Ein außergewöhnlicher Thriller
SterbewohlInhalt: Deutschland in naher Zukunft. Wirtschaftskrise und Inflation brachten die „Bürgerpartei“ an die Macht, die die demokratischen Strukturen Deutschlands aushöhlte. Das neueste Sparprogramm der BP: ...
Inhalt: Deutschland in naher Zukunft. Wirtschaftskrise und Inflation brachten die „Bürgerpartei“ an die Macht, die die demokratischen Strukturen Deutschlands aushöhlte. Das neueste Sparprogramm der BP: Rentner werden zu Sterbeseminaren nach Fehmarn eingeladen, wo ihnen geraten wird, das Medikament „Sterbewohl“ einzunehmen. Dadurch könne man, so die Idee der BP, Einsparungen in der Rentenkasse vornehmen. Zwar wird betont, die Einnahme von „Sterbewohl“ sei völlig freiwillig, doch Nadja, die gemeinsam mit ihren Freunden zu einem Sterbeseminar eingeladen worden ist, befürchtet Schlimmes.
Persönliche Meinung: „Sterbewohl“ kündigt sich auf dem Cover bescheiden als „Kriminalroman“ an, doch das Buch geht weit über die Grenzen dieser Gattung heraus. Einerseits finden sich besonders im Luxushotel auf Fehmarn Aspekte eines Thrillers: Der Leiter der Sterbeseminare ist suspekt bis offen bedrohlich, mehrmals verschwinden Seminarteilnehmer, das Hotelpersonal nuschelt Seltsames vor sich hin und das Luxushotel ist abgeschottet. Andererseits ist „Sterbewohl“ auch eine Dystopie: Es spielt in naher Zukunft in einem Deutschland, das mit seinen Methoden und Denkweisen an das nationalsozialistische Deutschland erinnert. Dabei ist die Welt glaubhaft und potenziell durchaus möglich, wodurch „Sterbewohl“ auch parabelhafte Strukturen erhält. Auch das Figurenpersonal ist besonders: Die Figuren, die auftreten, sind hauptsächlich bereits im Rentenalter. Erzählt wird der Roman aus der Ich-Perspektive Nadjas, einer 65-jährigen Grundschullehrerin in Rente. Dabei werden häufig Themen angesprochen, die man bei jüngeren Protagonist*innen nicht so häufig findet. Nadja reflektiert über ihr Leben, was sie hätte anders machen können/sollen/wollen, was sie überhaupt noch erwartet und wie das Alter ihr zusetzt. Der Tod ist somit auch in den Gedanken der Protagonistin allgegenwärtig. Der Erzählstil lässt sich aufgrund seiner eher kurzen Sätze flüssig und zügig lesen. „Sterbewohl“ ist insgesamt ein außergewöhnlicher, dystopischer Thriller mit einem ungewöhnlichen Figurenpersonal.