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Veröffentlicht am 06.02.2021

Ein Klassiker der Phantastik-Literatur

Die 13 ½ Leben des Käpt'n Blaubär
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Inhalt: Käpt’n Blaubär schreibt seine Memoiren – aber nur die ersten 13 ½ der siebenundzwanzig Blaubärleben. Doch auch die erste Hälfte seines Lebens hat es bereits in sich: Käpt´n Blaubär wird von Zwergpiraten ...

Inhalt: Käpt’n Blaubär schreibt seine Memoiren – aber nur die ersten 13 ½ der siebenundzwanzig Blaubärleben. Doch auch die erste Hälfte seines Lebens hat es bereits in sich: Käpt´n Blaubär wird von Zwergpiraten großgezogen und wohnt kurzzeitig in einem Tornado; er besucht Prof. Nachtigallers Nachtschule und lernt das Lügen in Atlantis, zudem fällt er in die 2364. Dimension und verdient sein Geld als Pizzabäcker - um nur einige seiner Stationen zu nennen…

Persönliche Meinung: „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“ von Walter Moers, ein Klassiker der phantastischen Literatur, ist der erste Teil des Zamonien-Zyklus. Der Roman sprüht nur so vor phantastischen und originellen Ideen. Zamonien, der Kontinent, auf dem sich die 13 ½ Leben des Blaubären abspielen, ist mit den absonderlichsten Orten gespickt. So durchquert Blaubär eine Wüste aus Zuckersand, die sog. „Süße Wüste“, durch die die nomadisierenden Gimpel auf der Suche nach der legendären Stadt Anagrom Ataf ziehen. Kurzzeitig lebt er auch im Auge des Ewigen Tornados, in dem sich eine Stadt befindet, wo die Zeit nahezu stillsteht. Atlantis, die größte Stadt Zamoniens, ist gewissermaßen ein kultureller Schmelztiegel, in dem sich unterschiedlichste Bewohner*innen Zamoniens treffen (z.B. Stollentrolle, Dämonen, Wolpertinger oder Blutschinken). Einige dieser Wesen lernt Blaubär auch auf seiner Reise: Ein Leben verbringt Blaubär mit einem Rettungssaurier, mit dem sprechenden Namen Deus X. Machina: Aufgabe der Rettungssaurier ist es, Personen in letzter Sekunde das Leben zu retten. In einem anderen Leben trifft Blaubär im Großen Kopf schlechte Ideen und den Wahnsinn. Zudem herrschen in Zamonien eigene Wissenschaften und Naturgesetze (um Prof. Nachtigaller zu zitieren: „Wissen ist Nacht!“). Ob Blaubär dabei immer zuverlässig erzählt? Fraglich. Denn der Ich-Erzähler Blaubär, der chronologisch über seine 13 ½ Leben spricht, ist hochgradig unzuverlässig. So diskutiert der „Lügengladiator“ Blaubär in einem kleinen Exkurs, wie das Flunkern funktioniert: Man müsse nur Lüge und Wahrheit richtig vermengen, damit Unwahrheiten wahr werden würden. Was Blaubär tatsächlich erlebt hat, bleibt daher offen. Jedes seiner 13 ½ Leben spielt an einem anderen Handlungsort, wo er immer wieder neue Figuren trifft. Die Struktur des Werkes nimmt daher Züge einer Odyssee an. Interessant bei diesem eher episodischen Erzählstil ist, dass Blaubär immer mal wieder auf Figuren trifft, die er bereits in früheren Leben getroffen hat – teilweise in den skurrilsten Situationen. Dadurch werden schöne Querverweise innerhalb der Handlung eingebaut und einzelne Handlungsfäden aus der Retrospektive motiviert. Trotz seiner Länge (etwas mehr als 700 Seiten) geht „Die 13 ½ Leben des Käpt`n Blaubär“ nie die Luft aus. Dies liegt einerseits an der abwechslungsreichen Handlung, die teilweise schon wahnwitzige Züge annimmt. Andererseits aber auch an dem leichten und flüssigen Erzählstil, der durch Wortwitz besticht. Außerdem wird der Text durch zahlreiche Zeichnungen Moers‘, typographische Besonderheiten und Einschüben aus dem „Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung“, aus der Feder Prof. Dr. Abdul Nachtigallers, aufgelockert. Insgesamt ist „Die 13 ½ Leben des Käpt`n Blaubär“ ein abwechslungsreicher, innovativer und schön geschriebener Phantastik-Roman.

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Veröffentlicht am 06.02.2021

Ein spannender Psychothriller

Die Lügen jener Nacht
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Inhalt: Seit 10 Jahren lebt Mimi in Schottland. Die Verbindungen zu ihrem alten Leben in Bonn hat sie gekappt. Als die Hochzeitseinladung einer Studienfreundin bei ihr eintrudelt, ignoriert sie sie zunächst, ...

Inhalt: Seit 10 Jahren lebt Mimi in Schottland. Die Verbindungen zu ihrem alten Leben in Bonn hat sie gekappt. Als die Hochzeitseinladung einer Studienfreundin bei ihr eintrudelt, ignoriert sie sie zunächst, reist dann aber doch widerwillig nach Bonn. Dort angekommen, heißt die alte Clique sie allerdings – entgegen aller Erwartungen – freudig willkommen. Doch das freundschaftliche Idyll kippt, als ein Protagonist der anstehenden Hochzeit tot aufgefunden wird. War es Mord? Die Polizei schießt sich auf Mimi ein, die zu allem Überfluss noch von Erinnerungslücken geplagt wird. Haben ihre Freundinnen sie als Sündenbock auserkoren?

Persönliche Meinung: „Die Lügen jener Nacht“ ist ein Psychothriller aus der Feder von Judith Merchant. Er erschien zuerst 2014; die Neuauflage erfolgte Ende 2020 mit einem neuen Cover. Erzählt wird der Thriller aus der Ich-Perspektive Mimis, die mit ihrem Privatleben zu kämpfen hat. Ihr Studium hat sie nie abgeschlossen, ihr Partner hat sie verlassen, ihren Job hat sie verloren. Dazu gesellen sich Erinnerungslücken, die ihre Gegenwart und Vergangenheit betreffen. Dadurch nimmt Mimi als Erzählinstanz Züge einer unzuverlässigen Erzählerin an. Ein großes Thema innerhalb der Handlung von „Die Lügen jener Nacht“ ist die nahende Hochzeit Ninas, der Studienfreundin Mimis. Diese wird von Mimi nicht als freudiges Ereignis gesehen, sondern als Gefahr: Hier treffen sich alte Bekannte, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Man mustert sich, vergleicht sich, schaut, wer in der vergangenen Zeit erfolgreich war – und auch: wer nicht. Mimi kann, so ihre Furcht, dabei nur schlecht abschneiden, was sich insgesamt auf ihre Psyche niederschlägt. Bonn, der Handlungsort des Thrillers, ist anschaulich beschrieben und es finden sich einige Bonn-spezifische Lokalitäten im Thriller wieder: Die Universität, das Römerbad, der allgegenwärtige Rhein mit der MS Moby Dick und die Straßenzeile „Fürstenstraße/Am Hof“ mit ihren (mittlerweile geschlossenen) Institutionen Café Göttlich und der Universitätsbuchhandlung Bouvier. Die Handlung selbst ist ein raffiniertes Vexierspiel: Mimi erzählt bisweilen unzuverlässig, ihre Wahrnehmung ist getrübt, die Freundinnen verbergen eigene Probleme, Figuren verstecken ihr wahres Gesicht und im Hintergrund wartet ein Geheimnis seit 10 Jahren darauf, offenbart zu werden. Die Handlung ist dadurch schön undurchsichtig und schwer vorhersehbar, wodurch das Ende umso überraschender ist. Der Erzählstil ist sehr lebendig, was vor allem an den abwechslungsreichen und spritzigen Dialogen liegt. Insgesamt ist „Die Lügen jener Nacht“ ein spannender Pageturner mit einem überraschenden Ende und einem tollen Schreibstil.

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Veröffentlicht am 23.01.2021

Hogart ermittelt in Paris

Die Knochennadel
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Inhalt: Eigentlich möchte Peter Hogart mit seiner Freundin Elisabeth und seiner Nichte Tatjana einen schönen Urlaub in Paris verbringen. Doch auch berufliche Gründe führen nach Paris: Elisabeth ist Kunsthistorikerin ...

Inhalt: Eigentlich möchte Peter Hogart mit seiner Freundin Elisabeth und seiner Nichte Tatjana einen schönen Urlaub in Paris verbringen. Doch auch berufliche Gründe führen nach Paris: Elisabeth ist Kunsthistorikerin und betreut die Auktion der Knochennadel, einem kostbaren mittelalterlichen Artefakt. Unmittelbar nach der Auktion verschwindet Elisabeth spurlos – zusammen mit der Knochennadel. Kurz danach findet die Polizei die Leichen von Kunstsammlern, die auf die Nadel geboten haben. Steckt Elisabeth hinter den Morden, so wie die Polizei vermutet? Ist Elisabeth selbst ein Opfer? Es liegt an Hogart, die Wahrheit herauszufinden.

Persönliche Meinung: „Die Knochennadel“ ist der dritte Fall um den Versicherungsdetektiv Peter Hogart und spielt zweieinhalb Jahre nach den Ereignissen von „Die Engelsmühle“. Erzählt wird der Thriller hauptsächlich aus der Perspektive Hogarts; vereinzelt wird allerdings auch er Point of View anderer Figuren eingenommen, sodass der Fall aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. „Die Knochennadel“ ist der umfangreichste, verworrenste und dadurch auch spannendste Fall der Hogart-Reihe. Einzelne Personen verschwinden, die Knochennadel ist unauffindbar, Kunsthändler werden verprügelt, Kunstsammler ermordet, undurchsichtige Schläger bedrohen Hogart und setzen ihm ein Ultimatum, die Polizei arbeitet gegen ihn. Zusätzlich dazu beleuchten Rückblicke das Leben zweier Geschwister, die irgendwie mit dem Fall zu tun haben. Wie/Ob das alles zusammenhängt, bleibt bis zur Auflösung undurchsichtig, da einige red herrings zu falschen Schlussfolgerungen verleiten. In einem großen, actionreichen und überraschenden Finale werden die einzelnen Fasern allerdings wieder aufgegriffen und zu einem stimmigen und logischen Ende geführt. Der letzte Akt nimmt vergleichsweise viel Raum ein (ca. 1/6 des Romans) und dementsprechend passiert hier auch einiges (das betrifft v.a. das Schicksal einzelner Figuren und letzte Fragen zum Fall – mehr kann ich ohne Spoiler nicht sagen). Der Fall ist insgesamt in sich abgeschlossen, sodass er auch unabhängig von den Vorgängern gelesen werden kann. Ein Highlight des Thrillers war für mich die Entwicklung der Beziehung von Hogart und Kohlschmidt, dem Leiter der Außendienstelle von Medeen & Lloyd, der bereits in den beiden Vorgängern aufgetreten ist. Beide sind sich eigentlich spinnefeind, doch in „Die Knochennadel“ mausert sich Kohlschmidt und wächst über sich hinaus, sodass es zu einigen tollen Szenen zwischen Hogart und Kohlschmidt kommt. Originell fand ich auch die titelgebende Knochennadel, die eine spezifische Funktion besitzt (mehr kann ich ohne Spoiler nicht verraten). Wie schon die Vorgänger ist „Die Knochennadel“ sehr flüssig geschrieben, sodass man den Thriller angenehm lesen kann. Insgesamt ist „Die Knochennadel“ ein spannender, gut durchdachter Pageturner, der sich in Sachen Komplexität deutlich von den Vorgängern abhebt.

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Veröffentlicht am 29.12.2020

11 humorvolle Weihnachtsgeschichten

Der falsche Bart des Weihnachtsmanns
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„Der falsche Bart des Weihnachtsmanns“ versammelt 11 weihnachtliche Kurzgeschichten von Terry Pratchett.

1. Die erste Geschichte ist ein Briefwechsel zwischen verschiedenen Mitarbeiter einer Supermarktkette, ...

„Der falsche Bart des Weihnachtsmanns“ versammelt 11 weihnachtliche Kurzgeschichten von Terry Pratchett.

1. Die erste Geschichte ist ein Briefwechsel zwischen verschiedenen Mitarbeiter einer Supermarktkette, der sich um die Einstellung und das zu weihnachtsmannmäßige Verhalten des neuen Supermarkt-Weihnachtsmannes
drehen.

2. Es folgt „Die Blackbury-Pastete“: Blackburys Bürgermeister möchte zum Weihnachtsfest eine große Pastete backen, von der ganz Blackbury satt werden soll – ein nicht unproblematisches Unterfangen.

3. „Drankriegen“, wieder in Blackbury angesiedelt, behandelt ein besonderes Spiel, das immer an Neujahr ausgetragen wird.

4. In der vergleichsweise kurzen Geschichte „Eine sehr kurze Eiszeit“ lernen wir Rasmussen kennen, der in die Arktis auswandern möchte.

5. Die fünfte Erzählung „Der Computer, der dem Weihnachtsmann schrieb“ gehört zu meinen Highlights. Hier möchte ein Computer auch etwas vom Weihnachtsmann geschenkt bekommen, was zu einem lustigen Dialog zwischen Weihnachtsmann und Computer führt.

6. In „Ein König im Schnee“ möchte ein König einem armen Untertan ein Festmahl vorbeibringen, was in einer kleinen Irrfahrt gipfelt.

7. In „Das Wetterkücken“ besuchen die Leser*innen erneut in Blackbury, wo das Wetter verrücktspielt.

8. Die nächste Geschichte „Der Weihnachtsmann vor Gericht“ besitzt wieder den Weihnachtsmann als Protagonisten: Die typischen Verhaltensweisen des Weihnachtsmannes werden hier vor einem bürokratischen Hintergrund gesehen (Fliegen ohne Flugerlaubnis!), wodurch der juristische Apparat gewissermaßen parodiert wird.

9. Blackbury kommt einfach nicht zur Ruhe: In „Das Yeti-Baby“ treiben dort Schneemonster ihr Unwesen. Nur Alberts Oma kann die Stadt retten.

10. Die vorletzte Geschichte „Die zwölf Weihnachtsgeschenke“ ist eine Märchengeschichte. Ein Prinz möchte eine Prinzessin heiraten, muss dafür aber zwölf besondere Geschenke bringen.

11. Frau Weihnachten reicht es. Der Weihnachtsmann arbeitet nur einen Tag im Jahr und faulenzt die restliche Zeit. Daher soll er sich einen Job suchen. Ob das gut geht, kann man in „Der Weihnachtsmann arbeitet im Zoo“ nachlesen.

Vieles läuft in den Geschichten nicht so, wie es eigentlich geplant war, doch besitzen alle ein Happy End. Schön ist auch der Wortwitz, mit dem Pratchett erzählt, sodass man mehrmals schmunzeln muss. Zudem finden sich in „Der falsche Bart des Weihnachtsmanns“ zahlreiche Illustrationen von Mark Beech, die an den Zeichenstil von Quentin Blake erinnern.

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Veröffentlicht am 29.12.2020

Ein grandioser Künstler-/Coming of Age-Roman

Das eiserne Herz des Charlie Berg
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Inhalt: Endlich möchte Charlie seinen Roman schreiben. Damit dies gelingt, hat er fest den Zivildienst in einem einsamen Leuchtturm eingeplant. Ein Ereignis kippt allerdings sein Vorhaben: Gemeinsam mit ...

Inhalt: Endlich möchte Charlie seinen Roman schreiben. Damit dies gelingt, hat er fest den Zivildienst in einem einsamen Leuchtturm eingeplant. Ein Ereignis kippt allerdings sein Vorhaben: Gemeinsam mit seinem Opa, einem Wildhüter, geht er auf die Jagd, wobei ihnen ein Hirsch begegnet. Im letzten Moment entscheidet Charlie sich gegen den todbringenden Schuss. Doch ein anderer Schuss trifft; zuletzt liegt nicht nur der Hirsch auf dem Waldboden, sondern auch ein Wilderer und Opa. Charlie muss umplanen.

Persönliche Meinung: Lasst euch von dem kurzen Inhaltsteaser nicht abschrecken: Ich habe mich – um Spoiler zu vermeiden – nur auf die ersten Seiten beschränkt. Die Handlung von „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ geht weit über die Jagdszene hinaus und ist thematisch höchst vielschichtig. Erzählt wird der Roman aus der Ich-Perspektive des 19-jährigen Charlie Berg, dessen olfaktorische Wahrnehmung sogar noch Süskinds Jean-Baptiste Grenouille übertrifft. Trotz seines Talents möchte Charlie allerdings nicht Parfümeur, sondern Schriftsteller werden. Dementsprechend ist „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ (unter anderem) ein Künstlerroman, der den Literaturbetrieb auf einer Metabene diskutiert. Insgesamt steht allerdings weniger das tatsächliche schriftstellerische Schaffen Charlies im Vordergrund. Stärker werden die häufigen Rückschläge und Zweifel Charlies fokussiert, die ihn vom Schreiben abhalten. Dabei spielt besonders die defekte Familie Berg eine große Rolle, deren Funktionieren nur auf dem Verantwortungsbewusstsein Charlies beruht. Charlie ist somit zudem ein (Über-)Lebenskünstler. Auch viele der Nebenfiguren sind (in irgendeiner Form) Künstler: Charlies Vater ist Musiker, seine Mutter schreibt Theaterstücke, sein Großvater fertigt maßgeschneiderte Anzüge an, seine Großmutter zimmert Möbel. Fast jede Figur besitzt einen skurrilen Zug, wodurch sie einmalig wird. Gegliedert ist das ca. 700 Seiten starke Werk in fünf Teile. Teil 1, 3 und 5 spielen dabei im September 1993, Teil 2 im Jahr 1985 und Teil 4 im Jahr 1989. Der Roman zeichnet sich durch eine analytische Erzählweise aus. Nebenfiguren, die Charlie zu Beginn trifft, werden im ersten Teil häufig nur angeschnitten. Zwar werden Andeutungen zur Beziehung der Figuren untereinander gemacht, doch die tatsächliche Konstellation ist zu Beginn (zunächst) für die Leserinnen noch unklar. Die gemeinsame Vergangenheit (oder: Vergangenheiten) der Figuren wird dann in den 1985/1989 spielenden Teilen beleuchtet und aufgefächert. Durch diesen geschickten, Spannung erzeugenden Aufbau lernen die Leserinnen sukzessiv das gesamte Figurenrepertoire kennen. Teil 2 und 4 sind dabei Coming of Age in schönster Form. In Teil 2 ist Charlie noch mehr Kind; Liebe ist ein noch nicht wirklich bestimmbarer Hauch, Sexualität in der Ferne. Lebenslange Freundschaften beginnen, aber auch Mobbing spielt eine Rolle. Teil 4 dreht sich stärker um die Selbstfindung, die erste Liebesbeziehung und dem Bewusstwerden der eigenen Sexualität. Die Handlung ist insgesamt vielschichtig, wendungsreich und überraschend, was vor allem daran liegt, dass immer Mal wieder Krimielemente anklopfen. Oftmals nimmt „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ mit seinen seltsamen Figuren, der Situationskomik und den Kommentaren Charlies tragikomödienhafte – teilweise: aberwitzige - Züge an. Lange Rede, kurzer Sinn: „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ ist ein interessanter und vielschichtiger Roman, dem es grandios auf allen Ebenen gelingt zu unterhalten.

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