ist Buchhalter und hat zwei Seiten. Die eine trägt Schwarz und darin wirkt er autoritär. In diese Seite hat sich Brooke verliebt. Die meiste Zeit ist er aber der schicke Typ im Hemd, der ruhig und ausgeglichen, ziemlich beherrscht wirkt. Und er mag Schmerzen. Ken überlässt Brooke die meisten Entscheidungen, durchdenkt Aufgaben aber gut. Brooke kann mit ihm lachen und sie mögen ähnliche Musik. Als Freund wäre er super, als Mann weniger.
Ich denke, dass sich Brooke in ihn verliebt hat, weil sie die "dunkle" Seite in ihm sieht und weil sie etwas Solides wollte - jemand, der Probleme löst, anstatt sie zu verursachen. Jemanden, an den sie Verantwortung abgeben kann.
Der Konflikt
Anfangs hat Brooke Kens Fähigkeiten noch wohlwollend betrachtet - dass er schüchtern ist, dass er andere Erfahrungen gemacht hat. Und sie hat das als Herausforderung gesehen. Mittlerweile leidet sie jedoch darunter. Obwohl selbst Psychologin, kann Brooke ihre Wünsche kaum kommunizieren. Ich habe mich lange gefragt, warum Brooke ihrer Vergangenheit nachtrauert und warum die Geschichten bei Ken so gut wirken. Ich denke, dass es um Spontanität geht, um eine Pause vom Alltag. Und dass die Geschichten völlig unromantisch sind, aber klar zeigen, was Brooke möchte.
Der Konflikt löst sich schließlich auf zwei Arten: Ken wird zum Super-Lover, der sie spontan im ganzen Haus beglückt - was für mich nicht nachvollziehbar war. Brooke vermutet dahinter eine Trotzreaktion und ich vermute, dass sie nicht lange anhalten würde, weil das zentrale Problem nicht gelöst ist. Brooke versucht das anszusprechen, aber es scheint nur oberflächlich anzukommen. Und die Figur setzt ihre Ansprüche herab, weil sie merkt, dass all die Akte, die in ihrer Fantasie so schön sind, real nicht so gut wirken.
Es gibt viele Möglichkeiten, an körperlichen und emotionalen Konflikten zu arbeiten - eine Affäre, Selbstliebe usw. All diese Möglichkeiten schöpft das Buch nicht aus. Es gibt sich mit einer eher konservativen, romantischen Lösung zufrieden.
Schreibstil und Gestaltung
Ich habe viele Absätze des Buches überflogen, weil Brooke ständig betonte, wie aufregend ihr Leben als Punk war - ich fand das öde und monoton.
Außerdem gibt es am Anfang ein Glossar, weil die Figur eigene Begriffe kreiert hat - die oft nur einmal verwendet werden. Ich fand sie witzig, aber es hätte keines Glossars bedürft. Ähnlich wie der Disclaimer am Anfang soll damit die Spannung gesteigert werden, was ich als Mogelpackung empfand.
Ich fand die Erotik nicht romantisch, nicht schön, sondern nur bitter. Ein bisschen explizit wird es, aber der pseudo-freche Stil der Figur macht die Stimmung kaputt.
Man kann den Schreibstil witzig finden, mich erinnerte er aber an eine 16-Jährige, die ihren Freundinnen in aller Ausführlichkeit und Übertreibung schildert, wie toll alles war.
Was ich gut fand: Den Moment, in dem im Akt Muttermilch aus ihrer Brust spritzt - damit können sich sicher einige Mütter identifizieren.
Fazit
Ein Reinfall.