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Veröffentlicht am 01.12.2019

Der schwächste Band bisher

Die Spiegelreisende 3 - Das Gedächtnis von Babel
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Fast drei Jahre sind vergangen, seit Ophelia Thorn das letzte Mal gesehen hat. Drei Jahre, seit dem Tag, an dem er ihr endlich seine Liebe gestanden hat. Nun ist Ophelia wieder nach Anima zu ihrer Familie ...

Fast drei Jahre sind vergangen, seit Ophelia Thorn das letzte Mal gesehen hat. Drei Jahre, seit dem Tag, an dem er ihr endlich seine Liebe gestanden hat. Nun ist Ophelia wieder nach Anima zu ihrer Familie zurückgekehrt und verbringt ihre Zeit nur noch lesend im Bett. In ihrem geliebten Archiv hat sich so viel verändert, dass sie dort nicht mehr arbeiten kann und auch den Kontakt zu ihren Verwandten beschränkt unsere Protagonistin auf ein Minimum.

Doch dann tauchen eines Tages Archibald, Gwenael und Reineke bei Ophelia auf, ihre alten Freunde aus der Himmelsburg und wollen sie überreden, gemeinsam mit ihnen einen Weg zur Arche Erdenbogen zu suchen. Die jedoch entscheidet sich, stattdessen allein zur Arche Babel zu reisen, wo sie sich Informationen zu Gott, der Entstehung der Archen und vor allem zum Aufenthaltsort von Thorn erhofft. Dort angekommen schleicht Ophelia sich unter dem Decknamen Eulalia in die örtliche Akademie der "Guten Familie" ein, um Vorbotin zu werden und Zugang zu den geheimen Archiven zu erhalten. Von nun an hat sie mit Neidern, strengen Lehrmeistern und vor allem mit ihrer Einsamkeit zu kämpfen.

"Die Spiegelreisende" hat sich in diesem Jahr definitiv zu meinen liebsten Reihen gesellt, aber ich muss zugeben, dass Band drei leider der bisher schwächste ist. Die Handlung fühlt sich mehr wie ein Füllwerk an, der Hauptstrang wird nicht nennenswert vorangetrieben. Außerdem leidet die Geschichte, meiner Meinung nach, darunter, dass Ophelia alle lieb gewonnenen Charaktere zurücklässt. Archibald, Gwenael, Reineke, Roseline und Berenilde - sie alle sind zu blassen Randfiguren degradiert. Es werden zwar durchaus auch neue Figuren eingeführt, die können aber mit ihren Vorgängern nicht mithalten.

Ophelia selbst ist gewohnt unsicher und stellt sich ständig die Frage, ob sie für diese oder jene Aufgabe "gut genug" sei. Eine Eigenschaft, die sie nach zwei Bänden Abenteuern langsam ablegen könnte. Auch bleibt ihr ganzes Handeln weitestgehend unverständlich: In der Himmelsburg hat sie andauernd Heimweh nach Zuhause; auf Anima würdigt sie ihre Familie dann aber kaum eines Blickes. Dann sehnt sie sich kapitellang nach Thorn, nur um dann, als sie ihn endlich findet, vollkommen zu verstummen. Noch dazu verwandelt sich unsere Heldin von diesem Punkt an in ein liebes Frauchen, das nur noch gefallen möchte, anstatt dem verschwundenen Ehemann eine schallende Ohrfeige zu verpassen.

Spannend liest sich "Das Gedächntnis von Babel" allemal, für Band vier wünsche ich mir aber wieder mehr von den Zutaten, die Band eins und zwei so grandios gemacht haben: Abenteuer, gute Freundschaften und ein bißchen Romantik.

Veröffentlicht am 10.07.2024

Ein Roman, der zu vieles sein will

Ein Sommer am Ufer des Dnjepr
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Sommer 1979. Oma Mina will der Hitze der Stadt entfliehen und fährt mit Anton von Kiew aufs Land, wo sie in der Datsche eines befreundeten Generals wohnen. Anton ist 9,5(!) Jahre alt und hochbegabt. Er ...

Sommer 1979. Oma Mina will der Hitze der Stadt entfliehen und fährt mit Anton von Kiew aufs Land, wo sie in der Datsche eines befreundeten Generals wohnen. Anton ist 9,5(!) Jahre alt und hochbegabt. Er liebt klassische Musik und möchte Dirigent werden, mit anderen Kindern kann er wenig anfangen. Doch dann trifft er auf den elfjährigen Timur und die 15-jährige Lina, die in einer Punkband spielt. Beide Begegnungen sollen sein Leben für immer verändern.

„Ein Sommer am Ufer des Dnjepr“ ist bereits der zweite Roman des Autors André Bergelt, der selbst viele Sommer mit seiner Großmutter in Kiew verbrachte. Erzählt wird die Handlung von Protagonist Anton in der Ich- und Vergangenheitsform. Der fiktive Rahmen ist hierbei, dass er als Erwachsener seine Tante und Großmutter in Kiew besucht und weil Mina ihn nicht mehr erkennt, ihr zur Beruhigung eine Geschichte aus seiner Kindheit erzählt, als die drei einen Sommer zusammen verbrachten.

Wenn ein Kind die Handlung erzählt, ist das für mich meistens ein zweischneidiges Schwert. Hier haben wir durch Antons Hochbegabung einen Widerspruch zwischen seiner einerseits kindlichen Naivität und seinem Humor und ausufernden Vorträgen über klassische Musik oder seine Bewunderung für Lenin andererseits – was für mich auch die Frage nach der Zielgruppe aufwirft, die, meiner Meinung nach, auch nicht klar bestimmt ist. Das lässt den Roman ziellos wirken, weil er zu vieles gleichzeitig sein will: Coming of Age-Story, Liebesgeschichte, historischer und gesellschaftlicher Kommentar.

Mein größter Kritikpunkt am Roman ist jedoch die Darstellung von Kindern und ihrer Sexualität. Wir haben einen 9-Jährigen, dessen Geschlechtsteile unbedingt in die Handlung eingebaut werden müssen; zudem mehrere Beziehungen, die einen großen Altersunterschied aufweisen und nicht entsprechend eingeordnet werden. Zudem weiß ich nicht, wie glaubhaft ich es finden soll, dass ein 9-Jähriger sich in den späten Siebzigern so äußert und auslebt, wie Anton es tut. Ich möchte dem Autor hier nicht etwas absprechen, was vielleicht auf eigenen Erlebnissen beruht, hier wäre aber mehr Sensibilität vonnöten gewesen.

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Veröffentlicht am 18.04.2022

Layout yeah, Handlung meh

Monster auf der Couch
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Was haben Dr. Jekyll, Carmilla, Viktor Frankenstein und Dorian Gray gemeinsam? Sie alle sind literarische Figuren und sitzen auf der Couch der Psychologin J. Die ist nun spurlos verschwunden und in ihrer ...

Was haben Dr. Jekyll, Carmilla, Viktor Frankenstein und Dorian Gray gemeinsam? Sie alle sind literarische Figuren und sitzen auf der Couch der Psychologin J. Die ist nun spurlos verschwunden und in ihrer Praxis bleiben Akten über ihre vier berühmten Patienten zurück: Gesprächsprotokolle, Analysen, Zeichnungen, Briefe – und Spuren von Blut. Was ist geschehen?

In „Monster auf der Couch“ gehen Jenny Jägerfeld und Mats Strandberg der Frage nach, was berühmte Charaktere der Literatur erzählen würden, befänden sie sich in Therapie. Diese grundsätzlich spannende Idee wird nicht in klassischer Romanform präsentiert, sondern setzt sich aus den Akten der Psychologin zusammen. So entsteht ein Buch mit interessantem Layout, handschriftlichen Anmerkungen und schönen Zeichnungen.

Leider kann jedoch der Inhalt nicht einhalten, was das Äußere verspricht. Die psychologischen Analysen wirken amateurhaft (und das bei einer Autorin vom Fach) und plump, alles wird entweder auf verdrängte Emotionen oder ein Trauma in der Kindheit bezogen. Während Dr. Jekyll zu einem verklemmten Jammerlappen mit Identitätsstörung verkommt, wird Dorian Gray als völliger Psychopath dargestellt. Und natürlich fühlen sich beinahe alle Patient/-innen zu unserer Psychologin hingezogen. (Und dann zieht unsere Protagonistin noch über die Psychologin Jenny Jägerfeld vom Leder – albern!)

Große Schwierigkeiten hatte ich auch mit der Logik der Handlung: J. behandelt große Figuren der Literaturgeschichte, scheint sie und ihren Hintergrund aber nicht zu kennen; gleiches gilt jedoch nicht für ihre Mentorin P., welche sie regelmäßig um Rat bittet. Hier wird, meines Erachtens, eine große Chance verschenkt, die Romanfiguren in Bezug zu ihrer Zeit, ihrer Darstellung und ihren Schöpfer/-innen zu setzen und zudem ist es mehr als unrealistisch, dass eine Psychologin in der heutigen Zeit wirklich keine von ihnen kennen soll.

Das Ende liefert, auch wenn man eigene Schlüsse ziehen kann, leider nicht die gewünschten Antworten auf offene Fragen. Was „Monster auf der Couch“ jedoch gelingt: Ich möchte alle Vorlagenwerke unbedingt (noch einmal) lesen!

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Veröffentlicht am 20.07.2021

Enttäuschend

Revolution morgen 12 Uhr
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Sean ist Anfang 20 und hat mit Depressionen und Panikattacken zu kämpfen, weshalb er sich seit einiger Zeit in der Psychiatrie befindet. Während sich „draußen“ ein Sommer mit Rekordhitze und Fußball-Weltmeisterschaft ...

Sean ist Anfang 20 und hat mit Depressionen und Panikattacken zu kämpfen, weshalb er sich seit einiger Zeit in der Psychiatrie befindet. Während sich „draußen“ ein Sommer mit Rekordhitze und Fußball-Weltmeisterschaft ankündigt, hält er sich drinnen an allabendlichen, mysteriösen Anrufen fest. Jemand spricht am anderen Ende rasend schnell Französisch und scheint ihm dabei versteckte Hinweise zu geben. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden aus der Klinik macht Sean sich schließlich auf einen Roadtrip nach Berlin und Paris, um das Geheimnis der Anrufe zu lüften und vielleicht auch seinen Halbbruder wiederzufinden.

Auf „Revolution morgen 12 Uhr“ war ich wirklich sehr gespannt, denn erstens ist blumenbar eigentlich immer ein Garant für gute Bücher und zweitens fand ich den Lebenslauf der Autorin sehr interessant. Sie ist sicherlich in vielen Bereichen ein Genie – ihr Roman hat mir dennoch leider nicht gefallen. Das liegt zunächst in den Klischees begründet, mit denen Minu Tizabi ihren Protagonisten zeichnet. Natürlich ist er dicklich, dafür aber mit einer Leidenschaft für Zahlen ausgestattet. Und natürlich ist er derjenige, der als erster und einziger eine Romanze auf dem Roadtrip beginnt. Denn was zählen schon psychische Probleme, wenn es die Liebe gibt, nicht wahr? Zumindest scheint die Autorin das so zu sehen.

Das allein wäre ja noch in Ordnung, wenn der Schreibstil nicht so gewollt philosophisch und prätentiös wäre. Es wird aus jeder Zeile deutlich, dass hier viele besondere Zitate und ein ganz bestimmter Ton erzeugt werden sollen – letztendlich bleiben die Worte aber nur Hülsen. Ein Beispiel? „Duftendes Gold tropft ins makellose Weiß, und wieder tropft es nicht für mich.“ Soll heißen: wegen seiner Panikattacken und inneren Unruhe soll unser Protagonist keinen Kaffee trinken. Wozu dieses Poetische? Eine Psychiatrie ist nicht poetisch und Depressionen sind es ebenso wenig, sie machen einen auch nicht zum Philosophen. Und auch der Rest der Geschichte ist so erzählt, als enthalte sie alle Weisheit der Welt; letztendlich passiert aber kaum etwas und viele Fäden lösen sich irgendwann im Nichts auf. Sehr schade...

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Veröffentlicht am 20.12.2020

Tolle Illustrationen, simple Handlung

Millenia Magika – Der Schleier von Arken
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Arken ist der langweiligste Ort überhaupt – das findet zumindest Adrian. Dennoch zieht es ihn, nachdem er von zuhause weggelaufen ist, zu seiner Tante Lia, die dort seit vielen Jahren lebt und das Dorf ...

Arken ist der langweiligste Ort überhaupt – das findet zumindest Adrian. Dennoch zieht es ihn, nachdem er von zuhause weggelaufen ist, zu seiner Tante Lia, die dort seit vielen Jahren lebt und das Dorf nie verlässt. Endlich angekommen überschlagen sich schnell die Ereignisse: Adrian lernt die junge Hexe Jazz und den überschwänglichen Troll Juri kennen, seine Tante wird plötzlich entführt und dann muss er auch noch feststellen, dass er noch lange nicht alles über seine Familie und seine eigenen Kräfte weiß.

Um eines vorwegzunehmen: Die Illustrationen des Autors, auch bekannt unter seinem Künstlernamen Zapf, sind wirklich gelungen und werten das Buch ungemein auf. Die Kombination aus eher düsteren Grautönen mit knalligen roten Akzenten wirkt edel und passt zum Inhalt der Geschichte. Das Rot wird übrigens auch im Text regelmäßig wieder aufgegriffen, wenn eine bestimmte Sache geschieht, die ich jetzt nicht spoilern möchte.

Kommen wir aber nun zu der großen Frage, die ich mir stelle. Wie bewertet man als erwachsene Leserin eine Handlung, die für ältere Kinder bzw. Jugendliche erdacht wurde? Denn die Qualität der Illustrationen kann das Geschriebene leider nicht erreichen. Es ist keine schlechte Grundidee, aber sie ist auch nicht neu. Ein Junge entdeckt seine magischen Kräfte, begleitet wird er dabei von einem weiblichen und einem männlichen Sidekick. Vieles erinnert also an klassische Geschichten des Genres, zahlreiche Anspielungen im Text deuten auch darauf hin, dass genau das möglicherweise gewollt ist.

Der eigentliche Handlungsstrang ist leider auch wenig stringent, springt von einem Schauplatz zum nächsten und hält sich dort kaum lange genug auf, um einen Bezug zu den Charakteren zu erhalten. Dass Adrian Magie hat, ist zwar eine Tatsache, eine große Rolle spielt es bisher aber leider nicht. Ebenso wird einiges, wie zum Beispiel das Verschwinden von Tante Lia, auf sehr simple Weise aufgelöst. Natürlich, es ist ein Roman für junge Leser, aber etwas mehr Komplexität hätte dem Ganzen manchmal nicht geschadet. Band zwei, der im kommenden Jahr erscheinen soll, reizt mich daher nicht mehr besonders – schade eigentlich.

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