Mitreißender Erzählstil, aber schwaches Ende
Lisa Ungers Thriller "Die treue Freundin" erzählt die Geschichte von Rain Winter, einer Journalistin und jungen Mutter. Rain kehrt aus dem Mutter-Dasein zurück, um den Mord an einem Mann zu recherchieren, ...
Lisa Ungers Thriller "Die treue Freundin" erzählt die Geschichte von Rain Winter, einer Journalistin und jungen Mutter. Rain kehrt aus dem Mutter-Dasein zurück, um den Mord an einem Mann zu recherchieren, dessen Vorgehensweise einem Trauma ähnelt, das sie in ihrer Kindheit durchlebt hat. Durch die Parallelen beginnt sie, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten und gerät in das Spannungsfeld zwischen beruflichem Ehrgeiz, dem Wunsch eine gute Mutter zu sein und den Schatten ihrer Vergangenheit. Doch sie ist offenbar nicht die einzige, die die Verbindung erkennt und so gibt auch eine andere Figur Einblicke in ihre Gedanken und beschreibt, wie sie den aktuellen Mord erlebt. Obwohl erst nach und nach enthüllt wird, welche Rolle sie spielt, steht ihre düstere Wahrnehmung von Anfang an im harten Gegensatz zu Rains bunter, detailreicher Welt.
Die Handlung ist zu Beginn sehr stark, Rains Charakter - wegen ihrer guten Absichten und Fehler sympathisch, aber auch mit schwieriger Vergangenheit - wirkt anfangs gut durchdacht und es werden viele Fragen aufgeworfen. Alles in allem wird ein steiler Spannungsbogen angefangen. Im Laufe des Buches flacht dieser Bogen zusehends ab, weil mehr und mehr Details an die Oberfläche gelangen, die weder zu der Geschichte noch zu Rains Person zu passen scheinen. Dem gegenüber steht der Versuch, der Handlung Tiefe zu verleihen, indem das moralische Dilemma der Selbstjustiz angedeutet wird. Da die Gedanken dazu nur an der Oberfläche kratzen und keine tiefe Auseinandersetzung erfolgt, gelingt dies jedoch nicht. Der inhaltliche Kontrast zwischen den beiden Erzählern wird durch verschiedene Erzählstile verstärkt: Rains gefühlvolles Detailreichtum steht der Beschreibung einer dunklen Welt gegenüber. Dieser gestalterische Trick führt dazu, dass es Spaß macht, das Buch zu lesen, auch wenn das Ende etwas unrealistisch erscheint.
Wer nach einer realistischen Geschichte mit großen Überraschungen und Wendungen sucht, wird von dem Buch enttäuscht sein. Wer jedoch eher nach einem "leichten" Thriller sucht, wird an diesem Buch seine Freude haben: Der Schreibstil ist mitreißend und spiegelt das Geschehen wieder, die Hauptfigur dient als sympathische Identifikationsfigur mit Biss und Selbstzweifeln und einem geheimnisvollen Gegenspieler.