Schuld verjährt nicht
Das doppelte GesichtVon Heidi Rehn habe ich bisher nur ihre historischen Romane gelesen, aber keinen der Krimis. Mit "Das doppelte Gesicht" startet die Autorin eine neue Reihe, die im München der Nachkriegszeit spielt.
Der ...
Von Heidi Rehn habe ich bisher nur ihre historischen Romane gelesen, aber keinen der Krimis. Mit "Das doppelte Gesicht" startet die Autorin eine neue Reihe, die im München der Nachkriegszeit spielt.
Der amerikanische Captain Joe Simon rekrutiert in einem französischen Gefangenenlager den jungen Emil Graf für die neu aufzustellende Münchner Polizei. Die Stadt versinkt im Chaos, während die amerikanischen Besatzer versuchen etwas Ordnung in die Desorganisation der Polizei zu bringen. Emil ist noch ein junger und unerfahrener Ermittler, der nach seinem Abschluss sofort in den Krieg ziehen musste. Nun soll er einen Mord am Kriegsheimkehrer Viktor von Dietlitz übernehmen. Während immer wieder Verbrechen aus Hunger und Verzweiflung geschehen, scheint an diesem Verbrechen etwas anderes dahinterzustecken. Am Tatort lernt Emil die amerikanische Fotoreporterin Sybilla von Löwenfeld, genannt Billa, kennen. Sie ist aus den USA nach München zurückgekehrt, um unter anderen auch von Ditlitz zu interviewen. Doch Billa findet den Mann nur mehr tot in seiner noblen Villa auf.
Emil und Billa sind noch etwas unsichere junge Charaktere, die perfekt für den Anfang einer Krimi-Reihe passen. So haben sie Zeit sich weiterzuentwickeln und sich in weiteren Bänden, die hoffentlich folgen werden, zu entfalten und zu lernen. Außerdem bleiben einige Fragen zu ihrer Vergangenheit noch offen.
Billa ist jüdischer Abstammung und wanderte gemeinsam mit ihrer Mutter Lilo, einer High Society Reporterin, 1938 aus Deutschland aus. Diese scheint zu dieser Zeit gute Verbindungen zu den Nazis gehabt zu haben.
Billa sitzt hingegen noch immer die Angst von der damals beginnenden Judenverfolgung im Nacken. Trotzdem setzt sie sich besonders für den ehemaligen Zwangsarbeiter und heimatlosen Polen Piotr ein - einer Displaced Person, der aus dem Lager geflohen ist und auf keinen Fall in den Osten zurückkehren möchte. Auch Billas Ängste gegenüber der Polizei spürt man immer wieder durchblitzen, obwohl sie diese mit ihrer Impulsivität zu überspielen versucht. Einzig Emil findet etwas Zugang zu ihr, der sich immer mehr in den Fall verbeißt und Billa immer interessanter findet. Zusätzlich wird er von moralischen Skrupel geplagt, was den unerfahrenen und etwas linkisch wirkenden jungen Mann immer wieder an sich zweifeln lässt. Dann passiert ein weiterer Mord und wieder ist das Mordopfer ein Kriegsheimkehrer....
Heidi Rehn hat eine komplexe Geschichte erschaffen, die abwechselnd aus der Sicht von Billa und Emil erzählt wird. Der packende und lebendige Schreibstil ließ mich sofort in das Buch eintauchen. Besonders gefallen hat mir aber die sehr bildhafte Beschreibung des zerbomten Münchens. Die historischen Zusammenhänge sind perfekt recherchiert worden und zeigen ein sehr lebendiges Bild dieser Zeit. Die Stimmung ist eher düster und drückend.
Heidi Rehn hat sich für diesen Roman aber nicht nur dem historischen München und den Morden angenommen, sondern auch die Themen "Ehrenjuden", Euthanesie und Displaced Persons. Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute nach Kriegsende mit den Nazis nichts zu tun haben wollten und angeblich alle im Widerstand aktiv waren…Heidi Rehn greift diese Verleugnungen immer wieder durch den Amerikaner Joe Simon auf, der hart durchgreift.
Stück für Stück streut die Autorin immer mehr Informationen ein und fordert den Leser zum Mitraten auf. Das Ende ist schlüssig und schockiert.
Fazit:
Ein toller Auftakt zu einer neuen historischen Krimi-Reihe, der mich neugierig auf die Folgebände macht. Mit dem jungen und noch etwas unsicheren Ermittler Emil hat die Autorin eine ausbaufähige Figur erschaffen, die ich noch besser kennenlernen möchte. Ich bin schon sehr auf die weiteren Geschichten gespannt.