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Veröffentlicht am 07.01.2021

Leben und Überleben. Aufwachsen unter extremen Umständen.

Die Unschuldigen
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Was für ein eindringlicher und besonderer Roman, der um das Jahr 1800 in einer kleinen, abgelegenen Bucht in Neufundland spielt!

Es geht um den 11-jährigen Evered und seine um zwei Jahre jüngere Schwester ...

Was für ein eindringlicher und besonderer Roman, der um das Jahr 1800 in einer kleinen, abgelegenen Bucht in Neufundland spielt!

Es geht um den 11-jährigen Evered und seine um zwei Jahre jüngere Schwester Ada.
Die beiden Kinder von Fischern wachsen in ärmlichen Verhältnissen in der kanadischen Wildnis auf.
Die Familie lebt vom Kabeljaufang im eiskalten Atlantik und vom Tauschhandel des gesalzenen Fisches in lebensnotwendige Waren, der alljährlich im Frühjahr mit dem ankommenden Versorgungsschiff getätigt wird. Trotz mühevoller Arbeit und großem Fleiß wachsen die Schulden an.

Als kurz nacheinander erst die Mutter und dann der Vater stirbt, müssen sich die Geschwister fernab jeglicher Zivilisation alleine durchschlagen.
Das Versorgungsschiff „Hope“ ist erst in einigen Monaten zu erwarten.
Ihr eiserner Überlebenswille verleiht ihnen Kräfte und sie führen das harte Leben ihrer Eltern weiter und kommen mit dem, was sie von ihren Eltern gelernt haben in der erbarmungslosen Einöde ganz gut klar. Lesen und Schreiben können sie nicht, ist aber in dem herausfordernden Alltag und täglichen Überlebenskampf auch kein Defizit.
Sie haben keinerlei Luxus, von Telefon, Strom oder fließend Wasser können sie nur träumen, und können sich nur auf sich selbst und den Bruder bzw. die Schwester verlassen.
Sie werden älter, haben keine Zeit, Kind zu sein und bewahren sich dennoch ihre „kindliche Unschuld“.

Obwohl das Versorgungsschiff in regelmäßigen, aber sehr großen Abständen vor Anker geht und es Alternativen wie Dorfleben, Schulbildung und Familiengründung gäbe, beschließen die Geschwister, weiterhin als Fischer in der Bucht zu bleiben, vom Fischfang zu leben und mit eiserner Disziplin die Schulden des Vaters abzutragen.

Mit dem Schiff kommen lebensnotwendige Vorräte, es triggert aber auch Bedürfnisse, Hoffnungen, Wünsche und Träume, die nicht nur mit dem Leben in dieser unwirtlichen Gegend und in der Zweisamkeit mit dem Geschwister zu tun haben.
Fremde und Seefahrer öffnen ihre Augen und erweitern ihren geistigen Radius, können aber das eintönige und isolierte Leben in der Bucht auch aufwühlen und in Unruhe bringen.

Aber eines Tages ereignet sich ein einschneidendes Erlebnis und werden basale Werte wie Zusammenhalt, Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Vertrauen in Frage gestellt.

Michael Crummey verwendet kein Wort zu viel und keines zu wenig.
Er schreibt intensiv, präzise, atmosphärisch und bildgewaltig, so dass man die Protagonisten, deren Handlungen und die rauhe, majestätische Natur vor sich sieht.
Der Gegensatz zwischen der elenden Plackerei, dem kargen Alltag und der Schönheit der Natur wird dem Leser anschaulich vor Augen geführt.

„Die Unschuldigen“ ist ein faszinierender, nachdenklich stimmender und nachhallender Roman, den ich sehr gerne weiterempfehle!
Man könnte ihn einen beklemmenden und beeindruckenden Survival- und Coming-of-Age-Roman nennen, wollte man ihn einordnen.

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Veröffentlicht am 07.01.2021

Das Leben wie ein Dominospiel...

Sieben Richtige
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In dem Roman geht es um Zufälle, durch die sich sieben verschiedene Lebenswege mehr oder weniger überschneiden.
Es sind unspektakuläre Geschehnisse, wenn man sie auf das große Ganze bezieht, aber für ...

In dem Roman geht es um Zufälle, durch die sich sieben verschiedene Lebenswege mehr oder weniger überschneiden.
Es sind unspektakuläre Geschehnisse, wenn man sie auf das große Ganze bezieht, aber für die jeweils Betroffenen sind es weltbewegende Ereignisse.

Auf diese Weise lesen wir von Schicksalsschlägen, erfahren wir verschiedene Lebensgeschichten, die ineinander greifen und lernen wir vielfältige Beziehungen und unterschiedliche und interessante Charaktere kennen.
Wir lesen vom ganz normalen Leben, über das außergewöhnlich fesselnd geschrieben wird.

Wir erfahren von der zerbrochenen Ehe zwischen Victor und Marie, zu der auch noch eine Krebsdiagnose kommt.
Wir werden Zeugen vom Alptraum aller Eltern, dem dramatischen Unfall des Töchterchens, den man nur beobachten, aber nicht verhindern kann.
Wir lesen vom völlig unerwarteten Tod eines Vaters, der gerade dabei war, den Umzug von Eva Winter zu bewerkstelligen, für die vor Jahren der o. g. Victor geschwärmt hat.

Der Kreis schließt sich. Die Welt ist so groß und doch so klein. Alles ist hier mit allem in Verbindung... so als hätte man einen Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Unwahrscheinlich, aber eben doch möglich.
Mir fiel das Bild der Kettenreaktion eines Dominospiels ein. Nachdem der erste Stein angestoßen ist, gerät alles in Bewegung...

Der Autor schreibt rasant, eindringlich und lebendig und seine Sprache ist ein Genuss.
Bildgewaltig und wortgewandt sind Adjektive, die sich beim Nachdenken über die Lektüre aufgedrängt haben.

„Sieben Richtige“ ist der bewegende und tiefgründige Debutroman des 1974 geborenen Volker Jarck.
Er liest sich leicht und schenkte mir einen ganzen Tag Lese- und Lebensfreude.
Er hat eine Wucht, die sich in viele Richtungen bemerkbar macht: man freut sich und muss lachen, man ist tief berührt oder traurig und muss die Tränen wegblinzeln, man bangt und hofft mit den Protagonisten... man muss einfach staunen, was Volker Jarck hier mit seinem Erstling geschaffen hat.

Ich empfehle „Sieben Richtige“ sehr gerne weiter.
Es ist nun eines meiner vielen Lieblingsbücher!

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Veröffentlicht am 07.01.2021

Eine Geschichte von drei Frauen und drei Generationen - mitreißend, berührend und interessant erzählt.

Couscous mit Zimt
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Es geht in dem packenden Debutroman von Elsa Koester um drei aufrechte, respektable und eigenwillige Frauen, die in ihrem Leben so allerlei mitgemacht haben.

Lisa kommt in den Genuss einer Eigentumswohnung ...

Es geht in dem packenden Debutroman von Elsa Koester um drei aufrechte, respektable und eigenwillige Frauen, die in ihrem Leben so allerlei mitgemacht haben.

Lisa kommt in den Genuss einer Eigentumswohnung in Paris, nachdem ihre Großmutter Lucile mit über 100 Jahren und kurz danach ihre Mutter Marie an Krebs gestorben sind...zwei charakterstarke und unabhängige Frauen, deren Verhältnis alles andere als harmonisch war.

Lucile hat ihre letzten Jahre zurückgezogen in dem Pariser Apartment verbracht. Ihre Begleiter waren Zigaretten, Alkohol und Bücher.

Lisa weiß von ihrer Mutter Marie so Einiges aus ihrer Vergangenheit. Aber es ist eben nur eine Sicht der Dinge und wer weiß schon, ob ihr vollständig und wirklich zu trauen ist.

Ihre willensstarke Großmutter Lucile musste nach der Unabhängigkeit Tunesiens mit ihren Töchtern Marie und Solange Hals über Kopf die Heimat verlassen.
In Frankreich wurden sie sesshaft, aber die energiegeladene lebhafte Marie verkraftete den Weggang aus ihrem Geburtsland nie zur Gänze. Immer wieder geriet sie in der neuen Heimat aus dem Tritt, nie gelang es ihr, wirklich anzukommen und Fuss zu fassen.
Marie hatte nicht nur diese qualvolle Entwurzelung, sondern auch eine aufwühlende erste Liebe zu verdauen, bevor sie schließlich vor ihrer zudringlichen Mutter Lucile nach Berlin floh, wo schließlich Lisa zur Welt kam.

Nachdem Lisa nach dem Tod der beiden Frauen in Paris ankommt, um sich um den Nachlass zu kümmern und das Notwendige zu regeln, wird sie von Erinnerungen an ihre chaotische und komplizierte Familie eingeholt.

Die Autorin erzählt einfühlsam, feinfühlig, voller Natürlichkeit und mit spürbarer Freude und Wärme, die die Lektüre zu einem Genuss machen.
Mit scheinbarer Leichtigkeit verknüpft sie die Schicksale ihrer in all ihrer Vielschichtigkeit gezeichneten Figuren, so dass ein harmonisches und stimmiges Ganzes entsteht.
Gut herausgearbeitet hat sie die transgenerationale Weitergabe von Konflikten und das Nach- und Hineinwirken vergangener Erfahrungen und Geschehnisse in die Gegenwart.
Zeitweise ist es harte Kost, die es zu verdauen gilt, aber das ist der schonungslos offenen, ehrlichen und schnörkellosen Schilderung geschuldet, was meines Erachtens ein Pluspunkt des Buches ist.

Die 1984 in Berlin geborene Elsa Koester hat mit „Couscous mit Zimt“ einen bewegenden, authentisch wirkenden, bildgewaltigen und lesenswerten Familienroman geschrieben, bei dem ich Neues erfuhr und den ich sehr gerne weiterempfehle.
Vor der Lektüre hatte ich keine Ahnung, was der Begriff „Pied noir“ bedeutete und dass er die Algerienfranzosen meint, die nach dem Ende des Algerienkriegs 1962 in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehrten.

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Veröffentlicht am 05.01.2021

Der Herbst des Lebens und viel mehr als ein Brexit-Roman.

Herbst
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„Herbst“ ist der erste Band des Jahreszeitenquartetts der 1962 in Schottland geborenen Ali Smith, die mit diesem Roman zum vierten Mal auf der Shortlist des Man Booker Prizes platziert war.

Hier werden ...

„Herbst“ ist der erste Band des Jahreszeitenquartetts der 1962 in Schottland geborenen Ali Smith, die mit diesem Roman zum vierten Mal auf der Shortlist des Man Booker Prizes platziert war.

Hier werden die gesellschaftspolitischen Veränderungen und der gegenwärtige Zustand nach dem Brexit-Votum beschrieben, aber auch die Themen Freundschaft, Kurzlebigkeit, Flüchtigkeit und Vergänglichkeit spielen eine Rolle.

Der 101-jährige jüdische Pflegeheimbewohner Daniel, ein ehemaliger Schlagerkomponist, liegt im Sterben.
Die 32-jährige Aushilfdozentin Elizabeth, seine ehemalige Nachbarin, begleitet ihn in dieser letzten Phase seines Lebens.
Sie sitzt jeden Tag lesend an seinem Krankenbett und jedes Mal, wenn er aus seinem Dämmerschlaf erwacht, fragt er sie: „Was liest Du gerade?“

Daniel hatte eine große Bedeutung in Elizabeths Leben. Er war gleichermaßen Vaterersatz, Vertrauter, Freund und Mentor, führte sie in die Welt der Bücher ein und ermunterte sie durch Fragen und Diskussionen zu selbstbestimmtem, unabhängigem und kritischem Denken.
Er begleitete sie sozusagen ins Erwachsenenleben, was von ihrer Mutter skeptisch beäugt wurde.
Ist es nicht verdächtig, wenn sich der Fremde aus dem Nachbarhaus so intensiv der Tochter widmet? Muss man nicht misstrauisch werden, wenn man deren gegenseitige Zuneigung wahrnimmt?

Während dieser letzten gemeinsamen Zeit im Pflegeheim, in der Elizabeth dem Greis etwas von dem zurückgeben möchte, was er ihr einst geschenkt hat, hängen sie zusammen Gedanken nach und schweigen in Erinnerungen und Rückblenden.

Es sind gegenwartsbezogene Gedanken, wie Kunst, Rassismus und Brexit-Votum, Rückblenden in die Zeit des Krieges und Erinnerungen an die Kindheit, die die beiden beschäftigen und verbinden.

Ali Smith schreibt anschaulich, ergreifend und poetisch und appelliert subtil an mehr Menschlichkeit. Den typisch britischen Humor hat sie dabei gekonnt eingebaut.

„Herbst“ ist ein beeindruckender und wortgewandter Roman, der Politik fast nebenbei, äußerst unaufdringlich, unterhaltsam und poetisch vermittelt und viele Denkanstöße gibt.

Ich empfehle dieses besondere, außergewöhnliche und aktuelle Buch, das mich bald in seinen Bann zog, äußerst gern weiter, bin nun gespannt auf die Folgebände und freue mich schon sehr darauf, sie zu lesen.

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Veröffentlicht am 04.01.2021

Gruseliges und Spannendes aus einem Herrenhaus in den Highlands...

Hinter diesen Türen
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„Hinter diesen Türen“ spielt in einem riesigen, idyllisch gelegenen und abgeschiedenen Anwesen in den schottischen Highlands, das von außen betrachtet recht bodenständig und konservativ daherkommt, aber ...

„Hinter diesen Türen“ spielt in einem riesigen, idyllisch gelegenen und abgeschiedenen Anwesen in den schottischen Highlands, das von außen betrachtet recht bodenständig und konservativ daherkommt, aber innen durch und durch mit intelligenter Technologie ausgestattet ist.

Die 27-jährige Erzieherin Rowan meint, genau dort ihren Traumjob als Kindermädchen bei einer wohlhabenden Familie mit vier Töchtern gefunden zu haben.
Eine üppige Bezahlung dafür, dass sie sich um zwei kleine Mädchen und ein Baby kümmern soll, klingt mehr als verlockend.
Sie ist fasziniert von dem prächtigen Herrenhaus mit seiner High-Tech-Ausstattung in überwältigender Landschaft.

Doch sie wird bald eines Besseren belehrt. Die Stelle ist stressig und der abstoßende Familienvater kommt ihr zu nahe. Außerdem geschehen plötzlich unerklärliche, verstörende und beängstigende Dinge. Rowan hört nachts Geräusche; es scheint zu spuken.

Sie meint, ständig beobachtet zu werden und auch die Mädchen legen ein zunehmend eigenartiges Verhalten an den Tag.
Und dann passiert das Ungeheuerliche: ein Todesfall ereignet sich und Rowan soll die Schuldige sein, weshalb sie erstmal ins Gefängnis muss...

„Hinter diesen Türen“ ist ein stimmiger und schlüssiger, spannender und schaurig-mysteriöser Psychothriller mit überraschenden Wendungen, der mich von Anfang an in seinen Bann zog.

Ich mochte die durchgehend unheimliche Atmosphäre und es gefiel mir sehr, dass Gefühle und Verhalten der Protagonistin nachvollziehbar waren.

Zweierlei muss ich beanstanden:
Es ist kaum nachvollziehbar und für mich eher wenig glaubwürdig, dass eine Angeklagte ihrem potentiellen künftigen Anwalt einen ganzen Roman schreibt und das Ende des Thrillers war mir etwas zu übereilt.

Aber ansonsten gefiel mir dieser Roman ausgesprochen gut und ich empfehle ihn sehr gerne weiter!

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