Unkonventionell, überraschend und episch
StadtrandritterInhalt:
Merle von Aue und Silvester Lanzen. Merle mag Silvester, Silvester ist mit Domino zusammen und mag Merle, eine Ausgangslage, die für alle Beteiligten nicht ganz einfach ist. Aber eigentlich geht ...
Inhalt:
Merle von Aue und Silvester Lanzen. Merle mag Silvester, Silvester ist mit Domino zusammen und mag Merle, eine Ausgangslage, die für alle Beteiligten nicht ganz einfach ist. Aber eigentlich geht es ja gar nicht um die grosse Liebe, sondern ist viel komplizierter. Da ist nämlich auch noch Kitty, Silvesters Schwester, deren Tod ihn komplett aus der Bahn geworfen hat und die er schmerzlich vermisst. Nur langsam findet er wieder in sein Leben zurück und muss sich dabei ständig Sorgen um seine Mutter machen, die mit dem Verlust ihrer Tochter noch immer nicht klar kommt. Die Mitarbeiter der Kirchgemeinde, die sich als Anspielung an mittelalterliche Tafelrunden Knappen nennen, sind Merle und Silvester eine grosse Hilfe. Die Jugendarbeit gibt ihrem Leben Strukturen und Verantwortung und darum ist es gar nicht so schlimm, wenn man manchmal mitten in der Nacht und einsam auf einem Hochhausdach am Stadtrand sitzt, weil man nicht weiss, wohin man sonst gehen soll. Als wäre alles nicht schon genug verstrickt, ist da auch noch Kondor, der - vielleicht, vielleicht aber auch nicht - etwas mit dem rätselhaften Verschwinden von Kittys Katze zu tun hat und dessen zwielichtige Vergangenheit ihn immer wieder einholt.
Meine Meinung:
Ich habe mir vor dem Lesen überhaupt kein Bild von "Stadtrandritter" gemacht und wollte mich von diesem Buch einfach nur überraschen lassen. Das ist dem Buch auch sofort gelungen. In viele unterschiedlich lange - zuerst wirr und dann immer logischer angeordnet scheinende - Kapitel gegliedert, macht es dieses Buch dem Leser nicht ganz einfach, es auf Anhieb zu verstehen. Zwischenhalte, Personen, die sich selber vorstellen und einige Seiten Bonusmaterial könnten darauf hin deuten, dass dieses Buch eigentlich ein Film sein will. "Verfilme mich" scheint schon ganz von Anfang zwischen den Zeilen zu stehen. Ich bin mir aber fast sicher, dass diese offensichtliche Provokation eher versucht, mit den Genres zu spielen, als dass der Autor es nötig hat, dieses Buch auf der Leinwand zu sehen. Es ist nämlich schon für sich selbst stehend ganz grosses Kino und ich denke nicht, dass ein Film diesen unendlich vielen Details, Verzierungen und Extras gerecht werden könnte.
Aber was will das Buch dann? Was will der Autor uns damit sagen?
In erster Linie ist "Stadtrandritter" eine epische Geschichte voller Liebe, Verzweiflung, Schmerz und Glaube, die unterhaltsam und atemlos spannend ist und ein unglaublich intimes Bild der jungen Protagonisten zeichnet, so, als würde der Autor genau wissen, von was er schreibt. Dieser Roman hat einen ziemlich hohen Anspruch an den Leser und liest sich deshalb nicht einfach zwischen zwei Meetings, sondern schreit förmlich nach Aufmerksamkeit. Es scheint mir aber so, als würde dieses Buch verstanden werden wollen. Es ist nicht einfach ein Stück Kunst, welches verwirren, verblüffen und schockieren will, es ist ein Stück Kunst mit einem tieferen Sinn, das gelesen, diskutiert, und nicht mehr vergessen werden will.
"Stadtrandritter" von Nils Mohl zeigt uns, dass nichts im Leben immer genau so ist, wie es auf den ersten Blick scheint und dass jede Gewissheit hinterfragt oder sogar umgangen werden kann. Der Glaube wird in diesem Buch häufig aber nie missionarisch thematisiert. Jede Figur hat eine eigene Auffassung von der Kirche, von Gott und vom Glauben. Dabei geht es aber häufig nicht um einen Glauben im religiösen Sinn, sondern um den Glauben an sich selbst und andere, das Vertrauen auf die eigene Stärke und darauf, dass es für jede noch so vertrackte Situation einen Ausweg geben kann, wenn man nur intensiv genug sucht und bereit ist, Kompromisse zu machen.
Fazit:
"Stadtrandritter" ist der zweite aber für sich stehende Teil der Trilogie Liebe-Glaube-Hoffnung und hat mich so überzeugt, dass ich mir den ersten Teil sofort bestellt habe. Unkonventionell, überraschend und episch lässt dieser Roman den Leser mit der Lust auf mehr zurück.