Wehret den Anfängen
„...Eine Mauer umfasste Waldbrügg wie ein enger Gürtel. Darin standen die zusammengepferchten Häuser scheinbar kreuz und quer entlang schmaler, mittelalterlicher Gassen...“
Dieses Bild zeigt sich Hans ...
„...Eine Mauer umfasste Waldbrügg wie ein enger Gürtel. Darin standen die zusammengepferchten Häuser scheinbar kreuz und quer entlang schmaler, mittelalterlicher Gassen...“
Dieses Bild zeigt sich Hans und Eduard, den Söhnen des Bürgermeisters und Tuchhändlers Escher, als sie von der Jagd zurückkehren. Noch ahnen sie nicht, dass in den mittelalterlichen Gassen auch Gedankengut aus dieser Zeit wieder aufleben wird.
Der Autor hat einen spannenden historischen Roman geschrieben, dessen Grundgedanken nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
Wir schreiben das Jahr 1890. Hans arbeitet im Betrieb des Vaters. Er vertritt auch im sozialen Bereich fortschrittliche Ideen. Befreundet ist er mit Simon und Ava Mandelbaum, deren Vater eine Möbelfabrik hat. Eduard lässt sich schwer einschätzen. Er ist als Ingenieur zurück in seinem Heimatort gekommen und am Bau der neuen Brücke beteiligt.
Franz Escher ist sauer, weil Jakob Mandelbaum sich einen Lieferanten gesucht hat. Jakob sieht das so:
„...Escher hat die Preise schon wieder erhöht. Und zwar deutlich. Es ist mein gutes Recht, mich nach einem besseren Angebot umzusehen...“
im Ort agiert seit einiger Zeit Michael Maarsen. Er hat den sogenannten Deutschen Club gegründet. Mit Vorträgen von Gastreferenten lockt er die Einwohner zu sich. Dabei schlägt er mehr und mehr antisemitische Töne an.
Als Lea Mandelbaum stirbt, kommen ihre Schwester Jella und ihre Nichte Esther aus Frankfurt. Sie sind das offene Leben einer Großstadt gewöhnt. Während des Frühlingsfests wird Esther von Maarsen zum Tanz aufgefordert. Sie lehnt ab. Jetzt eskaliert die Situation.
Der Schriftstil ist sehr ausgereift. Die Handlungsorte werden anschaulich beschrieben. Von Seite zu Seite wird deutlicher, wie das schleichende Gift des Antisemitismus mehr und mehr in den Ort eindringt. So unterschiedlich wie die Menschen, so unterschiedlich sind ihre Motive, sich der Bewegung anzuschließen oder sie für die eigenen Zwecke zu nutzen.
Als der Rabbi die folgenden Sätze spricht, ist das Kind schon fast in den Brunnen gefallen.
„.. Es ist meiner Meinung nach das Gefährlichste an der derzeitigen Situation. Alte Vorurteile werden gestärkt durch vermeintlich wissenschaftliche Beweise...“
Auch der Gedanke des Kriminalisten Maybach ist nicht von der Hand zu weisen:
„...Was, wenn hier in dieser Stadt oder vielleicht sogar in ganz Deutschland das Böse immer heimlich im Untergrund brodelt und nur dann und wann zum Vorschein kam, um sich dann wieder hinter die Vorhänge und in die Hinterzimmer der schmalen Häuser mit ihren kleinen Fenstern zu verziehen?...“
Sehr intensive Gespräche werfen ein Schlaglicht auf das Denken der Menschen. Geschickt und raffiniert geschieht die Manipulation der Massen. Nur wenige stemmen sich dem entgegen. Einer von ihnen ist Hans.
Als besonderes Stilmittel lässt der Autor das Buch mit einigen Briefen enden, die die Folgen des Geschehens thematisieren.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.