Hier wurde Potential verschenkt
Das Wunder von Errikousa„...Ihr Vater, Savvas, war Schneider. Er hatte alle seine Töchter Nähen gelehrt. Und sie haben es mir beigebracht. Sie waren meine Freundinnen...“
Es war Anfang der 80er Jahre, als Yvettes Großmutter ...
„...Ihr Vater, Savvas, war Schneider. Er hatte alle seine Töchter Nähen gelehrt. Und sie haben es mir beigebracht. Sie waren meine Freundinnen...“
Es war Anfang der 80er Jahre, als Yvettes Großmutter das erste Mal diese Geschichte erzählt, eine Geschichte von Mut und Menschlichkeit. Ein einschneidendes persönliches Erlebnis sorgt dafür, dass Yvette sich Jahre später nochmals damit beschäftigt.
Es fällt mir nicht leicht, das Buch zu rezensieren. Das liegt nicht nur daran, dass ich eigentlich was anderes erwartet habe. Das Wunder von Errikousa macht nicht einmal ein Viertel der Geschichte aus. Ansonsten bewegt sich die Autorin in mehreren Zeitebenen. Stellenweise fehlt mir ein roter Faden.
Ausgangspunkt der Geschichte ist ein Geschehen im Jahre 2014. Yvettes Neffe Reat und dessen Großvater Bill werden vor einem jüdischen Gemeindezentrum erschossen. Das nimmt die Autorin als Aufhänger, um Parallelen zwischen Gegenwart und Vergangenheit aufzuzeigen.
Yvettes Familie hat griechische Wurzeln. Erst nach dem Krieg ist die Mutter mit den Kindern dem Vater nach Amerika gefolgt. Die ältere Generation lebte dort in einer griechischen Gemeinde. Auch in der neuen Heimat wurden die alten Traditionen fortgesetzt.
Im Buch erfahre ich einiges über das Leben auf Errikousa im Krieg und die Schwierigkeiten des Neubeginns in Amerika.
„...Fest entschlossen, ihre Kultur und ihre Bräuche zu erhalten, verließen Yiayia und die anderen Frauen nur selten den geschützten Kreis aus Griechisch sprechenden Bekannten und Verwandten...“
Gleichzeitig berichtet die Autorin über das Leben der Juden auf Korfu und ihre Vernichtung kurz vor Kriegsende. Savvas und seiner Familie war es gelungen, auf Errikousa zu fliehen. Dort konnten sie sich verbergen.
Einen weiten Raum im Buch nimmt die Suche nach Savvas Töchtern und deren Nachkommen ein.
„...Alle wussten, dass Savvas auf Errikousa gestorben und beerdigt worden war. Aber es gab keine übereinstimmenden Aussage darüber, was nach dem Krieg aus den Mädchen geworden war...“
Häufig werden verschiedene Dinge unter anderen Blickwinkel neu erzählt oder wiederholt. Das gibt der Geschichte eine gewisse Zähigkeit. Auch das Einbeziehen weiterer Lebensgeschichten lenkt vom Thema des Buches ab.
Die Autorin verliert sich in Details. Dadurch steht weniger das Geschehen in Errikousa im Mittelpunkt, sondern mehr ihre eigene Familiengeschichte und die gegenwärtigen Erlebnisse.
In Glaubensfragen bleibt einiges offen, vor allem, was ihr Tante Mindy angeht, deren Sohn Reat war. Es ist für mich weder logisch noch nachvollziehbar, dass sie kurzzeitig mit dem Gedanken spielt, zum Judentum zu konvertieren.
Für mich sieht es so aus, als wolle die Autorin mit ihrem Buch den Mut derjenigen hervorheben, die sich in schwieriger Zeit für andere eingesetzt haben und dazu aufrufen, das Schweigen über die dunkle Vergangenheit zu brechen. Mit der Gestaltung des Buches und ihrer Erzählweise ist ihr das aber nur bedingt gelungen.
Auch die Gleichstellung von persönlichen Hassattacken und staatlich sanktioniertem Hass gehe ich nicht mit.
Eine straffere Erzählweise und eine klare Abgrenzung der unterschiedlichen Themen hätte dem Buch gut getan.