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Veröffentlicht am 28.03.2021

Roman über Freundschaft und die Wertschätzung des Lebens, über Familie, Fürsorge und das Loslassen können - rührend, aber nicht sentimental geschrieben

Das Leben ist zu kurz für irgendwann
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Als Terry erfährt, dass ihre beste Freundin Iris, die an Multiple Sklerose erkrankt ist, auf dem Weg in die Schweiz ist, um dort ihr Leben selbstbestimmt zu beenden, möchte sie sie davon abhalten und begleitet ...

Als Terry erfährt, dass ihre beste Freundin Iris, die an Multiple Sklerose erkrankt ist, auf dem Weg in die Schweiz ist, um dort ihr Leben selbstbestimmt zu beenden, möchte sie sie davon abhalten und begleitet Iris kurzerhand ungefragt auf ihrer Reise. Da sie ihren dementen Vater am selben Tag aufgrund eines Ungezieferbefalls im Seniorenheim abholen musste, nimmt sie ihn mit auf die Fahrt, die die drei von Dublin über Wales, England und Frankreich nach Zürich führt. Für beide Frauen wird die Reise anders als erwartet und gerade Terry gelangt unterwegs zu neuen Einsichten, die sie ihr eigenes, bisher so geordnetes Leben, kritisch hinterfragen lässt.

"Das Leben ist zu kurz für irgendwann" handelt von Tod und Sterbehilfe, von Krankheiten wie MS und Alzheimer, ist aber alles andere als deprimierend zu lesen, da die Autorin sich den Themen mit Leichtigkeit annähert. Zudem stehen weder Iris' Krankheit noch der Akt der Sterbehilfe drängend im Vordergrund, da der Roman aus der Perspektive von Terry geschrieben ist. Der Fokus liegt vielmehr auf der Sorge um die Freundin und den egoistischen Wunsch, sie am Leben zu erhalten, aber auch die Sorge um den Vater und Terrys Rollentausch, wenn sie sich verhalten muss, als wäre sie seine Mutter.

In beide Frauen kann man sich gut hineinversetzen. Iris ist eine starke Frau und keine depressive Selbstmörderin. Sie hat ihre Entscheidung getroffen und möchte sich nicht umstimmen lassen. Sie möchte ihr Leben beenden, solange es noch lebenswert ist. Gleichzeitig versteht man aber auch Terry, die ihre beste Freundin nicht verlieren möchte und bis zum Ende aufopferungsvoll für sie da wäre. Im Gegensatz zu Terry hat Iris den Mut, dem Tod ins Auge zu blicken, der für sie zum Leben dazu gehört.

So traurig der Grund für die Reise ist, so unbeschwert ist die Zeit, die sie miteinander verbringen durch ihre abwechslungsreichen Erlebnisse während ihrer Zwischenstropps. Es ist ein unterhaltsamer, gerade in Frankreich sehr bildhaft beschriebener Roadtrip, auf dem sie sogar aufblühen und vom Ziel ihrer Reise abgelenkt werden. Auch Terry Vater Eugene nimmt wieder aktiver am Leben teil.

Es ist ein Roman über Freundschaft und die Wertschätzung des Lebens, über Familie und Fürsorge und das Loslassen können. Dabei ist es insbesondere die sonst so ängstliche Bedenkenträgerin Terry, die Verantwortung übernimmt und über sich selbst hinauswächst. Sie reflektiert ihr eigenes Leben, überdenkt ihre Rolle als Ehefrau und Mutter und erkennt mit dem Tod vor Augen, dass sie mehr aus ihrem Leben herausholen kann.
Die Geschichte ist nicht sentimental geschrieben. Kritisch könnte man allerdings anmerken, dass sie sich nur oberflächlich mit den Krankheiten Multiple Sklerose und Alzheimer auseinandersetzt und dass das schwierige Thema Sterbehilfe, der Umgang damit und die Folgen für die Angehörigen als Aufhänger für den Roman zu sehr im Hintergrund bleiben.

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Veröffentlicht am 19.03.2021

Kurzweilige und trotz Schilderung diverser psychischer Erkrankungen keine trübsinnige oder melancholische Geschichte. Ein Jugendroman, der Mut macht.

Sara auf der Suche nach Normal
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Sara ist zwölf Jahre alt und leidet darunter, dass sie anders ist als gleichaltrige Jugendliche. Ihr größter Wunsch ist es, "normal" zu sein. Dazu hat sie eine ganz Reihe von Regeln aufgestellt, darunter ...

Sara ist zwölf Jahre alt und leidet darunter, dass sie anders ist als gleichaltrige Jugendliche. Ihr größter Wunsch ist es, "normal" zu sein. Dazu hat sie eine ganz Reihe von Regeln aufgestellt, darunter keine Pillen mehr zu nehmen, auf eine Party eingeladen zu werden und sich mit jemandem anzufreunden. Bisher spricht Sara aber nur mit vier Personen: ihren Eltern, ihrer Lehrerin und ihrem Therapeuten. Das ändert sich, als sie in der Gruppentherapie ein Mädchen kennenlernt, das ebenfalls nicht "normal" ist. Erin plappert für zwei und lockt Sara aus ihrem Schneckenhaus. Doch hinter Erins betont fröhlicher Fassade verbirgt sich ein Geheimnis und Sara weiß nicht, wie sie mit ihr darüber reden kann, ohne sie zu verletzen, geschweige denn ihr zu helfen, ohne ihre junge Freundschaft dafür zu riskieren.

Sara ist ein Mädchen, das unter Panikattacken, Angst vor fremden Menschen und unter manisch-depressiven Stimmungsschwankungen leidet. Sie ist krank, sieht dies allerdings nicht so, sondern fühlt sich wie ein Freak und gibt sich selbst die Schuld daran. Unterstützt wird ihre traurige Selbsteinschätzung durch Mitschüler, die sie als "Psycho-Sara" mobben.

Ihr Alltag, der durch ihre psychische Erkrankung stark eingeschränkt ist, ist eindringlich und authentisch geschildert. In Sara, die ihre "Verrücktheit" verabscheut, kann man sich als Leser*in sehr gut durch die Zwiesprache mit ihrem Hirn und ihre über 130 aufgestellten Regeln hineinfühlen. Sie leidet und hofft, durch jede einzelne Regel, die sie schafft einzuhalten, ein Stück Normalität zu erlangen. Durch die Freundschaft zu Erin, die so ein einnehmendes Wesen hat, werden ihre Gedanken auf die Probleme von Erin gelenkt. Trotz all ihrer Störungen hat sie so viel Empathie zu erkennen, dass mit ihrer Freundin etwas nicht stimmt. Als diese jedoch mauert, traut sie sich zunächst nicht, weiternachzufragen, denn sie möchte ihre erste und einzige Freundin nicht verlieren.

Im Verlauf des Romans gewinnt Sara, die sich immer mehr zutraut, mental an Stärke und entwickelt sich glaubwürdig weiter.
"Sara auf der Suche nach normal" ist ein kurzweiliger und trotz Schilderung diverser psychischer Erkrankungen und der Folgen, die diese nach sich ziehen, kein trübsinniger oder melancholischer Roman. Es ist eine Geschichte voller Hoffnung über ein Mädchen, das über sich hinauswächst und erkennt, dass der Wunsch "normal" zu sein, utopisch ist. Denn was ist schon gewöhnlich, allgemein üblich, gültig oder durchschnittlich? Normal ist genau das, was der einzelne für sich festlegt.
Es ist ein Roman über Freundschaft, Toleranz und gegenseitige Unterstützung, der zeigt, dass man gemeinsam stark ist. Gerade für Jugendliche, die unsicher sind, die mit ihrem Aussehen oder mangelndem Selbstbewusstsein zu kämpfen haben und sich zugehörig fühlen möchten, ist es ein Mut machendes, instruktives Buch für mehr Selbstakzeptanz - mit all den Eigenarten, die einen Menschen besonders machen. Gleichzeitig ist es ein Aufruf für mehr Verständnis, Respekt und gegenseitige Anteilnahme, wobei die Geschichte einfühlsam und lebendig geschrieben ist und ohne erhobenen Zeigefinger auskommt.

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Veröffentlicht am 24.02.2021

Gelungene Fortsetzung - lebendiger Schreibstil, zeitgemäße Beschreibungen und schicksalhaften Geschichten über vier starke Frauen

Die Wunderfrauen
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Starnberg, 1961: Das kleine Lebensmittelgeschäft von Luise Dahlmann floriert, Luise kann sich vor Arbeit kaum retten. Ihre ehemalige Freundin Helga Knaup ist inzwischen Ärztin geworden und zieht mit ihrem ...

Starnberg, 1961: Das kleine Lebensmittelgeschäft von Luise Dahlmann floriert, Luise kann sich vor Arbeit kaum retten. Ihre ehemalige Freundin Helga Knaup ist inzwischen Ärztin geworden und zieht mit ihrem Sohn David nach Starnberg zurück, wo sie in der Seeklinik eine Anstellung als Gynäkologin findet. Da sich Luises Tochter Josie direkt mit ihrem neuen Mitschüler David anfreundet, kommt auch Luise nicht um den Kontakt mit Helga herum. Die beiden vermissen ihre alte Freundschaft und blenden das Zerwürfnis, das ihre Freundschaft zerstörte, aus. Die wahren Hintergründe des Seitensprunges ihres Ehemanns Hans mit Helga hat Luise nie erfahren.
Luises Nachbarin Annabel von Thaler ist mit Anfang 40 überraschend zum zweiten Mal Mutter geworden. Doch das Glück ist nicht perfekt, denn die kleine Marlene kommt mit einer Behinderung zur Welt. Annabel fragt sich, ob sie etwas in der Schwangerschaft falsch gemacht hat, insbesondere da ihr Ehemann, der leitende Direktor der Seeklinik, seltsam nach der Geburt reagiert und sich die Anzahl der missgebildeten Neugeborenen häuft.
Luises Schwägerin Marie Brandstetter ist inzwischen Mutter von drei Kindern und macht die Arbeit am Hof ihres Ehemanns Martin in Leutstetten, der wegen des besseren Verdients in der Forstwirtschaft arbeitet, fast alleine. Der Haushalt, die Kinder, die Tiere, Martins behinderter Bruder Manni, die betagte Tante Polli - Marie weiß nicht mehr, wo ihr der Kopf steht und ist froh, dass mit neuen Geräten wie der Waschmaschine Erleichterungen für die tägliche Arbeit Einzug halten.

"Die Wunderfrauen - Von allem nur das Beste" ist die Fortsetzung von "Die Wunderfrauen - Alles, was das Herz begehrt". Wie schon der erste Band der Reihe, der mir sehr gut gefallen hat, ist auch der zweite Band ein kurzweiliger Roman über vier ganz unterschiedliche Frauen im bayerischen Starnberg, der das Lebensgefühl der damaligen Zeit authentisch und lebendig einfängt. Die Fortsetzung schreibt die Geschichte ungefähr sieben Jahre später fort, nachdem Band 1 im Jahr 1954 geendet hat. Zentraler Anlaufpunkt ist der Lebensmittelladen von Luise Dahlmann, wo die einzelnen Handlungsstränge zusammenlaufen. Ärztin Helga wird wieder zu einer guten Freundin und auch mit ihrer Nachbarin Annabel, die Luise inzwischen im Laden unterstützt, freundet sich Luise weiter an. Einzig das Leben von Schwägerin Marie bleibt etwas im Hintergrund.

Auch wenn ein größerer Zeitsprung erfolgt ist, fällt es erneut leicht, sich in die durchweg sympathischen Frauen und ihre Lebenssituation hineinzuversetzen. Bis auf Annabel sind alle Frauen durch ihre Arbeit stark eingespannt, weshalb Luises Sehnsucht nach Bewegung und Abwechslung verständlich ist, während Marie in bisschen Zeit für sich bräuchte. Die alleinerziehende Helga stürzt sich dagegen leidenschaftlich in ihren Beruf als Ärztin und möchte ihre Patientinnen nicht nur medizinisch versorgen, sondern sie darüber hinaus unterstützen, ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit zu bewahren. Eine Aufklärung über Verhütung ist dabei ein wichtiger Schritt, aber Helga geht noch weiter und gefährdet damit nicht nur ihre Anstellung, sondern auch ihre eigene Freiheit. Annabel ist weiterhin gut situiert und hat es nicht nötig, zu arbeiten, braucht jedoch eine Abwechslung von ihren Sorgen und das Gefühl, gebraucht zu werden und hilft deshalb gerne in Luises Laden aus. Die Sorgen um Marlene und dass ihr Ehemann ihr etwas verschweigt setzen der Familie jedoch zu.

Ich habe mich sehr auf das Wiedersehen mit den vier Frauen gefreut, deren Leben sich in diesem zweiten Band noch mehr miteinander verbinden. Alle sind sie reifer geworden und haben ihre Wünsche aus Band 1 verwirklicht. Jetzt heißt es, diese Träume zu leben und an ihnen festzuhalten. Jede hat jedoch ihre ganz eigenen Sorgen und findet Halt in ihren Freundschaften. Gemeinsam ist vieles leichter und auch da ist wiederum Luise Dreh- und Angelpunkt des Buches, die immer ein offenes Ohr hat und sich aufopferungsvoll um ihre Freundinnen kümmert.
Die Entwicklung der Charaktere, der lebendige Schreibstil, die zeitgemäßen Beschreibungen und auch die schicksalhaften Geschichten hinter den weiblichen Figuren mit ihren beruflichen und familiären Problemen, haben mir wieder sehr gut gefallen. Es ist erneut ein wunderbarer Roman über Freundschaft, Zusammenhalt, große und kleine Träume, die man am besten gemeinsam verwirklichen kann und eine anschauliche Zeitreise in die Jahre der Swinging Sixties, in der der Wunsch nach Emanzipation lauter wird.
Ich freue mich jetzt schon auf den abschließenden Band der "Freiheit im Angebot" der "Wunderfrauen"-Trilogie, der im August 2021 erscheinen wird - nicht nur wegen des fiesen Cliffhangers am Ende von "Von allem nur das Beste".

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Veröffentlicht am 02.01.2021

Nostalgische Weihnachtsgeschichte - ein unbeschwerter Roman, der Hoffnung schenkt und für ein warmes, behagliches Gefühl im Winter sorgt

Das Winterkarussell
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Nachdem Antonia durch einen Verkehrsunfall ihrer Mutter mit 15 Jahren zur Vollwaise geworden ist und die Unterbringung in einer Einrichtung des Jugendamtes für sie unerträglich ist, kommt sie bei ihrem ...

Nachdem Antonia durch einen Verkehrsunfall ihrer Mutter mit 15 Jahren zur Vollwaise geworden ist und die Unterbringung in einer Einrichtung des Jugendamtes für sie unerträglich ist, kommt sie bei ihrem bisher unbekannten Großvater Otto auf einem Bauernhof einige Kilometer von Wiesbaden entfernt, unter. Otto Schneider ist ein Einsiedler, über den es böse Gerüchte im Dorf gibt, weshalb er zunächst etwas mürrisch auf Antonias Anwesenheit reagiert. Antonia ist jedoch auf den ersten Blick verzaubert von dem 90 Jahre alten Karussell, das ihr Großvater in einer Scheune verbirgt und sein ein und alles ist. Mit dieser Reaktion findet auch Antonia Zugang zu ihrem Großvater, der weniger böse als vielmehr einsam ist. Er erzählt ihr von der Zeit, als er mit seinem Vater und seinem Bruder Gustav als Schausteller mit dem Karussell unterwegs war. Und wie es der Zufall so will, wird in diesem Jahr ein Karussell für den Weihnachtsmarkt in Frankfurt gesucht... Antonia kann ihren Großvater dazu überreden, mit dem Karussell noch einmal Kinderaugen zum Leuchten zu bringen und er selbst schwelgt sodann in Erinnerungen an seine große Liebe Lene, die er 1938 auf dem Weihnachtsmarkt am Römer kennenlernte.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen, im Winter 1938 und Herbst/ Winter 1990, selbst die Gegenwart liegt insofern bereits dreißig Jahre zurück. Die Handlung ist deshalb so herrlich nostalgisch wie das alte Winterkarussell selbst, das man sich durch die bildhafte Beschreibung lebhaft vorstellen kann.
Es ist eine Geschichte, die perfekt zur (Vor-)weihnachtszeit passt und den Zauber der Weihnacht einfängt. Sie handelt von Liebe, aber auch den Schmerzen, den diese verursacht und von dem Gefühl der Geborgenheit innerhalb der Familie, unabhängig davon, ob damit die klassische Familie oder die Gemeinschaft der Schausteller auf einem Jahrmarkt gemeint ist.
Die Liebesgeschichte berührt und erzeugt Spannung, da lange unklar bleibt, woran die so hoffnungsvoll begonnene Liebe zwischen dem einfachen Schaustellersohn Otto und der Tochter aus gutem Hause, Lene, zerbrochen ist.

Wenn man das Buch als modernes Weihnachtsmärchen betrachtet, ist es auch nicht weiter schlimm, wenn viele Probleme sehr einfach gelöst werden und der Zufall wiederholt eine wohlwollende Rolle spielt. Auch wenn der Beginn der Geschichte mit dem Tod der Mutter traurig ist und Ottos Liebe im Dezember 1938 kein glückliches Ende fand, ist "Das Winterkarussell" eine unbeschwerte Geschichte, die Hoffnung schenkt und für ein warmes, behagliches Gefühl im Winter sorgt.

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Veröffentlicht am 14.10.2020

Tragische Familiengeschichte mit einem ungewöhnlichen Aufbau, die in den Bann zieht und nachdenklich über unsere Zukunft und den Klimawandel macht

Das Flüstern der Bäume
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Jacinda Greenwood arbeitet auf Greenwood Island als Pilger- und Naturführerin. Die kanadische Insel beherbergt ein Luxus-Ferienresort, das den Reichen vorbehalten ist, denn im Jahr 2038 ist die Natur auf ...

Jacinda Greenwood arbeitet auf Greenwood Island als Pilger- und Naturführerin. Die kanadische Insel beherbergt ein Luxus-Ferienresort, das den Reichen vorbehalten ist, denn im Jahr 2038 ist die Natur auf der Erde weitestgehend zerstört. Nur auf Greenwood Island gibt es noch eine größere Anzahl von Bäumen, die vom Welken verschont geblieben sind.
Jacinda ging bisher davon aus, dass die Namensgleichheit ein reiner Zufall ist, doch dann bekommt sie Besuch von ihrem Exfreund, der ihr das Tagebuch ihrer Großmutter übergibt. Sie erfährt darin alles über ihre familiären Wurzeln, die eng mit den Bäumen verbunden sind.

"Das Flüstern der Bäume" erzählt neben dem apokalyptischen Szenario einer zerstörten Natur eine eindrucksvolle Familiengeschichte, die sich über 130 Jahre erstreckt. Die Erzählweise ist dabei ungewöhnlich raffiniert. Angelehnt an die Jahresringe eines Baumstammes, beginnt die Geschichte am Ende im Jahr 2038 und wird sodann rückwärts bis zum Kern im Jahr 1908 erzählt, bevor sie wieder ihre Kreise über die Jahre 1934, 1974 und 2008 zieht, bis sie am Ausgangspunkt, dem äußersten Jahresring 2038 angelangt.

Die Geschichte handelt von den zerstrittenen Brüdern Everett und Harris - einer ein reicher Holzfällerunternehmer, der andere ein straffälliger Eremit, der die Zuckerahornbäume für Sirup anzapft - einem entführten Mädchen, das sich als erwachsene Frau zu einer kompromisslosen Kämpferin für den Umweltschutz entwickelt, die die Bäume mehr liebt, als die Menschen.
Jeder Abschnitt ist, geprägt von den Protagonisten, die gerade im Mittelpunkt stehen, ganz unterschiedlich in seiner Erzählweise. Es sind schockierende Einzelschicksale, deren Leid ungeschönt geschildert wird sowie ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel um ein entführtes Mädchen. Eine Einteilung in Gut und Böse ist schwer möglich, denn jeder Charakter hat seine Ecken und Kanten und weder nur gute oder nur schlechte Seiten. Durch den empathischen Schreibstil ist es jedoch möglich, sich in jede einzelne Figur hineinzuversetzen und Verständnis für ihre Motivation und ihr Handeln aufzubringen. Auch wenn die einzelnen Abschnitte jahrelang auseinanderliegen, sind sie inhaltlich doch eng miteinander verbunden und entwickeln eine Sogwirkung. Obwohl man weiß, wie die Geschichte endet, ist es spannend zu erfahren, welche Ereignisse und Entscheidungen der Vorfahren Jacindas dazu geführt haben, dass sie allein auf Greenwood Island ist und bisher ihre Familiengeschichte und eigene Herkunft nicht kannte.

"Das Flüstern der Bäume" ist eine tragische Familiengeschichte, die ungewöhnlich aufgebaut ist und den Leser durch diese Erzählweise in den Bann zieht und gleichzeitig mit der recht düsteren Aussicht auf eine Zukunft, in der die unberührte Natur nur noch reichen Urlaubern vorbehalten ist, schockiert und zum Nachdenken anregt, ob der Klimawandel noch zu stoppen ist.

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