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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.12.2020

Ein Muss für jeden Thriller-Fan

Blutroter Schatten
1

Wenn das mal kein Thriller ist! Ein eiskalter Mörder, ein smarter Anwalt. Er ist sehr erfolgreich, schlägt wie im Rausch brutal zu und wird dabei von Sam, seiner Tochter, beobachtet. Längst sitzt er im ...

Wenn das mal kein Thriller ist! Ein eiskalter Mörder, ein smarter Anwalt. Er ist sehr erfolgreich, schlägt wie im Rausch brutal zu und wird dabei von Sam, seiner Tochter, beobachtet. Längst sitzt er im Hochsicherheitstrakt der Psychiatrie, als draußen alles wieder anfängt. Mehrere Leichen werden gefunden, brutal ermordet, bei jedem hinterlässt der Schlitzer, wie er genannt wird, folgendes: „Mit den besten Empfehlungen von Thomas Rohde“. Wie kann das sein? Der Schlüssel zu diesen neuerlichen Morden ist wohl Rohde, der aber ist weggesperrt und will nicht mit der Polizei reden. Er verlangt, ausschließlich mit seiner Tochter sprechen, ansonsten schweigt er. Sie will mit ihrem Vater nichts mehr zu tun haben, willigt aber letztendlich ein. Kennt er diesen Schlächter?

Ein Wechselbad der Gefühle tut sich beim Lesen auf. Verdächtige gibt es, ja. Er, der Schlitzer, ist immer einen Schritt weiter als die Polizei. Diese kranken Phantasien, die der auslebt, sind fast nicht auszuhalten. Immer grauenhafter werden seine Taten, als ob er Rohde um jeden Preis gefallen möchte. Und dieser nutzt die Gunst der Stunde, quält Sam mit jeder neuen Begegnung.

Patricia Walter ist eine nervenaufreibende Geschichte gelungen, die mich nicht hat schlafen lassen. Entsetzen über so einen gefühlskalten Vater, der seine Tochter benutzt, um seine mörderischen, ja krankhaften Gewaltexzesse nochmal zu genießen, überkommt mich immer wieder. Auf der verzweifelten Jagd nach dem Nachahmungstäter stockt mir des Öfteren der Atem.

Für Thriller-Fans ist dieser „Blutrote Schatten“ ein absolutes Highlight, den ich ohne Wenn und Aber weiterempfehlen kann.

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Veröffentlicht am 21.12.2020

Zwei Schwestern, das erste Kinderkrankenhaus in Berlin, eindrucksvoll erzählt

Kinderklinik Weißensee - Zeit der Wunder (Die Kinderärztin 1)
1

Der sechste Geburtstag von Marlene sollte ein schöner, fröhlicher Tag werden. Mit Emma, ihrer kleinen Schwester isst sie ganz viel Streuselkuchen, als Mama sich zusammenkrümmt und stirbt. Zwei ...

Der sechste Geburtstag von Marlene sollte ein schöner, fröhlicher Tag werden. Mit Emma, ihrer kleinen Schwester isst sie ganz viel Streuselkuchen, als Mama sich zusammenkrümmt und stirbt. Zwei kleine Mädchen – plötzlich ganz alleine. Sie wollen auf gar keinen Fall ins Waisenhaus, aber genau da verbringen sie zwölf Jahre ihres noch so jungen Lebens. Eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester bietet ihnen dann die Chance zusammenzubleiben, aufeinander aufzupassen. Es geht hier streng zu, wobei die beiden sich leichter unterordnen können als die verwöhnten Töchter aus gutem Hause. Hanny Polsfuß, die Oberin, führt die Elevinnen mit eiserner Hand, Disziplin und Gehorsam wird vorausgesetzt. Marlene und Emma müssen sich erst beweisen, die Polsfuß verordnet ihnen eine zweimonatige Probezeit. Bald spricht sich herum, dass die Schwestern vom Waisenhaus kommen und sie werden dementsprechend herablassend behandelt. Der adelige Assistenzarzt Maximilian von Weilert erkennt Marlenes Fähigkeiten, die beiden verlieben sich, was aber nicht jedem und jeder gefällt.

Mit dem ersten Teil der „Kinderklinik Weißensee – Zeit der Wunder“ führt Antonia Blum ins Berlin von 1911 - zurück in eine Welt voller Standesdünkel. Es ist erst gut hundert Jahre her und doch war es eine ganz andere Zeit. Der Mann war derjenige, der das Sagen hatte, Frauen hatten zu dienen. Adelig geboren hieß, eine gute Partie zu machen. Als erstgeborenes Mädchen verschrieb man sich in diesen Kreisen den Idealen des Vaterländischen Frauenvereins vom Roten Kreuz, die nachgeborenen Mädchen wurden standesgemäß verheiratet. Die Linie musste fortgesetzt werden. Gefühle? Darauf kam es nicht an.

Die Anfänge der Kinderheilkunde als eigene Fachrichtung, die Pädiatrie, wird hier sehr anschaulich und gut lesbar dargestellt. Bis dahin wurden kranke Kinder wie kleine Erwachsene behandelt. „Der Arzt als Erzieher des Kindes“ ist aus heutiger Sicht wohl nicht mehr nachvollziehbar. Engagierte Ärzte und gut geschulte Rotkreuzschwestern nehmen den Leser mit in diese ganz eigene Welt. Marlene und Emma gehen jede für sich ihren Weg, die eine träumt davon, eines Tages als Kinderärztin zu wirken, während die andere ganz in ihrer Rolle als Kinderkrankenschwester aufgeht. Es begegnen ihnen strenge, wohlwollende, ehrliche und hinterhältige Menschen auf ihrem nicht immer leichten Weg.

Dieses Buch konnte ich nur schwer aus der Hand legen. Die Geschichte um die beiden Schwestern ist voller Leben, sehr einfühlsam erzählt. Den zweiten Teil „Die Jahre der Hoffnung“ sehne ich herbei, möchte mit den so vertrauten Personen weitergehen.

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Veröffentlicht am 13.12.2020

Emotional, ergreifend, sehr lesenswert

All die ungelebten Leben
1

Ein zu Herzen gehendes Buch, ein ernstes Thema, das mich tief bewegt. Michaela Abresch trifft den genau richtigen Ton. Es ist die Geschichte dreier Schwestern, vor zwanzig Jahren ging jede ihren eigenen ...

Ein zu Herzen gehendes Buch, ein ernstes Thema, das mich tief bewegt. Michaela Abresch trifft den genau richtigen Ton. Es ist die Geschichte dreier Schwestern, vor zwanzig Jahren ging jede ihren eigenen Weg. Sie wollten nichts mehr miteinander zu tun haben, waren mit ihrem neuen Leben beschäftigt. Und dann schreibt Jane, die Jüngste, an Selma und Mascha je einen Brief. Bittet sie zu kommen ins Sommerhaus ihrer Tante Gitte.

Dieses eindringliche Buch setzt viele Gefühle frei. Liebevoll, mit ganz viel Gespür erzählt, erlebe ich die Charaktere. Es ist der nahe Tod, um den herum sich diese Geschichte rankt. Jane hat Krebs und hier habe ich das erste Mal vom Sterbefasten gelesen, mich damit näher beschäftigt. Sehr einfühlsam, jedoch ohne Sentimentalität folge ich Jane, die ihr Schicksal annimmt und akzeptiert. Es sind aber keine düsteren Gedanken, die von denen ich erfahre. Auch wenn ich zunächst ein bisschen zögerlich war, weil das Sterben nun mal nicht in unser Weltbild gehört. Obwohl genau dies für jeden von uns unumgänglich ist. Zumindest verdrängt man diesen letzten Weg allzu gerne. Umso überraschter war ich vom Schreibstil, von der so angenehmen Erzählweise.

„All die ungelebten Leben“ macht sehr deutlich, dass es Mut braucht, sich der Vergangenheit zu stellen, auch unangenehmes auszusprechen. Nur so lassen sich die entstandenen Barrieren abbauen, ja einreißen. Alles, was wir tun, betrifft auch andere. Schweigen oder sich der Wahrheit stellen – was ist besser?

Am Ende des Buches angelangt habe ich Parallelen zu meinem Leben gesehen. So oder so ähnlich läuft es nun mal ab. Ohne falsche Distanz erlebe ich in dieser Geschichte viel positives Miteinander und erfahre, dass es sehr wohl möglich ist, über die Vergangenheit zu sprechen. Und - der Tod gehört zum Leben, unausweichlich.

Ein ernstes Thema, behutsam erzählt. Mit jeder Zeile, jedem Wort fühlte ich mich gut eingebettet, ging sehr gerne ein Stück des Weges mit Jane und den ihren. Ich kann dieses Buch jedem, wirklich jedem wärmstens empfehlen. Es lohnt sich.

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Veröffentlicht am 06.12.2020

Ein Psychothriller, der aufwühlt

Seelen unter dem Eis
1

Tom Döbbe ist mit seiner Werbeagentur sehr erfolgreich, hat es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Nachdem er einen Lehrauftrag an der Universität annimmt, konfrontiert ihn seine schlechteste Studentin ...

Tom Döbbe ist mit seiner Werbeagentur sehr erfolgreich, hat es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Nachdem er einen Lehrauftrag an der Universität annimmt, konfrontiert ihn seine schlechteste Studentin Amal mit ihren Arbeiten. Sie ist hartnäckig, lässt sich nicht abwimmeln. So nach und nach verfällt er der unscheinbaren jungen Frau, kann sich ihr nicht entziehen. Zumal seine Ehe an der Kinderlosigkeit krankt, nutzt Amal ihre Machtstellung immer mehr für sich.

Astrid Korten ist ein bedrückend grandioser Psychothriller gelungen, den ich – einmal angefangen – nicht mehr aus der Hand legen konnte. Tom sitzt im Todestrakt, wartet nur noch auf den Termin seiner Hinrichtung. Kann und darf es wirklich soweit kommen? Das fragte ich mich immer wieder, hoffte auf ein anderes Ende. Hier bekam ich ein wenig Einblick in den Hochsicherheitstrakt mit seinen Vorschriften, den Umgang der Mithäftlinge untereinander, den Part der Wärter, den für Außenstehende sehr beklemmenden Alltag der Insassen.

Über lange Strecken dachte ich sehr geradlinig, folgte der Story - aber wie so oft trügt der Schein. Habgier und Verrat, Lügen und Intrigen wechseln sich ab. Toms Vergangenheit, seine verhängnisvolle Affäre, Ehefrau und Freunde werden gut nachvollziehbar abgebildet. Im Wechsel mit dem Gefängnisalltag war mein Urteil schnell gefällt. Wer ist gut, wer ist böse? Gibt es Grautöne dazwischen?

Im Nachwort lässt die Autorin ihre Leserinnen und Leser ein wenig hinter die Kulissen schauen. Sie war im US-Staatsgefängnis in Huntsville, Texas, hat mit Gefangenen und Wachleuten gesprochen, über die Todesstrafe recherchiert. Sehr belastend, aber es ist dort Realität.

„Seelen unter dem Eis“ konnte ich nicht einfach weglegen. Alles drängte mich zum fertiglesen, um mich dann sehr aufgewühlt zurückzulassen. Ein Psychothriller, der erschüttert und sehr betroffen macht. Wer dieses Genre liebt, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Ein erstklassiger Korten!

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Veröffentlicht am 01.12.2020

Ein leises Buch, großartig erzählt

Fast ein neues Leben
2

In „Fast ein neues Leben“ erzählt Anna Prizkau die Geschichte einer Familie aus Sicht der Tochter. Zwölf Kurzgeschichten, sehr intensiv und schnörkellos erzählt. Sie kommen aus dem alten Land, es liegt ...

In „Fast ein neues Leben“ erzählt Anna Prizkau die Geschichte einer Familie aus Sicht der Tochter. Zwölf Kurzgeschichten, sehr intensiv und schnörkellos erzählt. Sie kommen aus dem alten Land, es liegt irgendwo im Osten, mehr wird nicht gesagt, mehr braucht es nicht.

Es sind Begegnungen, die nachdenklich machen. Die Ich-Erzählerin will dazugehören, tut vieles dafür und so manches Mal ist sie dabei auch nicht ganz gerecht. Aber wer ist das schon? Es sind die kleinen Alltagsgeschichten, die mit Distanz auf das Geschehen blicken, ohne zu werten. In unterschiedlichen Situationen wird das Ankommen, das Dazugehören skizziert. Schon erstaunlich, wie wenig Worte es braucht, um alles zu sagen. Ohne erhobenen Zeigefinger. Jede einzelne Geschichte hat sehr viel Potenzial, macht nachdenklich und lässt Raum für eigene Gedanken und Gefühle.

Sachlich, sehr zurückgenommen erfahren wir von Manipulation, von untergeschobenen Dingen, die um des eigenen Vorteils willen nicht geklärt werden sollen. Es geht um fehlende Toleranz, um
Fremdenfeindlichkeit und Sprachlosigkeit. Um Lügen und Verrat, den nur allzu menschlichen Eigenschaften.

Ein Buch auch über die Beziehung einer Tochter zu ihren Eltern. Vieles weiß man vom anderen, spricht es aber nicht aus. Ein kleines, feines Buch über das Leben, für das man sich Zeit nehmen sollte. Geschichten, die zu Herzen gehen.

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