Wenn "lahme Gäule" zu wahren Tigern werden....
Real TigersDer 3. Fall Jackson Lamb's - "Real Tigers" von Mick Herron, erschien (TB,2020) im Diogenes-Verlag, Zürich und wurde aus dem Englischen von Stefanie Schäfer übersetzt.
Für mich stellt diese Reihe intelligenter ...
Der 3. Fall Jackson Lamb's - "Real Tigers" von Mick Herron, erschien (TB,2020) im Diogenes-Verlag, Zürich und wurde aus dem Englischen von Stefanie Schäfer übersetzt.
Für mich stellt diese Reihe intelligenter Agentenkrimis etwas Besonderes dar und auf 'Real Tigers' in der deutschen Übersetzung habe ich mich nach dem Genuss der beiden Vorgänger sehr gefreut: Auch hier wurde ich nicht enttäuscht, da Mick Herron einen genialen Schreibstil (und schräge Figuren) hat, die stets ein Schmunzeln und großen Lesegenuss bereithalten.
Dieses Mal stellt uns ein "Geist", der durch Slow House wandert, die "Abservierten" kurz vor. Es gibt also ein Wiedersehen mit Jackson Lamb und seinen Agenten, die allesamt etwas vermurkst haben und als "Lahme Gäule" im Slow House des Regent Park's (Hauptsitz des MI5 und Secret Service, London) outgesourcet wurden, um dort stupide und eintönige Arbeiten zu verrichten. Man hofft darauf, dass jeder Einzelne aufgibt und die Kündigung einreicht, doch davon sind (Gott sei's gedankt) die meisten weit entfernt:
Wir begegnen River Cartwright, dem Enkel des legendären David Cartwright; Catherine Standish, der Assistentin Jackson Lamb's, Roderick Ho, dem IT-Spezialisten, der jedoch kein Glück bei Frauen hat, Louisa Guy, die seit dem Tod von Min (früherer Kollege und auch Partner) einen recht zweifelhaften Lebensstil führt, Marcus Longridge (der sich bemüht, seine Spielsucht in Grenzen zu halten) und die zuweilen koksende Shirley Dander, die beiden Neuzugänge im Slow House.
Wie gewohnt malträtiert Jackson Lamb seine "Untergebenen" gerne, hält ihnen oft den Spiegel des Versagens vor; jedoch mag er es nicht, wenn einer seiner Agenten in Gefahr schwebt - und jemand nicht zum Dienst erscheint.
Was im Falle von Catherine Standish, einer trockenen Ex-Alkoholikerin, eines Morgens der Fall ist. Es sollte sich herausstellen, dass ein Ex-Liebhaber sie kurzerhand entführt hat, um (im Austausch der Agentin) an ein Dossier des Premierministers zu gelangen, das in den heiligen Archiven des Regent Parks vermutet wird: An der Hüterin dieses Archivs (eine alte Fledermaus auf Rädern namens Molly Doran, aus den früheren Krimis bestens bekannt) ist kaum ein Vorbeikommen, doch River versucht dennoch sein Glück und schleicht sich in die Katakomben ein (obwohl es den Agenten des Slow House strengstens verboten ist, den Regents Park zu betreten).
Leider ist das Eindringen Rivers nicht von Erfolg gekrönt und Nick Duffy, ebenfalls ein alter Bekannter der Serie und Chef der "Dogs", wie die Mitarbeiter des Regent Parks genannt werden, knöpft sich River vor....
Eine weitere illustre Gestalt, (die sehr viel äußerliche Ähnlichkeit mit dem derzeitigen Premierminister Englands hat) ist Peter Judd, der amtierende Innenminister sowie Ingrid Tearner (Direktorin des MI5 und aalglatt) wie auch Diana Taverner oder "Lady Di", die ihre eigenen Interessen verfolgt und ebenfalls wie ihre Vorgesetzte mit allen Wassern gewaschen ist.
Weshalb wurde Catherine entführt? Wer sind die maßgeblich Beteiligten? Was geht hinter den Kulissen des Regent Parks vor sich? Sind die Akten im Archiv, bei denen es sich teils um brisante Daten handelt, auch sicher? Wer könnte ein Interesse haben, die Personalakte des Premiers (dessen Vergangenheit mit Sicherheit glattgebügelt wurde) zu entwenden? All diesen Fragen muss sich Jackson Lamb stellen und ist wie immer nicht alleine, den Fall zu lösen: Er hat seine Slow Horses...
Der Leser verfolgt mit Spannung die Aktivitäten Jackson Lambs und seiner Agenten, wobei es in diesem Agentenkrimi um Macht geht und wie die Mächtigen sie sichern; um Verschwörungstheorien und "Graue Bücher"; um die Möglichkeiten, die eigene Position zu sichern (und nach Möglichkeit, dem jeweils Ranghöheren ans Bein zu pissen, am besten erfolgreich) und die Methoden, wie dies (am besten unter Ausschluss der Öffentlichkeit) zu bewerkstelligen ist.
Mick Herron's unvergleichlicher Schreibstil lebt von den bissigen, oft witzigen Dialogen der Slow Horses - ganz besonders von Jackson Lambs - und des alltäglichen Schlagabtauschs untereinander. Auch schwarzer Humor ist keine Seltenheit, der skurrile Handlungen (die oftmals gar nicht so unrealistisch erscheinen) noch betont.
Der spannende Showdown in der stillgelegten Fabrik klärt gegen Ende einiges und der oben erwähnte "Geist" führt den Leser wiederum durch die Büros des Slow House: Resümierend bis zu einem schnarchenden Jackson Lamb, dessen Tür nicht von einem Geist, sondern einer weiß behandschuhten Hand geöffnet wird - wobei allzu oft vergessen wird, dass sich hinter so mancher Tür tatsächlich ein Tiger verstecken kann
Fazit:
Mick Herron vertritt nach meinem Dafürhalten die hohe Kunst der intelligenten Unterhaltung in Form eines weiteren Agentenkrimis, der zum Ende hin durchaus Thrillerelemente in sich trägt, in Reinkultur.
Wer schwarzhumorige, teils sarkastische, pointierte, vor allem aber sehr intelligent geschriebene und tiefgründige Spionagekriminalromane mag, sollte diese Reihe unbedingt lesen! Am allerbesten chronologisch, wie in diesem Genre ratsam. Fans der "Slow Horses" dürften sich (wie ich) gefreut haben, dass sie letztendlich das bessere "Tiger-Team" sind! Von mir gibt es 4,5 * und eine absolute Leseempfehlung.