Schaurig, traurig und zum nachdenken.
Hinweis: Am Anfang und am Ende des Buches gibt es einen Triggerhinweis. Themen wie Mobbing, suizidale Gedanken und Tod werden im Buch angesprochen. Ich hatte keine Probleme damit, aber nicht jeder Mensch ...
Hinweis: Am Anfang und am Ende des Buches gibt es einen Triggerhinweis. Themen wie Mobbing, suizidale Gedanken und Tod werden im Buch angesprochen. Ich hatte keine Probleme damit, aber nicht jeder Mensch ist gleich.
Worum es in der Geschichte geht:
Jessie lebt in Grubingen, ein verschlafener Ort, der auf keiner Karte zu finden ist. Wer hier geboren ist, verlässt Grubingen in der Regel nicht. Mit 5 Jahren verlor sie ihre Eltern und hat nach Jahren im Heim jetzt ihre erste eigene Wohnung. Jessie ist ängstlich, unsicher und scheu. Menschen sind ihr aufgrund der anstrengenden Zeit im Heim zu wider. Ihre einzige Freundin ist Jenny, doch auch Jenny zieht nur selbstsüchtigen Nutzen aus ihr.
Jessie hat eine ausgeprägte Fantasie, liebt „Alice im Wunderland“ und verliert sich oft in ihren Tag(alb)träumen. Eines Tages – auf dem Weg ins Dorf – kommt sie am unheimlichen Grubinger Forst vorbei, dort trifft sie auf einen lang vergessenen „Freund“ aus ihrer Kindheit, Sam eröffnet ihr eine ganz neue Welt, eine Welt hinter einem Portal. Es ist wunderschön dort, sie fühlt sich das erste mal in ihrem Leben wohl, doch dieses Gefühl soll nicht lange anhalten, denn in dieser Welt lauert das Böse + Jessie soll Sam helfen es aufzuhalten.
Zur Geschichte:
Die Geschichte beginnt mit einem von Jessies Albträumen und wird aus verschiedenen Perspektiven – aber hauptsächlich aus Jessies – von einem Erzähler erzählt.
Die Handlung spielt in Grubingen, einem unheimlichen Ort, mit einem schaurigen Wald. Schon die ersten Seiten vermitteln einen guten Eindruck der Umgebung und ihrer Menschen, die darin leben. Im laufe der Story lernt man Jenny – Jessies Freundin – kennen und durch einen Rückblick ins Jahr 1347 Bruder Heinrich – einen Glaubensbruder mit speziellen Methoden und einer unstillbaren Neugier nach dem Leben.
Grubingen und sein Wald sind ein unheimlicher Schauplatz, die Atmosphäre ist düster und drückend. Die Welt hinter dem Portal ist sehr schön erdacht und beschrieben. Fremde Wesen, Fauna und eine andere Sprache grenzen sie deutlich ab. Auf den ersten Blick ein ruhiger, friedlicher Ort.
Der Fokus der Erzählung liegt auf Jessie, auf ihrer Vergangenheit, ihren Ängsten und ihren negativen Gedankenströmen, die sie – fast – nicht in den Griff bekommen kann. Es wird sehr deutlich beschrieben was in ihr vorgeht, wie verzweifelt und traurig sie ist. Die Rückblicke auf ihre Vergangenheit geben Aufschluss darüber, warum sie Menschen meidet.
Die Handlung selbst ist schaurig, ein bisschen blutig, traurig, düster und regt zu nachdenken an. Nicole Siemer setzt sich mit vielen negativen Eigenschaften der Menschheit auseinander und baut sie in Jessies Reise ein.
Alles ist gut durchdacht und beschrieben, ein Erzählstrang führt in den nächsten, so dass am Ende ein großes Ganzes entsteht. Todessamen ist auf seine ganz eigene Art spannend und fesselnd. Gegen Ende gibt es ein paar Stellen, die nichts für schwache Nerven sind und noch eine Wendung, die vieles erklärt und den großen Plan enttarnt. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen und lässt keine Fragen offen.
Die Charaktere:
Jessie ist eine junge Frau, das Leben hat es nicht besonders gut mit ihr gemeint. Mit 5 Jahen verlor sie beide Elternteile bei einem Verkehrsunfall und lebte im Waisenhaus. Dort wurde ihr, aufgrund ihrer lebhaften Fantasie und ihres scheinbaren „anders Seins“ die Kindheit zur Hölle gemacht. Sie wurde verspottet und von den anderen Kindern gemobbt. Daraus entwickelten sich Aggressionsprobleme, eine Abneigung gegen Menschen und ein Hang zur Realitätsflucht. Außerdem schlägt sie sich seit dem tagtäglich mit einer negativen Gedankenschleife herum, die große Ängste in ihr auslöst und so jeden Tag zu einer neuen Herausforderung macht.
Ich mochte Jessie, konnte mich sehr gut in sie hineinversetzen und habe sie verstanden. Jessie ist das Beispiel einer gebrochenen Kinderseele, sie zeigt auf wie es einem jungen Menschen ergeht, wenn er weder Liebe noch Verständnis erfährt und wie weitreichend die Folgen im späteren Leben für diesen Menschen sind.
Nach „AKUMA“ habe ich nichts anders als echte Charaktere von Nicole Siemer erwartet und genau das hat sie auch in „Todessamen“ wieder geschafft. Es ist nicht alles Glitzer und Glamour, die tiefen Abgründe der Seele fasst sie wie keine andere in Wort und transportiert sie zu ihrem Leser.
Jenny, Sam und Heinrich wurden ebenfalls sehr gut beschreiben, ich konnte sie verstehen und ihre Handlungen nachvollziehen.
Schreibstil und Lesefluss:
Wie schon mit „AKUMA“ hat sie mich auch dieses mal wieder mit ihrem fantastischen Schreibstil überzeugt. Sie schreibt lebendig, tiefsinnig, anschaulich, Atmosphäre und Emotionen werden transportiert.
In kurzen Sätzen bringt sie treffend auf den Punkt was sie erzählen möchte. Das Buch liest sich locker und flüssig, ist an keiner Stelle verwirrend oder langatmig. Ich konnte mir alles und jeden super gut vorstellen.
Meine Meinung:
„Todessamen“ ist traurig, düster und schaurig. Die Geschichte hat ihre ganz eigene Art von Spannung, ist tiefgründig und enthält eine Botschaft: „Du kannst nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt gute + weniger gute Menschen. Mit den einen kommst du besser klar, als mit den anderen. Wir unterliegen einem ständigen Wandel + Vergeben bringt uns nicht um, es macht uns stärker.“
Das ist es was bei mir angekommen ist, nachdem ich mit Jessie diese Reise ins Land hinter das Portal gemacht habe. Nicole Siemer spricht in ihrer Geschichte Gedanken und Gefühle an wie Hass, Wut, Einsamkeit, Verzweiflung, aber auch Hoffnung und Vergebung. Mich hat vor allem Jessie berührt, ich konnte es fühlen was sie durchmacht, aber ich konnte auch Sams Verhalten nachvollziehen und ihn verstehen. Manche Stellen – besonders gegen Ende (Sams Geschichte) sind nicht für schwache Nerven, ansonsten lässt sich das Buch super flüssig lesen. Es ist bildhaft, lebendig und fesselnd geschrieben. Am Anfang und am Ende des Buches gibt es einen Trigger Hinweis, mich persönlich hat es nicht betroffen, aber nicht jeder Mensch ist gleich. Ich finde das immer sehr Verantwortungsvoll.
Die Geschichte war klasse und deshalb gibt es von mir eine Leseempfehlung für alle die Spannung in tiefgründigen Themen und echten, verletzlichen Charakteren suchen.