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Veröffentlicht am 05.05.2021

Brautwerbung auf Georgisch

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
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Auf geht es nach Georgien mit Olga Evgenidou und ihrer lauten, verrückten, traditionellen Familie. Ihr immer auf den Fersen der arg verliebte Jack, obwohl doch Olgas Herz eigentlich für den fast schon ...

Auf geht es nach Georgien mit Olga Evgenidou und ihrer lauten, verrückten, traditionellen Familie. Ihr immer auf den Fersen der arg verliebte Jack, obwohl doch Olgas Herz eigentlich für den fast schon aristokratisch wirkenden Felix van Saan schlagen soll.

Dieser Roman ist ein launiges, unterhaltsames, fröhliches und manchmal auch romantisches Buch in bester ZDF-Herzkino-Manier. Wer auf der Suche nach einem luftig-leichten Vergnügen mit ein paar ernsteren Tönen – gerade auch in Bezug auf die Identitätsproblematik – ist, liegt hier goldrichtig.

Ich persönlich habe sehr viel Freude an den, zugegebenermaßen oftmals auch sehr stereotypen und überzeichneten Figuren gehabt, aber man kommt mit Olgas Familie auf dem Trip in die georgische Heimat vor lauter Gastfreundschaft, Schnaps und Wein picheln aus dem Spaß gar nicht mehr heraus. Georgien wird in diesem Roman ein liebevolles und augenzwinkerndes Denkmal gesetzt, das teilweise so fantastisch wirkt, dass man es gar nicht glauben mag – aber ich kenne mich weder mit dem traditionellen Frauenraub noch mit den sonstigen patriarchalischen Strukturen dort aus – deshalb muss ich mich mit einem Urteil bezüglich der Authentizität der Darstellung des Landes zurückhalten.

Fest steht auf jeden Fall, dass die Figur der Olga in ihrer Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen und zwei Männern überzeugend geraten ist – Deutsch sein und aus Deutschland kommen sind nur zwei der Identitätskonzepte, die im Rahmen dieses Romans locker ausgelotet werden. Der Roman ist und bleibt eine vorwiegend kulturelle Komödie, die sicherlich einige Klischees bedient, dies aber mit sprachlichem Gefühl, romantischen Verwicklungen und viel Situationskomik wieder wettmacht. Leider zieht sich der Roman zum Ende hin in die Länge und gerät zu wenig innovativ, da hätte es der Freite nicht geschadet, wenn sie sich etwas von vorhersehbaren Mustern gelöst hätte, und auch die Szene mit der titelgebenden Kuh hätte es für mich in dieser Ausführlichkeit nicht gebraucht...insgesamt aber ein humoriges Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 29.03.2021

Balance und Wohlbefinden stärken

Die gestresste Seele
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Die gestresste Seele sensibilisiert leicht verständlich dafür, wie eng Körper und Psyche miteinander verzahnt sind. Dies geschieht, wann immer möglich und soweit verfügbar, mit einem Hinweis auf belegbare ...

Die gestresste Seele sensibilisiert leicht verständlich dafür, wie eng Körper und Psyche miteinander verzahnt sind. Dies geschieht, wann immer möglich und soweit verfügbar, mit einem Hinweis auf belegbare Daten, allerdings wird auch oftmals angemerkt, dass dieser Zusammenhang in vielen Bereichen nur vermutet wird. Wissenschaftliche Fakten, komplexere Sachverhalte und medizinisches Basiswissen wird nachvollziehbar aufbereitet und die Darstellung der Erkenntnisse immer auch durch konkrete, illustrierende Fallbeispiele ergänzt. Negativ fallen lediglich die häufigen Wiederholungen von bereits genannten Fakten und Themenbereichen auf, die man als aufmerksamer Leser bereits abgespeichert hatte.
Der abschließende 8-Wochen-Plan, der die Ausführungen zur gestressten Seele abrundet, ist ein sehr motivierender und anregender Bonus, allerdings greifen gerade die Ausführungen zur Ernährung hier etwas kurz. Darüber hinaus würde ich den Plan eher als Anreiz sehen; im Alltag auf sich gestellt solch einen ambitionierten Plan umzusetzen, der so viele Bereiche betrifft, ist ohne Begleitung schon eine ziemliche Herausforderung, sodass ich die Praxisnähe hier etwas skeptisch sehe.
Insgesamt aber ein Buch, das einen sehr wach und aufmerksam dem eigenen Wohlbefinden und den regelmäßigen körperlichen Unpässlichkeiten gegenüber zurücklässt.

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Veröffentlicht am 28.01.2021

Wenn man sich fast erinnert...

Fast hell
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Fast hell ist auf eine subtile und überraschende Weise auf allen Ebenen ein fast, im positiven Sinne. Der Text, eigentlich als Auseinandersetzung mit einem ostdeutschen Leben, konkret dem des Fast-Freunds ...

Fast hell ist auf eine subtile und überraschende Weise auf allen Ebenen ein fast, im positiven Sinne. Der Text, eigentlich als Auseinandersetzung mit einem ostdeutschen Leben, konkret dem des Fast-Freunds des Autors, Uwe, gedacht, gerät mehr und mehr auch zu einer Reflexion über die eigene Vergangenheit und die Tatsache, dass man Erinnerungen immer nur fast greifen kann. Die Vergangenheit ist trügerisch, das eigene Leben im „Damals“ immer nur ein Ausschnitt und eine Momentaufnahme. Den eigentlichen Ostdeutschen gibt es nicht und alles, was man über die eigene Jugend und das eigene Erleben weiß, ist immer persönlich gefärbt. Etwaige Lücken im Erinnern müssen gefüllt und vielleicht auch modelliert werden.

Gespiegelt wird die Unmöglichkeit des faktentreuen, belegbaren Erinnern dadurch, dass der Autor sich während des Interviews mit Uwe immer nur Stichpunkte in sein blaues Buch notiert, die nicht einmal ansatzweise das umreißen, was die eigentliche Erzählung beinhaltet – ein sehr gelungener Kommentar, wie vergeblich das Festhalten von Lebensmomenten ist und dass Lebenserinnerungen letztlich auch nur Schlagwörter sind.

Sprachlich und inhaltlich unterhält der Text sehr gut. Es ist tatsächlich so, dass man den Eindruck gewinnt, mit Uwe und dem Autor auf der Reise nach St. Petersburg zu sein und ihren Geschichten zu lauschen. Eine richtig geschlossene Erzählung kommt dadurch zwar nicht zustande, aber der Roman regt sehr zum Nachdenken an und berührt auf einer grundsätzlichen Ebene das, gegen das sich viele von uns stemmen wollen – den Fluss der Zeit, irreversible Veränderungen und vor allem das Vergessen. Besonders der Epilog bleibt im Gedächtnis, hallt nach und hinterlässt eine melancholische Grundstimmung.

Ein schönes und etwas wehmütiges Buch, das erkennt, dass es für Erinnerungen und das Leben keine wahre Version gibt.

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Veröffentlicht am 30.12.2020

Solide Täterjagd

Als die Nacht begann
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In Als die Nacht begann begleitet der Leser Kriminalkommissar Jan Tommen und seine Freunde auf der Jagd nach einem Heckenschützen, der Berlin unsicher macht. Der Roman bietet eine unterhaltsame, solide ...

In Als die Nacht begann begleitet der Leser Kriminalkommissar Jan Tommen und seine Freunde auf der Jagd nach einem Heckenschützen, der Berlin unsicher macht. Der Roman bietet eine unterhaltsame, solide Tätersuche mit konstantem Spannungsbogen.

Der Aufbau des Romans ist chronologisch an die Tätersuche angebunden und so verfolgt man Sackgassen, die umfassend untersucht werden, ebenso wie heiße Spuren, die natürlich zu der abschließenden (befriedigenden) Lösung führen. Der Fall ist interessant, aktuell und zumindest in den Grundzügen vorstellbar und wird sehr spannend, kurzweilig und mit hoher Lesbarkeit erzählt. Sicherlich wird das eine oder andere Klischee bedient, aber das gehört beim Thriller-Genre ja fast dazu. Den Epilog hätte der Text meiner Meinung nach nicht gebraucht – hier wird leider sehr deutlich, dass Hartung sich nicht am romantischen Genre versuchen sollte – der Schluss trägt nichts zur eigentlichen Handlung bei und ist eher ungelenk.

Die Figuren sind wie im Thriller üblich sehr funktional gezeichnet. Eine schöne Abwechslung ist, dass Jan Tommen im Gegensatz zum stereotypen einsamen Ermittlerwolf hier über ein ganzes Freunde-Team verfügt, das sich gegenseitig unterstützt und auch oftmals zum gemeinsamen Essen zusammenkommt. Gleichzeitig ist diese Unterstützer-Gruppe für mich auch immer etwas unglaubwürdig, da ich Polizeiarbeit doch für sehr vertraulich halte und mich daher fragen muss, inwiefern solche inoffiziellen Mitarbeiter realistisch sind. Obwohl ich bisher keinen Tommen-Roman gelesen habe, ist es weitestgehend möglich die Figurenkonstellation gut einzuordnen und der Handlung zu folgen. Sicherlich hatte ich ab und an den Eindruck, dass mir eventuell noch etwas an Hintergrundinformationen zum Beziehungsgeflecht fehlt, aber insgesamt kann man diesen Krimi auf jeden Fall sehr gut lesen, auch wenn man die vorherigen Bände nicht kennt.

Insgesamt bietet Als die Nacht begann spannende Lesestunden mit sehr amüsanten Momenten, in der eine Entdeckung wie bei einer Schnitzeljagd zur nächsten führt. Für Krimi-Veteranen ist das Ende vielleicht nicht unbedingt überraschend, aber die Tätersuche macht dennoch viel Spaß.

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Veröffentlicht am 17.11.2020

Spätes, etwas zu langes, Coming-of-Age

Das Wörterbuch des Windes
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Nina Blazons Roman über die Selbstfindung einer Frau Anfang 40 ist eine gelungene Beschreibung eines späten coming of age – unterhaltend, aber nicht seicht, manchmal allerdings zu lang.

Auf den ersten ...

Nina Blazons Roman über die Selbstfindung einer Frau Anfang 40 ist eine gelungene Beschreibung eines späten coming of age – unterhaltend, aber nicht seicht, manchmal allerdings zu lang.

Auf den ersten Blick bestand bei Sweas Geschichte sicherlich die Gefahr, dass hier auf allen Ebenen die Klischees einer „Inga Lindström“-Story bedient werden könnten – dies ist jedoch glücklicherweise nicht der Fall. Stattdessen präsentiert Nina Blazon eine sich äußerst zeitgemäß und modern anfühlende Geschichte einer Frau, die im mittleren Lebensabschnitt noch einmal einen Neustart wagt, Vernunft und Bravsein über Bord wirft und sich mit allen Sinnen, Gefühlen und auch Verzweiflung in ihr Leben stürzt. Die Darstellung des Lernprozesses und der damit einhergehenden Unsicherheiten ist authentisch und häufig frech genug, um den Leser auch über die zugegebenermaßen vorhandenen Längen zu tragen – manche Erfahrungen sind schlichtweg redundant, ein wenig Verschlankung hätte dem Roman gut angestanden.

Die Figuren, die den Roman bevölkern, sind gut konzipiert – teils verrückt, teils unbequem –
und alle mit einer Backstory versehen, die nicht nur den jeweiligen Charakter umfassend erläutert, sondern auch den Anreiz zur persönlichen Weiterentwicklung setzt. Obwohl alle Figuren einiges an Schwere und Konflikten erfahren haben, bleibt der Roman stets realistisch-optimistisch ohne allzu verschwenderisch mit Happy Ends umzugehen. Selbst die Anklänge an das Übernatürliche, das in Romanen oftmals eher merkwürdig und wenig sinnvoll erscheint, erhält hier einen durchaus überzeugenden Platz.

Island ist als Handlungsort so prägend und präsent, dass man es eigentlich ebenfalls als eigenständige Figur bezeichnen muss. Der Roman weist so viel Islandgefühl und Islandwirkung auf, dass man sich fast nach Reykjavik transportiert fühlt, und vor allem auch die Besonderheiten der Isländer gut verstehen kann. Das Wechselspiel zwischen dieser einzigartigen Insel und der besonderen Mentalität und Lebensart kommt bei Nina Blazon sehr gut zur Geltung.

Das Wörterbuch des Windes ist ein unterhaltender Roman mit ernsten Untertönen für Islandträumer, der leider zu lang geraten ist. Dies macht sich besonders auch in den letzten Kapiteln bemerkbar. Hier gab es so manchen Satz am Ende eines Kapitels, der sich ebenso gut als Schlusssatz des Romans geeignet hätte, und dem Leser dabei noch Raum zum eigenständigen Weiterdenken gelassen hätte. Stattdessen wird hier zu viel ausformuliert und das Ende immer wieder aufgeschoben, sodass es gerade zum Schluss etwas zäh wirkt.

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