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Veröffentlicht am 11.07.2021

Ehrlichkeit und Schwäche

Betreff: Falls ich sterbe
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Inhalt:
Carolinas Sohn ist wenige Monate alt, als sie Aksel, ihren Lebensgefährten und Vater ihres Babys, eines Morgens tot im gemeinsamen Bett vorfindet. Carolina fällt daraufhin in ein tiefes Loch, weiß ...

Inhalt:
Carolinas Sohn ist wenige Monate alt, als sie Aksel, ihren Lebensgefährten und Vater ihres Babys, eines Morgens tot im gemeinsamen Bett vorfindet. Carolina fällt daraufhin in ein tiefes Loch, weiß nicht mehr wie sie mit sich und ihrem Leben zurechtkommen soll. Doch Freunde und Familie sind für sie da. „Betreff: Falls ich sterbe“ ist ein autobiographischer Roman, in dem die Autorin von den Monaten und Jahren vor und nach Aksels Tod erzählt.

Meine Meinung:

Das Buch wirkt deutlich dicker, als es tatsächlich ist. Die Kapitel sind sehr kurz und lassen sich schnell lesen. Es gibt zwei Erzählstränge, die jeweils abwechselnd bedient werden. Der erste beginnt mit dem Kennenlernen von Carolina und Aksel, verfolgt ihre Beziehung und endet bei seinem Tod. Der zweite beginnt bei Aksels Tod, schildert die nervenaufreibende Zeit danach und geht schließlich in das Leben über, das Carolina sich irgendwann wieder aufbaut.

Im Zentrum der Geschichte stehen allein Carolina, Aksel und ihr Sohn Ivan. Carolina erzählt in der zweiten Person, sie spricht den toten Aksel direkt an. Die Nebenfiguren werden nicht näher benannt oder charakterisiert. Sie sind bloß „meine Stiefmutter“, „dein Bruder“, „seine Tochter“. Das hat mich vor allem im Mittelteil, als Familie und Freunde in Carolinas Trauer doch so präsent waren, sehr irritiert.

Beeindruckt hat mich an dem Buch, mit welcher Ehrlichkeit die Autorin versucht, sich selbst, Aksel, ihre Beziehung, das Muttersein und ihre Trauer zu beleuchten. Und da wären wir auch schon beim größten Problem. Die Beziehung, die hier geschildert wird, ist in meinen Augen höchst dysfunktional. So dysfunktional, dass ich mich des Öfteren bei dem Gedanken ertappt habe, dass doch einer von den beiden dieses ganze Übel bitte beenden möge. Die Beziehung von Carolina und Aksel und ihre Probleme, vor allem im Bezug auf Kinderwunsch und Schwangerschaft, wird äußerst detailliert seziert, während in den zwischengeschobenen Kapiteln gleichzeitig Carolinas Trauerphase stattfindet. Mit diesem Wechsel bin ich nicht gut zurechtgekommen.

Carolina erzählt ihre Geschichte weiter, bis zu dem Punkt, an dem sie beginnt, sich ein neues Leben nach Aksel aufzubauen. Dieses Leben ist mit neuen Menschen und neuen Problemen verknüpft. Irgendwie schafft es die Geschichte hier einen Bogen zu spannen, weil diese Schwierigkeiten die genaue Verkehrung der Situation mit Aksel sind.

Apropos Bogen: Schade fand ich auch, dass die titelgebende Email im Laufe der Geschichte nicht intensiver thematisiert wird.

Fazit:

Es war nicht mein Buch. Mir haben die Nebenfiguren gefehlt. Ein greifbares soziales Gefüge. Ein Fokus. Der große Pluspunkt der Geschichte ist ihre Ehrlichkeit und vielleicht bin ich selbst einfach nicht in der entsprechenden Lebensphase, um diese wertschätzen zu können. Für mich ist es nicht das richtige Buch zum Thema Trauer und Schicksalsschläge gewesen, weil es einfach zu viele schwierige Nebenschauplätze behandelt. Trotzdem muss man herausstellen, dass das Leben nun einmal häufig so ist, wie es hier geschildert wird. Es tut weh und man läuft im Kreis. Aber als Roman, habe ich mir damit wahnsinnig schwergetan.

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Veröffentlicht am 23.02.2021

Viele Köche verderben den Brei

Die Bücherfrauen
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Ich liebe Bücher! Und ich bin eine Frau. Also bin ich wohl auch eine Bücherfrau. Der Titel des Romans hat mich sehr angesprochen, dementsprechend glücklich war ich darüber, „Die Bücherfrauen“ in einer ...

Ich liebe Bücher! Und ich bin eine Frau. Also bin ich wohl auch eine Bücherfrau. Der Titel des Romans hat mich sehr angesprochen, dementsprechend glücklich war ich darüber, „Die Bücherfrauen“ in einer Leserunde besprechen zu dürfen. Leider hat mich der Inhalt ratlos zurückgelassen.

Inhalt:
Kansas, 2008: Die Bibliothekswissenschaftlerin Angelina (39) kehrt in die Heimatstadt ihres Vaters zurück, um dort ihre Dissertation zu beenden. Sie forscht bereits seit zehn Jahren über die sog. Carnegie-Bibliotheken und erhofft sich das Tagebuch ihrer längst verstorbenen Großmutter zu finden, die einst am Bau einer solchen Bibliothek beteiligt war. Die Künstlerin Traci (26) verschlägt es ebenfalls nach New Hope. Sie soll Kunst am Kulturzentrum der Stadt unterrichten, das mittlerweile in den Räumlichkeiten der ehemaligen Bibliothek untergebracht ist. Ihre Referenzen hat Traci dafür gefälscht. Sie will verbergen, dass sie gar nicht wirklich studiert hat. Und dann ist da auch noch Gayle, eine Frau aus der Nachbarstadt Prairie Hill. Durch einen Tornado hat sie ihre ganze Existenz verloren

Meine Meinung:
Ich betone das Alter der Protagonistinnen so sehr, weil das mit meinem Hauptproblem in Verbindung steht. Die zeitlichen Zusammenhänge sind für mich rätselhaft geblieben.
Das Buch spielt im Jahr 2008 und bezieht sich auf die Jahre 1910 und 1911, in denen die Bibliothek gebaut wurde, Angelinas Großvater starb und ihr Vater geboren wurde. Angelinas Familiengeschichte wurde in diese große Zeitspanne hinein erzählt und das ging meines Erachtens nicht auf. Ich möchte an dieser Stelle nicht detailliert auf das Warum eingehen, weil ich diese Rezension spoilerfrei halten möchte. Nur so viel sei gesagt: Ein Vater, der in sehr hohem Alter noch Kinder zeugt, spielt dabei eine Rolle.
Überhaupt bleibt Angelina als Protagonistin eher blass und wenig greifbar. Ihre Vergangenheit ist für mich nach wie vor unklar. Sie arbeitet seit zehn Jahren an ihrer Dissertation, ihre Recherchen scheinen jedoch noch ganz am Anfang zu stehen. Man erfährt einzig und allein, dass sie finanziell abhängig von ihrer emotional toxischen Mutter gewesen ist. Genauer beleuchtet wird aber auch das nicht.
Die Geschichte wechselt in kurzen Kapitel zwischen den Sichtweisen von Angelina, Traci und Gayle.
Traci war meine Lieblingsprotagonistin. Sie wurde als Baby in einer Mülltonne gefunden und hat einen sehr geringen Selbstwert. Von ihr hatte ich das klarste Bild. Die Liebesgeschichte zwischen ihr und einem einheimischen Künstler fand ich süß, wenn auch überstürzt. Gayle hingegen blieb vollkommen undurchsichtig. Ihre Kapitel sind kürzer als die der anderen und irgendwie farblos. Ihre Geschichte scheint losgelöst vom Hauptplot und ich habe vergeblich darauf gehofft, dass die Autorin sie irgendwann integriert.
An dieser Stelle kommen wir zu einem weiteren Problem des Buchs. Die Geschichte will zu viel auf einmal. Es gibt zahlreiche Probleme, die nur oberflächlich angerissen und dann zu schnell gelöst werden. Das Kulturzentrum, die Bibliotheken, die verfeindeten Städte, der Tornado, Angelinas Dissertation, Angelinas Vergangenheit, Tracis Vergangenheit, Tracis Lügen, ein schwerer Autounfall, Liebesgeschichten, emotional labile Teenager und und und.
„Die Bücherfrauen“ hat viele Zutaten, die eine tolle Geschichte braucht, aber am Ende schmeckt das Essen nicht richtig, weil der Fokus verloren gegangen ist.
Zusätzlich gestört hat mich, dass der Schreibstil der Autorin immer wieder zu einer unnötigen Dramatik neigt. Damit meine ich keine emotionalen Szenen, sondern dramatische Nebenschauplätze, auf die dann zu wenig eingegangen wird. Außerdem weint ständig jemand ohne nachvollziehbaren Grund.
Die Sprache ist ansonsten einfach, aber flüssig lesbar. Ab und zu gibt es ein paar holprige Formulierungen.
Abschließend möchte ich unbedingt noch deutlich machen, wie wunderschön ich die Aufmachung des Hardcovers finde. Es ist ein Schmuckstück in jedem Bücherregal. Ich liebe den texturierten Einband und das reduzierte Cover. Es ist ein Jammer, dass der Inhalt diesem tollen Äußeren nicht gerecht werden kann.

Fazit:
Ich habe gelesen, dass die Übersetzerin von „Die Bücherfrauen“ auch „City of Girls“ von Elisabeth Gilbert aus dem Fischer-Verlag übersetzt hat. Das habe ich letztes Jahr gelesen und abgöttisch geliebt. So ein wundervolles, atmosphärisches und kluges Buch über ein Frauenleben abseits der Konventionen seiner Zeit. Genau so etwas habe ich mir von „Die Bücherfrauen“ auch erhofft. Wenn ich Bücher lese, dann will ich sie immer, immer, immer mögen. Aber das gelingt mir hier einfach nicht recht.

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Veröffentlicht am 21.12.2020

Not my cup of tea

The Secret Book Club – Ein fast perfekter Liebesroman
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Die Reihe um „The Secret Book Club“ stand schon lange auf meiner Leseliste. Auf Bookstagram kam man ja quasi nicht um sie herum und ich habe viel Gutes gelesen. Die Idee eines Bücherclubs für Männer, der ...

Die Reihe um „The Secret Book Club“ stand schon lange auf meiner Leseliste. Auf Bookstagram kam man ja quasi nicht um sie herum und ich habe viel Gutes gelesen. Die Idee eines Bücherclubs für Männer, der sich mit Regency-Romanen beschäftigt ist ja auch bestechend. Vor allem, wenn man selbst gerne solche Romane liest. Und das tue ich!
Dass es hier ein Buch im Buch gibt, hat mich anfangs eher abgeschreckt, weil das in der Vergangenheit oft nicht für mich funktioniert hat. Leider ist es auch dieser Autorin nicht gelungen, mich davon zu überzeugen.

Inhalt:
Gavin Scott ist ein gefeierter Baseball-Star. Der Abend seines größten beruflichen Erfolgs, ist gleichzeitig auch der Abend seiner größten privaten Niederlage. Nachdem er einen spielentscheidenden Homerun gelandet hat, erfährt er zuhause, dass seine Ehefrau Thea seit Jahren ihre Orgasmen vortäuscht. Gavin zieht daraufhin ins Gästezimmer und Thea wirft ihn raus. Sie will die Scheidung, Gavin will die Ehe retten und bekommt dabei Unterstützung von seinem besten Freund Del, der Mitglied des titelgebenden Secret Book Club ist. Der Buchclub will Gavin mit einem auf seine Situation abgestimmten Regency-Roman dabei helfen, Thea zurückzugewinnen. Wenn er die Handlungen des verliebten Grafen erst einmal auf seine Situation überträgt, so glauben sie, dann gibt es wieder Hoffnung für Gavin und Thea.

Meine Meinung:
Ich hatte Lust zu lachen, also habe ich mich in der Buchhandlung für dieses Buch von meiner Wunschliste entschieden. Ich muss zugeben, dass ich nicht ganz so glücklich mit dem Kauf bin. Lachen musste ich wirklich ab und zu. Vor allem am Anfang der Geschichte. Aber je weiter der Plot fortgeschritten ist, desto mehr Schwächen kamen dazu.
Möglicherweise kann man mit meiner Zusammenfassung nicht nachvollziehen, was das Problem zwischen Gavin und Thea ist. Das liegt daran, dass ich es selbst nicht weiß.
Thea war eine ganz merkwürdige Protagonistin. Ich konnte sie überhaupt nicht verstehen, fand ihr Verhalten gegenüber Gavin in vielen Bereichen überzogen und unangebracht.
Wieso sie ihn rausgeworfen hat? Ich habe keine Ahnung! Weil er ins Gästezimmer gezogen ist? Vielleicht.
Außerdem regt sie sich darüber auf, dass er tatsächlich geht, wenn sie ihn wegschickt. Frauen, die nie sagen, was sie meinen, bzw. nicht wollen, was sie sagen, sind mir persönlich äußerst suspekt. Vielleicht liegt es auch einfach daran.
Ganz zu schweigen von Theas Schwester Liv, die nach Gavins Auszug im Haus der Familie wohnt und ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit als „Arschloch“ beschimpft. Jedes Mal, wenn sie auf der Bildfläche erschienen ist, habe ich mich gefragt, ob ich etwas überlesen habe. Sie hat sich aufgeführt, als hätte Gavin ihre Schwester mit fünf Frauen gleichzeitig betrogen.

Gavin selbst war ganz nett, aber auch irgendwie blass. Die Tatsache, dass er stottert, hat mir extrem gut gefallen. Das war sehr erfrischend und man hätte so viel daraus machen können! Mehr kann ich aber nicht zu ihm sagen, weil man kaum etwas über ihn erfährt, außer dass er zu allem bereit ist, um die Ehe zu einer Frau zu retten, die aus welchen Gründen auch immer abgöttisch liebt.

Von der Idee des Secret Book Clubs bin ich nach wie vor überzeugt, obwohl der Club selbst für meinen Geschmack viel zu wenig in der Geschichte aufgetaucht ist. Auch die Mitglieder hätten noch ein bisschen Überarbeitungsbedarf. „Der Russe“ mit den Darmproblemen war eine der schlimmsten Nebenfiguren, die mir dieses Jahr untergekommen ist. Überhaupt nicht lustig in meinen Augen. Ich habe mich beim Lesen jedes Mal für die Darstellung fremd geschämt.
Einziger Lichtblick in der Konstellation war der Clubbesitzer Mack. Ihn fand ich witzig und interessant! Wenn ich gelacht habe, dann meistens über etwas, dass Mack gesagt hat.

Wie oben bereits angedeutet, bin ich grundsätzlich skeptisch, wenn in ein Buch ein zweites Buch integriert ist. Ich hatte in der Vergangenheit oft das Gefühl, dass die Autoren dann weder der einen noch der anderen Geschichte richtig gerecht werden können. Hier war das gar nicht einmal so sehr das Problem. Vielmehr hat mir die Darstellung von Regency-Romanen nicht gefallen. Ja, die Motive sind ähnlich. Aber die Darstellung war mir zu übertrieben und überspitzt. In dem Buch sollte es doch darum gehen, dass diese Art von Büchern auch intelligent und vielschichtig sein können. Leider kam das in den gelieferten Ausschnitten überhaupt nicht rüber.

Einzig das Ende der Geschichte war ein Lichtblick. Da hat Gavin seine Frau wirklich herausgefordert. Da ging es ausnahmsweise mal nicht mehr darum der eingeschnappten, selbstherrlichen Thea zu gefallen, sondern auch darum, dass sie an sich arbeiten muss. Ich hatte phasenweise wirklich nicht mehr daran geglaubt.

Fazit:
Ich kann mir nicht helfen, ich werde mit der Geschichte und den Charakteren nicht warm. Komischerweise habe ich trotzdem überlegt den zweiten Teil zu kaufen. Einfach, weil ich Mack wirklich mochte und ihm gerne noch eine Chance geben würde. Andererseits habe ich gelesen, dass sein Gegenpart Liv sein wird und ich weiß nicht, ob ich ein ganzes Buch mit ihr als handlungstragender Person lesen will. Ich bleibe wohl in Zukunft besser bei klassischen Regency-Romanen. Wie die Briten selbst sagen würden: „Not my cup of tea.“

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Ein Hauch von Sommer

Der Sommer, in dem alles begann
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Eigentlich bringt "Der Sommer, in dem alles begann" alles mit, was ein Buch haben sollte, um mich zu begeistern: Literarische Sprache, Coming off age, Liebe, skandalöse Verwicklungen. Drei Frauen und ein ...

Eigentlich bringt "Der Sommer, in dem alles begann" alles mit, was ein Buch haben sollte, um mich zu begeistern: Literarische Sprache, Coming off age, Liebe, skandalöse Verwicklungen. Drei Frauen und ein schicksalhafter Sommer. Das klingt gefährlich nach mir. Und als Bonus noch ein wunderschönes, atmosphärisches Cover.
Also warum hat mir das Buch nicht gefallen?
Ich glaube, es liegt vordergründlich am Stil des Textes, mit dem ich nicht warm geworden bin. Die Autorin schreibt für meinen Geschmack zu kühl und distanziert. Es fällt mir schwer zu den Protagonistinnen eine echte Verbindung aufzubauen. Noch dazu fokussiert sie inhaltlich sehr auf die bretonische Kultur. Oder besser gesagt: Den bretonischen Kulturkampf. Bis zu einem gewissen Punkt ist mir dieses Thema neu. Allerdings langweilt es mich, in der Art und Weise, wie es im Buch aufgegriffen wurde, mehr. Die Geschichte selbst finde ich über große Strecken ziemlich vorhersehbar. Es ist sehr früh absehbar, was passieren wird. Gepaart mit der Erzählart, hat es mich dann doch froh gemacht, dass das Buch in seinem Umfang recht knapp gehalten ist.
Gewünscht hätte ich mir mehr Atmosphäre, Spannung und Gefühl. Mehr von dem Knistern eines unvergesslichen, lebensverändernden Sommers.
Ich weiß, dass der Roman in Frankreich ein großer Bestseller gewesen ist. Möglicherweise bin ich als das französische Klischee liebende, aber mit der französischen Kultur im Detail doch eher weniger vertraute Vielleserin nicht das richtige Publikum für "Der Sommer, in dem alles begann."
So war es nur ein Hauch von Sommer für mich.

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Veröffentlicht am 14.02.2022

Nicht wirklich.

Unser wirkliches Leben
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Inhalt:
Anna lebt im schäbigsten Einliegerzimmer Londons und macht eine Ausbildung zur Opernsängerin an einem renommierten Konservatorium. Sie ist immer knapp bei Kasse und schlägt sich mit mehreren Jobs ...

Inhalt:
Anna lebt im schäbigsten Einliegerzimmer Londons und macht eine Ausbildung zur Opernsängerin an einem renommierten Konservatorium. Sie ist immer knapp bei Kasse und schlägt sich mit mehreren Jobs durch. Bei einem davon lernt sie Max kennen, einen wohlhabenden Banker, fünfzehn Jahre älter als sie selbst, mit dem sie eine sexuelle Beziehung eingeht. Innerhalb dieser Beziehung wird immer wieder deutlich wie steil das Machtgefälle zwischen den beiden ist. Aus diesem Gefälle entsteht in Kombination mit Max’ eigenwilligem Charakter ein toxisches Abhängigkeitsverhältnis. Anna verheddert sich mehr und mehr in einem Netz aus ihrer Affäre mit Max, ihrer finanziellen Mittellosigkeit, dem kräftezehrenden Konkurrenzkampf an der Musikhochschule und anderen schwierigen Nebenschauplätzen in ihrem Leben.

Meine Meinung:

Ich habe an mehreren Stellen gelesen, dass Imogen Crimp mit Sally Rooney verglichen wird. Nun kenne ich sowohl die eine als auch die andere und kann das nicht bestätigen. Beide sind junge Frauen, kommen aus dem Britischen und schreiben Geschichten, die sich an eine ähnliche Zielgruppe richten. (Außerdem verzichten sie jeweils auf bestimmte Satzzeichen.) Das war’s dann aber auch mit den Ähnlichkeiten.
Während ich Sally Rooney Aufarbeitung des aktuellen Zeitgeists als seltsam tröstlich empfand, habe ich mir bei „Unser wirkliches Leben“ gewünscht, dass dieses Buch möglichst wenig mit dem realen Leben zu tun habe. Im Zentrum der Geschichte steht das Verhältnis von Anna und Max. Die Aufarbeitung ihrer Beziehung als übergeordnetes Thema ist es auch, was mich zum Lesen bewogen hat. Das Problem ist nur, dass ich diese Beziehung überhaupt nicht verstanden habe. Max ist für mich eine einzige große Red Flag. Ich konnte zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen, wieso Anna ihm so erlegen ist, wenn es ihr nicht primär um’s Geld geht, und das tut es laut Buch nicht. Er behandelt Anna wie ein kleines, naives Mädchen, nimmt sie kaum ernst. Dabei hat er gar kein Charisma, ist letztlich nichts anderes als ein verwöhnter, launischer Mann in seinen mittleren Jahren. Ich habe keine Anziehung zwischen den beiden gespürt, nicht einmal sexuelle Spannung, nur ein unerklärliches Festhalten an dieser Beziehung. Das ist mir für einen solchen Handlungsschwerpunkt einfach zu wenig. Warum ausgerechnet dieser Mann? Was hat er an sich, dass eine junge Frau sich ihm unterwirft? Wo liegt sein Zauber, das Betörende? Der Text beantwortet diese Fragen nicht.
Das Buch bietet noch weitere Handlungsstränge, die Konflikte aus Annas Leben bearbeiten. Vordergründig geht es um die musikalische Ausbildung, die Anna absolviert, um den ungesunden Konkurrenzkampf, und das große finanzielle Risiko, dem sich die Studierenden aussetzen. Da sind aber auch noch die extrem prekären Wohnverhältnisse, in denen Anna gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin lebt. Zwischen den beiden besteht außerdem eine toxische Freundschaft. Obendrein gibt es dann noch eine gestörte Beziehung zu Annas Mutter, einschließlich einhergehendem Kindheitstrauma.
Die Dialoge im Buch habe ich anfangs als sehr klug und spannend empfunden und das sind sie auch. Es entsteht durch sie ein gewisser Lesesog, man möchte wissen, wie es weitergeht. Im Verlauf wirkten sie jedoch zunehmend bedrückend auf mich. Es geht immer und immer wieder um moderne Beziehungsformen, um Geldsorgen, um Kunst und Musik, und dabei dreht sich alles um sich selbst und wird bis ins Kleinste auserzählt.
Vielleicht hätte mir das Buch besser gefallen, wäre es kürzer gewesen und hätte sich stärker fokussiert. Ich habe das Gefühl, die Autorin wollte zu viel in einem Roman unterbringen, und obwohl dieser umfangreich ist, verliert er sich zwischen all diesen Themen.

Fazit:
Ein schwieriges Buch, das durchaus spannend ist und definitiv seinen Reiz hat, mich aber leider nicht überzeugen konnte. Ich habe das Lesen als sehr beklemmend empfunden. Möglicherweise war das auch die Absicht der Autorin, mich hat sie damit nur leider nicht erreichen können.

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