Egal welche Lügen du auftischst, dein eigenes Herz kann du nicht täuschen (Meliodas)
Die verstummte LiebeAls wäre der Verlust ihres geliebten Vaters nicht schon schmerzhaft genug, eröffnet Ellinors Mutter ihr nach der Beisetzung, dass sie nicht die ist, für die sie sich ausgibt. Ihre Lebensgeschichte ist ...
Als wäre der Verlust ihres geliebten Vaters nicht schon schmerzhaft genug, eröffnet Ellinors Mutter ihr nach der Beisetzung, dass sie nicht die ist, für die sie sich ausgibt. Ihre Lebensgeschichte ist geprägt von der einzig wahren Liebe, von Verlust und Trauer, von Hoffnung auf einen Neubeginn und von der zerstörenden Macht des Krieges, der hier eine entschieden Rolle spielt. Denn Helen hat eine Vergangenheit, die sie ihr ganzes Leben lang tief in sich verschlossen getragen und vor ihren Kinder versteckt hat. Ellinor hört eine Geschichte, die fast schon unglaublich erscheint...
Mit dem dritten Buch aus ihrer Reihe "Leise Helden" hat mich Melanie Metzenthin von der ersten Seite an fasziniert und ich habe das Buch innerhalb eines Tages regelrecht "inhaliert" . Sind die Vorgänger-Romane schon absolute Volltreffer und gnadenlos gut, so setzt sie sich hier selbst ein Denkmal und übertrifft alles bisher Gelesene, in dem sie die Lebensgeschichte von Helen mit einer ungeheuren emotionalen Tiefe erzählt, die mich komplett einnimmt und ich habe das Gefühl, dass ich schon nach einigen Seiten mein eigenes Ich abstreife und zu Helen werde.
Aus der jungen Frau aus gutem Hause, die sich den Wünschen ihrer Elter widersetzt und ihrem Herzen folgt, wird eine Frau, die in der Liebe zu ihrem Ehemann und ihrem Sohn komplett aufgeht und ihre Erfüllung als Arztgattin findet. Doch das Schicksal meint es nicht gut mir ihr und so muss Helen mehre Fehlgeburten verkraften die ihr unglaublich zusetzen. Der Verlust der Kinder entzweit auch die Eheleute und sie müssen hart daran arbeiten, wieder zueinander zu finden.
Ein Telegramm kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges macht notwendig, das Helen wieder zurück nach England reist, um in den letzten Stunden ihrer Mutter nah zu sein. Eine Rückkehr nach Deutschland wird unmöglich, denn mit Beginn des Krieges sind alle Wege abgeschnitten und Helen als Feindin in England festgehalten. Dank der Hilfe von James entgeht sie dem Gefängnis und was dann folgt, ist ein Leben, das auf Lügen aufgebaut ist.
Metzenthin gelingt es, die Gefühls- & Gedankenwelt von Helen für den Leser so zugänglich zu machen, sodass die Grenze zwischen Realität und Fiktion komplett verschwindet. Trauer, Wut, Hoffnung und Sehnsucht werden von ihr direkt auf den Leser übertragen und so durchlebt man mit Helen all die Schicksalsschläge, die das Leben für sie bereithält. Ein unglaublich faszinierendes Buch, das aufzeigt, zu was eine Frau aus Liebe fähig ist und was eine einzige Lüge anrichten kann. Man spürt die Entfremdung zwischen Mutter und Sohn, meint, dass die Kluft niemals zu überwinden ist und die Frage, wie man in dieser Situation selbst gehandelt hätte, begleitet einen wie ein roter Faden durch den Roman. Die Zusammenhänge zum Buch "Die Stimmlosen" sind für den Leser zu jeder Zeit klar und deutlich zu erkennen und vertiefen zusätzlich die Ereignisse.
Die Schreibende schlägt eine Brücke zu ihren vorhergehenden Romanen, die der Leser sehr leicht und gerne überquert, um mit den leisen Helden den Weg, den das Leben für sie bereit hält, gemeinsam zu gehen. Aus fiktiven Charakteren werden glaubhafte Figuren, die mit ihrem Schicksal die Leserschaft berühren und emotional an die Seiten binden. Die psychische Veränderung von Helen ist dabei ebenso glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, wie die aufkeimenden Gefühle, für die sie alles stehen und liegen lässt. Die Entscheidungen, die Helen trifft, prägen sie und verändern ihr Leben nachhaltig. Metzenthin erweckt mit ihrem plastischen und ausdrucksstarken Schreibstil sepiafarben Bilder zum Leben und fügt sie für den Leser zu einem Kinofilm von überragender Qualität zusammen. Die Seiten fliegen nur so dahin und man vergisst Zeit und Raum., weil man sich komplett in der Geschichte verliert.
Auch wenn das Lesejahr 2021 noch sehr jung ist - dieses Buch darf sich schon jetzt Highlight nennen